Welche Rolle spielt Cortisol bei der Alterung?
Die Entschlüsselung des Alterungsprozesses ist das zentrale Thema in zahlreichen Forschungsarbeiten. Deutsche Forschende fügten nun ein Puzzlestück zum Gesamtbild hinzu, indem sie die Rolle des Stresshormons Cortisol bei der Alterung analysierten und so Vorgänge im Immunsystem entlarvten, die mit dazu beitragen, dass wir altern.
Ein Team der Universität des Saarlandes zeigte, dass ein niedriger Spiegel des Stresshormons Cortisol und des Proteins Gilz mit chronischen Entzündungsprozessen in Verbindung stehen. Solche Entzündungen sind wiederum maßgeblich an der Alterung beteiligt. Die Studienergebnisse wurden kürzlich in dem Fachjournal „Aging Cell“ vorgestellt.
Wie das Immunsystem altert
Wenn Menschen altern, altert auch die körpereigene Abwehr. Das im Laufe des Lebens erworbene Immunsystem fährt herunter und das angeborene unspezifische Immunsystem wird zunehmend überaktiv. Daraus resultieren chronische Entzündungen, die zahlreiche chronische Krankheiten wie Atherosklerose (Arterienverkalkung) oder Arthritis begünstigen.
„Diese Abläufe sind der Wissenschaft schon länger bekannt“, berichtet Pharmazie-Professorin Alexandra K. Kiemer aus dem Studienteam. In der Fachwelt nenne man diese Prozesse „Inflamm-Aging“, ein Kunstwort, dass sich aus den englischen Begriffen für Entzündung (inflammation) und Altern (aging) zusammensetzt. Wie es genau zu den zunehmenden Entzündungen kommt, ist bislang aber noch nicht ausreichend verstanden. Die Forschenden liefern in der aktuellen Studie nun die ersten Antworten zu dieser ungeklärten Frage.
Cortisol ist am Alterungsprozess beteiligt
Das oft als Stresshormon bezeichnete Cortisol sowie seine inaktive Form Cortison werden in der Nebenniere gebildet. Das Hormon ist ein biochemischer Botenstoff und an vielen Stoffwechselvorgängen im Körper beteiligt. Ist dieser Botenstoff nicht im ausreichendem Maße vorhanden, entstehen Entzündungen.
„In höherem Lebensalter ist der Cortisol-Spiegel im Körper niedriger“, ergänzt die promovierte Pharmazeutin Jessica Hoppstädter. Dieser Mangel werde teilweise durch Makrophagen (wichtige Immunzellen) ausgeglichen, indem sie selbst Cortisol aus inaktivem Cortison herstellen. Aber auch dies funktioniere mit zunehmendem Alter fortlaufend schlechter.
Auch Makrophagen altern
„Es kommt zu einem Macroph-Aging – also einem Altern der Makrophagen“, so Hoppstädter. Die Immunzellen geraten immer weiter aus dem Gleichgewicht, wodurch vermehrt Entzündungsbotenstoffe ausgeschüttet werden, denn Makrophagen koordinieren über Botenstoffe andere Immunzellen und sind somit maßgeblich am Ausmaß einer Entzündungsreaktion beteiligt.
Das Forschungsteam identifizierte erstmals ein Protein namens Gilz, welches für diese Makrophagen-Fehlsteuerung verantwortlich sein könnte. Die Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Gilz Cortisol reguliert. „Gilz ist eine Kurzform für Glucocorticoid-induzierter Leuzin Zipper“, führt Professorin Kiemer aus. Das Protein scheint an einer Vielzahl wichtiger Abläufe im Körper maßgebend beteiligt zu sein. „Es kann Gutes, aber auch Schlechtes bewirken“, folgert das Forschungsteam.
Welche Rolle spielt Gilz im Immunsystem?
„Es hilft dabei, in Makrophagen die Entzündungsreaktion abzuschalten“, erklärt Hoppstädter. Der Verlust von Gilz trage mit zunehmenden Alter dazu bei, dass Makrophagen Entzündungen auslösen, so die Hypothese der Forschenden. Laut den Studiendaten nimmt zunächst der Cortisol-Spiegel ab, dies führt dazu, dass Makrophagen weniger Gilz herstellen, wodurch vermehrt Entzündungsbotenstoffe ausschüttet werden. Zu Versuchszwecken schalteten die Forschenden die Gilz-Produktion genetisch ab. Als Folge entstanden vermehrte Entzündungsprozesse – was den Verdacht des Team bestätigte.
Angriffspunkt gegen Alterungsprozess entdeckt
Laut den Forschenden könnte dieser Prozess ein Angriffspunkt für Therapien darstellen, die die Alterung des Immunsystems verlangsamen oder stoppen. Das Team sucht bereits nach Wirkstoffen, die den Gilz-Spiegel im Alter erhöhen. „Bei all diesen Arbeiten handelt es sich um Grundlagenforschung“, betont Kiemer. Es sei noch lange kein Wirkstoff in Sicht, der die Alterung aufhalten kann. Dennoch sei ein weiterer Schritt zum Verständnis der Alterung getan. (vb)
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Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universität des Saarlandes: Alternsforschung: Niedriger Spiegel des Stresshormons Cortisol trägt dazu bei, dass wir altern (veröffentlicht: 01.07.2020), uni-saarland.de
- Jenny Vanessa Valbuena Perez, Rebecca Linnenberger, Anna Dembek, u.a.: Altered glucocorticoid metabolism represents a feature of macroph‐aging; in: Aging Cell, 2020, onlinelibrary.wiley.com
Wichtiger Hinweis:
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