Allergische Reaktionen helfen bei der Bakterien-Abwehr
Allergien treten immer häufiger auf. Die Akademie für Allergologie und klinische Immunologie prognostiziert, dass im Jahr 2025 jede zweite Person in Europa an einer Allergie leiden wird. Warum so viele Menschen Allergien entwickeln, ist immer noch größtenteils unklar. Ein Forschungsteam zeigte nun, dass Allergien ein Versuch des Körpers sind, sich gegen bakterielle Infektionen zur Wehr zu setzen.
Forschende der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, der Medizinischen Universität Wien und der Stanford University School of Medicine haben eine mögliche Ursache dafür entdeckt, warum der Körper eine Allergie entwickelt. Offenbar geht mit einer Allergie eine gewisse Schutzfunktion vor Bakterien einher. Die Forschungsarbeit zeigt erstmals, dass Allergien auch eine gesundheitsfördernde Seite haben könnten. Die Studie wurde kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Immunity“ vorgestellt.
Die positive Seite von Allergien
Allergien scheinen auch eine positive Seite zu haben. Der aktuellen Untersuchung zufolge könnte dies erklären, warum sich das Konzept der Allergie in unserem Immunsystem so sehr durchsetzt. Denn Allergien scheinen die Abwehrkraft gegen bakterielle Infektionen zu erhöhen. Die Forschenden leisten mit der Studie einen großen Beitrag zum allgemeinen Verständnis von Allergien.
Wie entsteht eine allergische Reaktion?
Rund 150 Millionen Menschen in Europa leiden derzeit unter wiederkehrenden Allergien – Tendenz steigend. Eine Allergie beginnt mit einem Prozess der Sensibilisierung für körperfremde Stoffe, die Allergene. Das Immunsystem erkennt die Substanzen und entwickelt Antikörper dagegen. Diese sogenannten IgE-Antikörper binden sich vorwiegend an Mastzellen (an den FcεR1 Rezeptor). Mastzellen zirkulieren im Blutkreislauf sowie im Gewebe und schütten bei Bedarf Botenstoffe wie Heparin und Histamin aus, um Immunreaktionen zu verstärken.
Trifft die Mastzelle, an die sich IgE-Antikörper gebunden haben, auf ein Allergen, erfolgt die Freisetzung der gespeicherten Botenstoffe wie Histamine, Proteasen oder verschiedene Zytokine, wodurch eine sofortige allergische Reaktion hervorgerufen wird, die sich durch Symptome wie Niesen, Husten, Atemnot, Juckreiz oder Hautrötungen bis hin zu Durchfall sowie Magenschmerzen äußern kann. Bei einem systemischen Kontakt mit Allergenen, beispielsweise wenn diese in den Blutkreislauf gelangen, droht ein allergischer Schock (Anaphylaxie), der lebensbedrohlich sein kann.
Warum entwickeln wir Allergien?
Trotz der immer stärkeren Verbreitung von Allergien konnte noch nicht geklärt werden, warum der Körper Allergien entwickelt. Im Jahr 1991 stellte die Forscherin Margie Profet ihre „Toxin-Hypothese“ vor, die erstmals eine positive Funktion von allergischen Reaktionen beschreibt. Die Hypothese besagt, dass allergische Reaktionen bei der Abwehr von Giftstoffen helfen. Ausreichend Beweise gab es dafür zu dem Zeitpunkt aber nicht.
Die aktuelle Studie liefert nun erstmals tiefere Einblicke zur Funktion von Allergien. Anknüpfend an die Toxin-Hypothese zeigen die Forschenden, dass allergische Reaktionen auch bei der Abwehr anderer toxinproduzierender Organismen, insbesondere pathogener Bakterien beteiligt sind.
Allergie schützte Mäuse vor schweren Infektionen
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten bei Mäusen nachvollziehen, wie durch eine milde Hautinfektion mit dem Bakterium Staphylococcus aureus eine Allergie bei den Mäusen entstand und wie diese Allergie im weiteren Verlauf der Studie die Mäuse vor erneuten Infektionen mit diesem Erreger schützte.
S. aureus ist ein Krankheitserreger, der oft Antibiotikaresistenzen aufweist. Das Bakterium sorgt häufig für Hautinfektionen, kann aber auch den Blutkreislauf oder das Knochenmark infizieren oder Lungenentzündungen hervorrufen. Zudem wird der Krankheitserreger mit allergischer Erkrankungen wie Asthma und atopischer Dermatitis in Verbindung gebracht.
Die Forschenden beobachteten, wie Mäuse mit einer milden S. aureus-Hautinfektion spezifische IgE-Antikörper gegen bakterielle Komponenten entwickelten. Diese Immunantwort erhöhte die Resistenz der Mäuse gegenüber schweren Infektionen der Lungen, der Haut und anderen Geweben. Mäuse, die diese IgE-Antikörper nicht entwickelten, hatten auch keine Schutzfunkion gegenüber S. aureus.
Schützen uns Allergien vor gefährlichen Bakterien?
Die Studie liefert wichtige neue Erkenntnisse, die darauf hindeuten, dass allergische Immunantworten nicht ausschließlich schädlich für den Körper sind, sondern auch eine gewisse Schutzfunktion ausüben. Die Forschenden kommen zu dem Schluss, dass Allergien zur Abwehr von toxinproduzierenden pathogenen Bakterien beitragen könnten. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Research Center for Molecular Medicine of the Austrian Academy of Sciences: Allergische Immunantworten helfen bei der Abwehr bakterieller Infektionen (veröffentlicht: 09.09.2020), cemm.at
- Philipp Starkl, Martin L. Watzenboeck, Lauren M. Popov, u.a.: IgE Effector Mechanisms, in Concert with Mast Cells, Contribute to Acquired Host Defense against Staphylococcus aureus; in: Immunity, 2020, cell.com
Wichtiger Hinweis:
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