Studie: Hydroxychloroquin und Chloroquin helfen nicht bei der COVID-19-Behandlung
Hydroxychloroquin und Chloroquin werden während der aktuellen Coronavirus-Pandemie zur Behandlung von Patientinnen und Patienten mit COVID-19 eingesetzt. Doch eine neue Studie hat nun gezeigt, dass diese Medikamente keinen Nutzen haben; im Gegenteil: damit Behandelte wiesen eine höhere Sterblichkeitsrate und insbesondere ein erhöhtes Risiko für Herzrhythmusstörungen auf.
US-Präsident Donald Trump hat Hydroxychloroquin vor kurzem als ein „Geschenk Gottes“ bezeichnet. Er nimmt das Malaria-Medikament als COVID-19-Prophylaxe ein. Dabei ist die Wirksamkeit noch gar nicht bewiesen. Vielmehr hat eine Untersuchung nun gezeigt, dass dieses Medikament, wie auch Chloroquin, offenbar eine Gefahr für Patientinnen und Patienten darstellt.
Höheres Risiko für lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen
Laut einer aktuellen Mitteilung hat ein Forschungsteam des Brigham and Women’s Hospital der Harvard Medical School in Boston in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Kardiologie am Herzzentrum des Universitätsspitals Zürich Ergebnisse einer weltweiten Beobachtungsstudie bei Patientinnen und Patienten, die wegen COVID-19 hospitalisiert wurden, ausgewertet.
Dabei zeigten COVID-19-Erkrankte, die mit Hydroxychloroquin oder Chloroquin (mit oder ohne Makrolid-Antibiotikum) behandelt worden waren, insbesondere ein höheres Risiko für lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen.
Die Erkenntnisse der Forschenden sind in der renommierten Fachzeitschrift „The Lancet” veröffentlicht worden.
Malariamittel wird zur Behandlung von COVID-19 eingesetzt
Hydroxychloroquin ist ein Arzneistoff, der zur Behandlung von Malaria zugelassen ist. Derzeit wird das Medikament auch gegen die durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 verursachte Krankheit COVID-19 eingesetzt. Das ist nicht ungefährlich.
Das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat bereits im vergangenen Monat in einer Mitteilung darauf hingewiesen, dass die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) auf ihrer Webseite an das Risiko schwerwiegender Nebenwirkungen bei Anwendung von Hydroxychloroquin (und Chloroquin) erinnert.
Auch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den USA und der Schweiz stellten nun fest, dass diese Präparate gefährlich werden können.
Keine wissenschaftlichen Belege für die Wirksamkeit
„Hydroxychloroquin und Chloroquin zeigen keinen Nutzen bei Patientinnen und Patienten, die mit Covid-19 hospitalisiert wurden“, erklärt Mandeep R. Mehra, MD, Executive Director des Center for Advanced Heart Disease, Brigham and Women’s Hospital.
„Die Daten weisen auf ein erhöhtes Sterberisiko hin. Wir beobachteten auch eine Vervierfachung der Anzahl Herzrhythmusstörungen bei COVID-19-Patienten, die mit Hydroxychloroquin oder Chloroquin behandelt worden waren“, so der Forscher.
„Für die Wirksamkeit von Hydroxychloroquin und Chloroquin bei Covid-19 gibt es keine wissenschaftlichen Belege“, ergänzt Prof. Frank Ruschitzka, Leiter der Abteilung Kardiologie am Herzzentrum des Universitätsspitals Zürich.
„Im Gegenteil, insbesondere bei Covid-19-Patienten mit Herzerkrankungen beobachteten wir schwere Nebenwirkungen, vor allem lebensgefährliche Herzrhythmusstörungen. Hydroxychloroquin und Chloroquin sollten deshalb bei COVID-19 nicht mehr eingesetzt werden, bevor uns die Ergebnisse von weiteren, aktuell noch laufenden randomisierten klinischen Studien vorliegen“.
Daten von fast 100.000 Erkrankten
Den Angaben zufolge führte das Forschungsteam um Mehra und Ruschitzka die Studie unter Verwendung der Surgical Outcomes Collaborative-Datenbank durch, einem internationalen Register, das anonymisierte Daten von 671 Krankenhäusern aus allen Kontinenten umfasst.
Die Analyse berücksichtigte Daten von mehr als 96.000 Patientinnen und Patienten, die mit COVID-19 hospitalisiert worden waren.
Knapp 15.000 dieser Erkrankten waren mit dem Malaria-Medikament Chloroquin oder mit Hydroxychloroquin mit oder ohne Antibiotika (Makrolide wie Azithromycin und Clarithromycin) schon früh nach der COVID-19-Diagnose behandelt worden.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden heraus, dass insgesamt 10.698 Patientinnen und Patienten, die die eine oder andere dieser Arzneien erhalten hatten, im Krankenhaus verstarben (11,1 Prozent) und dass 85.334 überlebten und entlassen werden konnten.
Noch keine definitiven Schlussfolgerungen
Das Forschungsteam verglich diese Sterblichkeitsrate mit derjenigen einer Kontrollgruppe unter Berücksichtigung von Alter, Geschlecht und Risikofaktoren.
Wie es in der Mitteilung heißt, betrug die Sterblichkeitsrate in der Kontrollgruppe 9,3 Prozent. Chloroquin oder Hydroxychloroquin allein oder in Kombination mit einem Makrolid waren demnach mit einem erhöhten Risiko für den Tod im Krankenhaus mit COVID-19 verbunden.
Bei den Therapiegruppen erfuhren zwischen vier und acht Prozent der Erkrankten eine neue Herzrhythmusstörung, verglichen mit 0,3 Prozent der Patientinnen und Patienten der Kontrollgruppe.
Die Studienautoren weisen darauf hin, dass die Ergebnisse noch laufender randomisierter klinischen Untersuchungen abgewartet werden müssen, bevor definitive Schlussfolgerungen bezüglich der Gefährdung durch Chloroquin und Hydroxychloroquin gezogen werden können. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universitätsspital Zürich: Kein Nutzen von Hydroxychloroquin und Chloroquin, (Abruf: 23.05.2020), Universitätsspital Zürich
- Mehra M et al.: Hydroxychloroquine or chloroquine with or without a macrolide for treatment of COVID-19: a multinational registry analysis; in: The Lancet, (veröffentlicht: 22.05.2020), The Lancet
- Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM): Hydroxychloroquin: Risiko für schwerwiegende Nebenwirkungen bei Anwendung zur Behandlung von COVID-19, (Abruf: 23.05.2020), Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
- Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA): COVID-19: reminder of risk of serious side effects with chloroquine and hydroxychloroquine, (Abruf: 23.05.2020), Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA)
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.