Blutgruppe und Corona-Erkrankungsrisiko
Das individuelle Risiko einer Coronavirus-Infektion kann deutlich variieren. Doch warum stecken sich manche Menschen eigentlich mit dem neuartigen Erreger an – und andere nicht? Eine Rolle könnte hier die Blutgruppe spielen, wie Forschende nun berichten.
Wie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) auf ihrem Portal „infektionsschutz.de“ schon vor Monaten schrieb, deuten mehrere Studien darauf hin, dass die Blutgruppe sowohl das persönliche Risiko einer Ansteckung als auch die Schwere der Krankheitszeichen bei COVID-19 beeinflussen kann. Diese wissenschaftlichen Untersuchungen haben allerdings keine einheitlichen Ergebnisse gezeigt. Forschende aus Österreich berichten nun über neue Erkenntnisse dazu.
Vergleichbare Studien bestätigt
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Medizinischen Universität (Med Uni) Graz untersuchen aktuell an der Universitätsklinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin den möglichen Zusammenhang zwischen verschiedenen Blutgruppen und der Wahrscheinlichkeit einer COVID-19 Infektion. Laut einer Mitteilung bestätigen erste Forschungsergebnisse vergleichbare Studien aus China und Europa, wonach Menschen mit der Blutgruppe 0 seltener an COVID-19 erkranken, als Menschen mit den Blutgruppen A, B oder AB. Jetzt soll der Mechanismus erforscht werden, der dieser Beobachtung zu Grunde liegt.
Ursachen, die eine Infektion begünstigen
Weltweit wird aktuell an den Ursachen geforscht, die eine Infektion mit SARS-CoV-2 begünstigen beziehungsweise den Krankheitsverlauf von COVID-19 beeinflussen. Die Blutgruppe AB0 scheint hier eine Rolle zu spielen, wie Studienergebnisse aus China und einigen europäischen Ländern zeigen. Die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) sind ringförmige Zellen, die Sauerstoff sowie Kohlendioxid durch die Blutbahnen tragen. Wie in der Mitteilung erklärt wird, nennt sich die „Hülle“ der roten Blutkörperchen „Membran“. In dieser Membran stecken mehrere unterschiedliche Kohlenhydrate (Zucker) und Eiweiße, die den roten Blutkörperchen eine bestimmte Oberflächenstruktur verleihen, sie werden auch „Antigene“ genannt.
Auch die „Blutgruppen-Kohlenhydrate“ A und B sind solche Antigene. Für die AB0-Blutgruppe unterscheidet man die Eigenschaft A, B, AB und 0 (Null). Menschen mit der Blutgruppe „0“ haben laut den Fachleuten keines dieser genannten Blutgruppenantigene auf der Oberfläche ihrer roten Blutkörperchen. Bei Personen mit der Blutgruppe „AB“ sind beide Kohlenhydrate (A und B) in der Erythrozytenmembran enthalten. Und bei Blutgruppe „A“ ist nur das Antigen „A“ vorhanden, bei der Blutgruppe „B“ nur das Antigen „B“.
Retrospektive Fall-Kontroll-Studie
Es ist bekannt, dass die Zucker-Strukturen, wie sie im AB0 Blutgruppensystem an der Zelloberfläche der roten Blutkörperchen, jedoch auch in Geweben der Atmungsorgane und des Gastrointestinaltraktes ausgeprägt sind, nicht nur bei der Blutgruppen Erkennung von Antikörpern, sondern auch bei der Erkennung von Mikroorganismen eine Rolle spielen. „Pathogene, wie Bakterien oder Viren, können dabei selektiv an Blutgruppenstrukturen binden und die Besiedelung des betroffenen Gewebes, oder die Aufnahme in die Zellen beeinflussen“, erläutert die Studienleitern Eva Maria Matzhold, Molekularbiologin an der Universitätsklinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin, Med Uni Graz. „In unserer Studie untersuchen wir, ob die ABO Blutgruppeneigenschaften einen möglichen weiteren Risikofaktor für die Infektion und die Erkrankung an COVID-19 darstellen können“, ergänzt der Transfusionsmediziner Thomas Wagner.
In den ersten vorgestellten Forschungsergebnissen konnte bereits gezeigt werden, dass ein Zusammenhang zwischen der Blutgruppe und einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 nachweisbar ist. Damit können frühe Hinweise einer Studie aus China sowie einer genomweiten Assoziationsstudie (Europäische GWAS COVID-19 Forschungsgruppe) bestätigt werden. Die Studie an der Med Uni Graz ist als retrospektive Fall-Kontroll-Studie mit insgesamt 399 SARS-CoV-2 positiv getesteten Personen aufgebaut, die infolge einer COVID-19 Erkrankung in stationärer Behandlung waren.
Schweregrad der Erkrankung bleibt unbeeinflusst
„Unsere Studienergebnisse zeigen, dass Menschen mit der Blutgruppe O eine statistisch signifikant geringere Wahrscheinlichkeit haben, an COVID-19 zu erkranken, als Menschen mit anderen ABO Phänotypen (Blutgruppe A, B oder AB)“, berichten die Forschenden. Die Blutgruppe AB hingegen wurde bei infizierten und an COVID-19 erkrankten Patientinnen und Patienten signifikant häufiger festgestellt, im Vergleich zur Häufigkeit des Vorkommens in der gesunden Kontrollgruppe.
Allerdings bleibt der Schweregrad der COVID-19 Erkrankung von der AB0 Blutgruppe unbeeinflusst. Dies bedeutet, dass die Erkrankung bei Menschen mit Blutgruppe 0 nicht leichter verläuft als bei Menschen mit Blutgruppe AB. Eine AB0 Blutgruppenbestimmung sollte aktuell also nicht als prognostischer Marker für den Verlauf von COVID-19 herangezogen werden. Den Forschenden zufolge gelte es nun, den Mechanismus, der hierbei eine Rolle spielt, genau zu erforschen. Andere Blutgruppensysteme werden ebenfalls in die Untersuchungen mit einbezogen, erklären die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Medizinische Universität Graz: COVID-19: Fokus Blut, (Abruf: 17.10.2020), Medizinische Universität Graz
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Coronavirus: Fragen und Antworten: Krankheitsverlauf und Immunität, (Abruf: 17.10.2020), infektionsschutz.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.