Hilft Holunder bei Grippe und Erkältung?
Husten, Schnupfen, Heiserkeit: Die Erkältungszeit hat begonnen und auch die Grippesaison. Gegen die Symptome der beiden Erkrankungen stehen zahlreiche Hausmittel zur Verfügung. Auch Holunder soll helfen – stimmt das aber wirklich?
Nachdem nun das herbstliche und regnerische Wetter eingezogen ist, wird die Zahl der Erkältungen wohl bald ansteigen. Auch die Grippesaison hat begonnen. Frühere wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass Holunder bei der Behandlung beider Erkrankungen helfen kann. Doch eine neue Studie kommt nun zu anderen Ergebnissen.
Seit Jahrhunderten im Einsatz
Wie in einem aktuellen Beitrag der renommierten Cleveland Clinic (USA) erklärt wird, stammen Holunderbeeren von einer Baumsorte namens Sambucus. Der europäische Holunder, auch bekannt als Sambucus nigra oder schwarzer Holunder, ist der häufigste Baum aus dieser Familie.
Die Beeren und Blüten dieser Bäume sind essbar. Holunderbeeren müssen jedoch gekocht werden, bevor sie verzehrt werden. In ungekochtem Zustand sind die Beeren giftig und können Durchfall, Erbrechen und Übelkeit verursachen.
Holunderbeerextrakt wird schon seit Jahrhunderten medizinisch verwendet, um Infektionen zu bekämpfen, den Teint zu verbessern und das Immunsystem zu stärken. Auch heute sind zahlreiche Holunderpräparate erhältlich, die unter anderem zur Behandlung von Erkältungen und Grippe geeignet sein sollen.
Zudem werden sie bei chronischer Müdigkeit, Verstopfung, Heuschnupfen, Kopfschmerzen, hohem Cholesterinspiegel, Nebenhöhleninfektionen, Ischiasschmerzen, Zahnschmerzen und Infektionen der oberen Atemwege eingesetzt.
Mit Holunder COVID-19 verhindern?
Laut den Fachleuten der Cleveland Clinic haben sich einige Menschen sogar auf Holunderprodukte verlassen, um die Auswirkungen von Krebs, Depressionen und HIV / AIDS zu lindern.
Zudem wurde verbreitet, dass Holunder COVID-19 verhindern kann. Doch es gibt keine veröffentlichten Forschungsstudien, die die Verwendung von Holunder für COVID-19 bewertet haben. Darauf weist auch das National Center for Complementary and Integrative Health (NIH) hin.
Die US-amerikanischen Bundesbehörden Food and Drug Administration und die Federal Trade Commission haben Maßnahmen gegen Unternehmen ergriffen, die Produkte mit unbestätigten Behauptungen über die Wirksamkeit von Holunder gegen COVID-19 vermarkten.
Widersprüchliche Forschungsergebnisse
Wissenschaftliche Untersuchungen haben noch mehr Aufsehen um diese dunkelvioletten bis schwarzen Beeren ausgelöst. So zeigte etwa eine in der Fachzeitschrift “Journal of International Medical Research” veröffentlichte Studie, dass Präparate mit Holunderbeerextrakt die Grippedauer im Vergleich zu einem Placebo um vier Tage verkürzten.
Aktuelle Erkenntnisse deuten nun aber darauf hin, dass Holunder die Schwere oder Dauer der Grippesymptome nicht wirksam reduziert. Die neueste Studie unter der Leitung von Michael Macknin, emeritierter Professor für Pädiatrie am Lerner College of Medicine der Cleveland Clinic, ist die bislang größte, die durchgeführt wurde, um zu bewerten, wie Holunder bei der Behandlung von Grippepatientinnen und -patienten eingesetzt wird.
Die Studienergebnisse wurden kürzlich in dem Fachmagazin „Journal of General Internal Medicine“ veröffentlicht.
Die Studie untersuchte 87 Personen ab fünf Jahren, die zwischen Januar 2018 und April 2019 positiv auf Influenza (Grippe) getestet wurden. Nur 33 Prozent der Patientinnen und Patienten hatten Grippeimpfstoffe erhalten.
Die Erkrankten hatten zwei oder mehr der folgenden Symptome: Körperschmerzen, Schüttelfrost, Husten, Müdigkeit, Kopfschmerzen, verstopfte Nase oder Halsschmerzen. Sie wurden in einer Notaufnahme untersucht, wo sie nach dem Zufallsprinzip fünf Tage lang Holunderbeerextrakt oder ein Placebo erhielten. Sie durften auch das antivirale Medikament Oseltamivir (Tamiflu) einnehmen.
Mehr Forschung nötig
Die Ergebnisse der Studie zeigten keinen Unterschied in der Schwere oder Dauer der Grippesymptome zwischen der Holunder- und der Placebo-Gruppe. Bei denjenigen in der Holunder-Gruppe, die kein Oseltamivir einnahmen, dauerte es zwei zusätzliche Tage, bis die Symptome im Vergleich zur Placebo-Gruppe abgeklungen waren.
Dies steht im Widerspruch zu früheren Untersuchungen, in denen festgestellt wurde, dass Holunder die Grippesymptome um vier Tage verkürzte, was den Bedarf an weiterer Forschung zeigt.
Abschließend weist Dr. Macknin darauf hin, dass Grippeimpfstoffe die beste Abwehr gegen die Erkrankung sind. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Cleveland Clinic: Is Elderberry Really an Effective Cold and Flu Cure?, (Abruf: 26.09.2020), Cleveland Clinic
- National Center for Complementary and Integrative Health (NIH): Elderberry, (Abruf: 26.09.2020), National Center for Complementary and Integrative Health (NIH)
- Z Zakay-Rones, E Thom, T Wollan, J Wadstein: Randomized Study of the Efficacy and Safety of Oral Elderberry Extract in the Treatment of Influenza A and B Virus Infections; in: Journal of International Medical Research, (veröffentlicht: 01.04.2004), Journal of International Medical Research
- Michael Macknin MD, Kathy Wolski MPH, Jeffrey Negrey MA & Sharon Mace MD: Elderberry Extract Outpatient Influenza Treatment for Emergency Room Patients Ages 5 and Above: a Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled Trial; in: Journal of General Internal Medicine, (veröffentlicht: 14.09.2020), Journal of General Internal Medicine
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.