Wirkt sich die Genetik auf den COVID-19-Verlauf aus?
Eine neue COVID-19-Untersuchung zeigt, dass die Blutgruppe einer infizierten Person den Krankheitsverlauf zu beeinflussen scheint. Menschen mit der Blutgruppe O haben der Studie zufolge ein geringeres Risiko für einen schweren Verlauf als Menschen mit der Blutgruppe A positiv.
Forschende aus Oslo und Kiel haben Hinweise gefunden, dass die Schwere des COVID-19-Krankheitsverlaufs offenbar auch mit der Blutgruppe zusammenhängt. Demnach haben Personen mit der Blutgruppe A positiv ein höheres Risiko für schwere Verläufe als andere Blutgruppen. Von der Blutgruppe 0 scheint sogar eine Schutzfunktion auszugehen. Die Studie ist als Vorabversion auf dem medizinischen Preprint-Server „medRxiv“ einsehbar.
Warum erkranken manchen Menschen schwerer als andere?
Atemstillstand ist ein Hauptmerkmal von kritischen COVID-19-Verläufen und ein entscheidender Faktor, ob Betroffene in Lebensgefahr schweben. Weniger als 10 Prozent aller SARS-CoV-2-infizierten Personen entwickeln einen schweren Verlauf. Derzeit ist immer noch im Detail unklar, welche Faktoren dazu beitragen, dass einige Menschen schwerer erkranken als andere. Ein deutsch-norwegisches Forschungsteam untersuchte diesen Unterschied nun genauer. Dabei richtete das Team besonderen Augenmerk auf die Genetik.
Große Gruppe mit schweren Krankheitsverläufen analysiert
Die Forschungsgruppe der aktuellen Studie setzt sich aus führenden humangenetischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Oslo und Kiel zusammen. Das Team untersuchte die Daten von rund 4.000 COVID-19-Betroffenen mit schweren Verläufen. Die Daten wurden bei großen Ausbrüchen in Italien und Spanien gesammelt.
Welchen Einfluss hat die Genetik auf COVID-19?
Die Humangenetiker wollten herausfinden, ob bestimmte Gene bei schwer Erkrankten häufiger vorkommen als im Durchschnitt der Bevölkerung. Dabei entdeckte man einen Bereich im Genom, der die Blutgruppe codiert. In einer anschließenden Blutgruppen-spezifischen Analyse bestätigte sich der Fund. Die Ergebnisse zeigen ein höheres Risiko für schwere COVID-19-Verläufe bei Infizierten mit der Blutgruppe A sowie ein geringeres Risiko für die Blutgruppe 0.
Wie stark ist der Effekt?
Vereinfacht gesagt kann man der Studie zufolge sagen, dass Menschen mit der Blutgruppe A ein um circa 45 Prozent (Odds-Ratio=1,45) erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben als der Durchschnitt (Odds-Ratio=1). Personen mit der Blutgruppe 0 scheinen dagegen ein 35 Prozent geringeres Risiko für schwere Verläufe zu haben als der Durchschnitt (Odds-Ratio=0,65).
Blutgruppe nur ein Faktor von vielen
Der Virologe und Coronavirus-Spezialist Professor Dr. Christian Drosten hält die Studie für relevant, auch wenn sie bislang erst als Vorabversion erschienen ist. In dem NDR-Podcast „Coronavirus-Update“ betont der Experte jedoch, dass es auch viele andere Faktoren gibt, die den Krankheitsverlauf beeinflussen, darunter beispielsweise das Alter, vorhandene Grunderkrankungen und die Infektionsdosis, die man am Anfang der Erkrankung abbekommen hat. Zudem seien auch jetzt noch viele Faktoren unbekannt, die auf den Krankheitsverlauf einwirken.
Einschränkung der Studien
Wie oben bereits erwähnt wurde die Studie bislang nur als Vorabversion veröffentlicht und ist noch nicht in einem renommierten Fachjournal erschienen. Dazu muss die Studie erst noch von internationalen Expertinnen und Experten begutachtet werden. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- David Ellinghaus, Frauke Degenhardt, Luis Bujanda, u.a.: The ABO blood group locus and a chromosome 3 gene cluster associate with SARS-CoV-2 respiratory failure in an Italian-Spanish genome-wide association analysis; in: medRxiv, 2020, medrxiv.org
- NDR: Coronavirus-Update (48) mit Christian Drosten: There is glory in prevention (veröffentlicht: 11.06.2020), ndr.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.