Weltweit größte Kontaktuntersuchung zur Coronavirus-Verbreitung
Kürzlich wurde die bislang größte Coronavirus-Studie veröffentlicht, in der Ansteckungsquellen über Kontakte mit infizierten Personen zurückverfolgt wurden. So sollte identifiziert werden, wo und wie sich die meisten Menschen mit SARS-CoV-2 infizieren. Dabei zeigte sich erneut, dass sogenannte Superspreading-Events – also Ereignisse, wo sich viele Menschen auf einmal infizieren – eine zentrale Rolle bei der Ausbreitung des Virus spielen.
Forschende verschiedener Institutionen aus Amerika und Indien führten die bislang größte Kontaktuntersuchung zu dem Coronavirus SARS-CoV-2 durch. Dabei wurden die Kontakte von über einer halben Millionen Menschen in Indien zurückverfolgt, die mit dem Virus in Berührung gekommen sind. Die Untersuchung legt nahe, dass nur ein kleiner Teil der Infizierten für die meisten Ansteckungen verantwortlich ist. Über 70 Prozent der Teilnehmenden steckten keine einzige weitere Person an. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Science“ präsentiert.
Kontaktverfolgungen in reichen Ländern zu kostenintensiv
Da Kontaktuntersuchungen eine große Anzahl von Personal erfordern, sind solche Maßnahmen in Ländern mit hohen Löhnen sehr kostspielig. In Indien sind dagegen die Lohnkosten wesentlich geringer und die Gesundheitsbehörden verfügen über deutlich mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. So konnte die weltweit größte Kontaktuntersuchung bezüglich der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 auf die Beine gestellt werden.
Bislang größte Studie dieser Art
Ein internationales Team des Princeton Environmental Institute, der Johns Hopkins University und der University of California arbeitete mit Beamtinnen und Beamten des öffentlichen Gesundheitswesens in den südostindischen Bundesstaaten Tamil Nadu und Andhra Pradesh zusammen, um die Infektionswege und die Sterblichkeitsrate von insgesamt 575.071 Personen zu verfolgen. Der Personenkreis wurde aus 84.965 bestätigten COVID-19-Fällen ermittelt. Es handelt sich dabei nicht nur um die größte Coronavirus-Kontaktstudie, sondern um die größte Untersuchung dieser Art, die je für eine Infektionskrankheit durchgeführt wurde.
Superspreader sorgen für einen Großteil der Infektionen
Den Ergebnissen zufolge ist nur ein kleiner Prozentsatz von infizierten Menschen für einen Großteil der Ansteckungen verantwortlich. Nur acht Prozent der Ausgangspersonen sorgten für 60 Prozent der Neuinfektionen. Bei 71 Prozent der Index-Patientinnen und -Patienten endete die Ausbreitung. Sie steckten keine einzige weitere Person an.
Vor allem innerhalb von Familien war das Verbreitungsrisiko besonders hoch. So lag die allgemeine Gefahr, sich bei Kontakt mit einem Index-Fall mit SARS-CoV-2 zu infizieren, innerhalb von Familien bei neun Prozent, außerhalb des Haushaltes aber nur bei 2,6 Prozent. Das Gesundheitspersonal, welches die infizierten Ausgangspersonen behandelte, hatte ein Ansteckungsrisiko von 1,2 Prozent. Am höchsten war die Ansteckungsgefahr (10,7 Prozent) bei engen Kontakten ohne Mundschutz.
„Unsere Studie stellt den größten empirischen Nachweis von Superspreadern dar, den wir bislang bei allen Infektionskrankheiten kennen“, betont Ramanan Laxminarayan, ein leitender Forscher aus der Arbeitsgruppe. Es deute alles darauf hin, dass Superspreader und Superspreading-Events eine zentrale Rolle bei der Ausbreitung von COVID-19 spielen – sowohl in Indien, als auch in der restlichen Welt.
Verbreitung über Kinder und Jugendliche unterschätzt
Aus den Forschungsergebnissen geht auch hervor, dass Kinder und Jugendliche in Indien für rund ein Drittel der Ansteckungen verantwortlich waren. „Kinder sind in diesem Umfeld sehr effiziente Überträger, was in früheren Studien noch nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte“, erläutert Laxminarayan. Ob sich diese Ergebnisse jedoch auf Deutschland übertragen lassen, muss erst in weiteren Untersuchungen geklärt werden, da in Indien andere Wohnverhältnisse wie der Mehrgenerationenhaushalt vorherrschen.
Tödlichkeit von COVID-19 in Indien
In ärmeren Ländern wie Indien ist SARS-CoV-2 noch gefährlicher als in reicheren Ländern. Indien meldete bereits über 96.000 Todesfälle, die in Verbindung mit COVID-19 stehen. Die Untersuchung zeigte auch, dass die verstorbenen Person bereits durchschnittlich nach sechs Tagen Krankenhausaufenthalt verstarben, da Kliniken häufig nicht über die nötigen Beatmungsgeräte verfügen. Im Vergleich dazu liegt dieser Durchschnitt in den USA bei 13 Tagen.
COVID-19-Erkrankte in Indien sterben jünger
Auch das Alter der Verstorbenen ist in Indien jünger als in den USA. So war ein Großteil der Todesopfer in Indien zwischen 50 und 64 Jahre alt, in den USA beträgt das Alter der Verstorbenen größtenteils über 60 Jahre. Hierzu muss allerdings auch erwähnt werden, dass die durchschnittliche Lebenserwartung in Indien rund 10 Jahre unter der Lebenserwartung der USA liegt. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Princeton University: Largest COVID-19 contact tracing study to date finds children key to spread, evidence of superspreaders (veröffentlicht: 30.09.2020), princeton.edu
- Ramanan Laxminarayan, Brian Wahl, Shankar Reddy Dudala, u.a.: Epidemiology and transmission dynamics of COVID-19 in two Indian states; in: Science, 2020, science.sciencemag.org
Wichtiger Hinweis:
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