COVID-19: Behandlung mit Medikament gegen Erkrankungen des Knochenmarks
Fachleuten zufolge ist es unwahrscheinlich, dass noch in diesem Jahr Impfstoffe gegen das neue Coronavirus SARS-CoV-2 verfügbar sein werden. Daher richten sich die Hoffnungen darauf, dass es schneller gelingt, Medikamente zur Behandlung bereits Infizierter zu finden. Hier wird auch auf bereits zugelassene Mittel gesetzt. In einer Studie wird nun die Wirkung eines Präparats gegen Erkrankungen des Knochenmarks zur Behandlung von COVID-19 untersucht.
Im Zuge der Corona-Pandemie wird weltweit an Strategien zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus gearbeitet. Vor allem braucht es rasch Medikamente, die insbesondere bei schweren Verläufen zum Einsatz kommen können. Helfen könnte womöglich ein Medikament gegen Erkrankungen des Knochenmarks.
Behandlung von Patienten mit schweren Symptomen
Wie es in einer aktuellen Mitteilung heißt, sind das Coronavirus und COVID-19 derzeit auch am Universitätsklinikum Ulm Gegenstand intensiver Forschung.
So nehmen die Experten und Expertinnen der Klinik für Innere Medizin III ab sofort an einer klinischen Studie zur Behandlung von Corona-Patientinnen und -Patienten teil, die an schwereren Symptomen leiden.
Die Betroffenen erhalten das Medikament Ruxolitinib, welches bisher zur Behandlung myeloischer Erkrankungen des Knochenmarks eingesetzt wurde.
Laut der Mitteilung wird untersucht, ob das Medikament die bei COVID-19 häufig eintretende starke Entzündungsreaktion der Lunge und anderer Organen stoppen kann.
An der Studie beteiligen sich voraussichtlich sechs weitere deutsche Kliniken, insgesamt sollen 200 COVID-19-Patientinnen und -Patienten aufgenommen werden.
Bei vielen Erkrankten kommt es zu einer Verschlechterung der Lungenfunktion
Obwohl der Krankheitsverlauf bei COVID-19 sehr unterschiedlich und unspezifisch ausfällt, werden laut den Fachleuten rund 15 Prozent der Patientinnen und Patienten stationär in einer Klinik behandelt und benötigen eine Sauerstofftherapie. Bis zu fünf Prozent der Betroffenen müssen demnach auf einer Intensivstation betreut werden.
Ursächlich für die bei vielen Patientinnen und Patienten auftretende Verschlechterung der Lungenfunktion ist unter anderem eine starke Entzündungsreaktion in der Lunge, die durch das neuartige Virus ausgelöst wird und schwere Atemnot verursachen kann.
Wie in der Mitteilung erklärt wird, hemmt das Medikament Ruxolitinib die sogenannten Januskinasen, also Enzyme, die bei Entzündungsreaktionen verschiedenster Erkrankungen eine wichtige Rolle spielen.
Entzündungsreaktion soll gestoppt werden
Nun soll erforscht werden, ob das Präparat auch zur Behandlung von COVID-19 eingesetzt werden kann. Teilnehmen können Covid-19-Patientinnen und -Patienten, die stationär am Universitätsklinikum Ulm oder anderen beteiligten Kliniken behandelt werden.
„Die überschießende Entzündungsreaktion, die bei der Corona-Erkrankung vor allem in der Lunge aber auch in anderen Organen stattfindet, ist der Hintergrund für den Einsatz von Ruxolitinib“, erklärt Oberärztin Professorin Konstanze Döhner, die die Studie am Universitätsklinikum Ulm leitet.
„Das Medikament kann freigesetzte Botenstoffe der Entzündungsreaktion wirkungsvoll unterdrücken. Unser Ziel ist es, mit einer frühzeitigen Gabe von Ruxolitinib die Entzündungsreaktion zu stoppen, um dadurch bei unseren Patientinnen und Patienten eine künstliche Beatmung auf der Intensivstation zu verhindern.“
Weil schwer Corona-Erkrankte in erster Linie unter heftigen und zum Teil lebensbedrohlichen Atemwegs-Komplikationen leiden, stellt die Hemmung dieser Entzündungsreaktion einen wichtigen Bestandteil der Therapie von COVID-19 dar.
Vorteil: Forschende kennen das Medikament bereits
Den Angaben zufolge ist Ruxolitinib für die Behandlung der Myelofibrose und der Polyzythämia vera – beides myeloische Erkrankungen des Knochenmarks – zugelassen und wird dafür am Universitätsklinikum Ulm seit mehreren Jahren eingesetzt.
„Von Vorteil ist, dass wir das Medikament bereits kennen und damit Entzündungsreaktionen, die durch andere Erkrankungen ausgelöst werden, erfolgreich behandeln“, so Privatdozentin Dr. Beate Grüner, Leiterin der Sektion Klinische Infektiologie an der Klinik für Innere Medizin III.
„Die Substanz ist außerdem bei uns für die Behandlung der sogenannten Graft-versus-Host-Erkrankung, also Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion, nach Knochenmark-Transplantationen in der klinischen Entwicklung“, erläutert die Expertin.
Neben dem Universitätsklinikum Ulm werden sich an der Studie voraussichtlich sechs weitere deutsche Kliniken beteiligen, die Federführung hat die Klinik für Innere Medizin II des Universitätsklinikums Jena inne. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universitätsklinikum Ulm: Neue Therapiestudie bei Covid-19, (veröffentlicht 15.05.2020), Universitätsklinikum Ulm
Wichtiger Hinweis:
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