Wie wulstige Narben entstehen und wie sie verhindert werden
Wunden und Narben sind so alt wie die Menschheit selbst und dennoch sind die genauen Prozesse, die bei der Wundheilung und der Narbenbildung ablaufen, noch nicht ausreichend verstanden. Ein interdisziplinäres Forschungsteam konnte nun diese Mechanismen genauer entschlüsseln und so den Weg für verbesserte Wundheilungstherapien ebnen.
Forschende der Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich) haben die Prozesse genauer aufgeschlüsselt, welche die Wundheilung und die Narbenbildung steuern. Hierzu nutzte das Team eine neu entwickelte Methode, die es ermöglichte, erstmals biomechanische Eigenschaften von heilendem Gewebe am lebenden Objekt zu messen. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Nature Communications“ präsentiert.
Schnell heilende Wunden heilen schlechter
Die Forschenden verstanden durch die neue Methodik erstmals, wie bestimmte Wachstumsfaktoren auf die Geschwindigkeit und die Qualität der Heilung einwirken. Dabei stellte sich heraus, dass schnell heilende Wunden tendenziell wulstigere Narben bilden und dass die umliegende Haut dadurch einen Teil der Elastizität verliert. Langsam heilende Wunden brauchen zwar länger, sind aber mit deutlich weniger Narbenbildung verbunden.
Welche Prozesse laufen bei der Wundheilung ab?
Eine Schlüsselrolle bei der Wundheilung spielt den Forschenden zufolge das Signalmolekül Activin. Dieser Wachstumsfaktor ist auch bei Krebserkrankungen relevant. „Wir haben gezeigt, wie tiefgreifend sich ein einzelnes Signalmolekül auf das komplexe Zusammenspiel von Zellen und ihrer Matrix auswirkt“, erläutert Sabine Werner, die das Forschungsteam am Institut für Molekulare Gesundheitswissenschaften leitete.
Die Menge entscheidet die Geschwindigkeit
Je mehr Activin in der Wunde vorhanden ist, desto mehr Bindegewebszellen entstehen gleichzeitig, berichten die Forschenden. Dies beeinflusse die Zusammensetzung der sogenannten extrazellulären Matrix, also den Bindegewebeanteil, der zwischen den Zellen liegt. Diese Matrix bildet eine Art Gerüst, welches die Zellen umschließt.
Bei hoher Activin-Konzentration sammeln sich mehr Kollagene in dieser Matrix an. Diese Eiweißstoffe bilden Kollagenfasern, womit sich die Kollagene vernetzen. „So heilt die Wunde zwar rascher, aber das verletzte Gewebe versteift und verhärtet sich“, erklären die Forschenden.
Wundheilung messbar machen
Mithilfe des neuen Messverfahrens kann fortan die Activin-Konzentration bei der Wundheilung ermittelt werden, wodurch frühzeitig ein Rückschluss auf den Heilungsverlauf gezogen werden kann. Laut Werner ließe sich der Heilungsverlauf vielleicht sogar beeinflussen. Beispielsweise könne eine Wunde mit Activin angereichert werden, bevor sie chronisch wird. Verletzungen im Gesicht könnten durch die Hemmung von Activin herausgezögert werden, wodurch die Wunde mit weniger Narbenbildung verbunden wäre.
„Mit unserem interdisziplinären Ansatz schaffen wir die Grundlagen dafür – und tragen zum besseren Verständnis der Heilungsprozesse bei“, resümiert Edoardo Mazza, der das Forschungsteam am Institut für Mechanische Systeme leitete. Bis solche Methoden zum Einsatz kommen, muss jedoch erst noch weiter auf dem Gebiet geforscht werden. (vb)
Zusätzliche Informationen finden Sie in dem Artikel: Wundheilung – Dauer und Phasen.
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Eidgenössische Technische Hochschule Zürich: Wundheilung detailliert aufgeschlüsselt (veröffentlicht: 02.06.2020), ethz.ch
- Mateusz S. Wietecha, Marco Pensalfini, Michael Cangkrama, u.a.: Activin-mediated alterations of the fibroblast transcriptome and matrisome control the biomechanical properties of skin wounds; in: Nature Communications, 2020, nature.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.