Psilocybin zur Behandlung von Depressionen?
Depressive Symptome bei schweren Depressionen können durch eine kombinierte Behandlung mit Psychotherapie und lediglich zwei Dosen der psychedelischen Substanz Psilocybin schnell und effektiv reduziert werden.
Psilocybin kann eine rasche und starke Reduzierung der depressiven Symptome bei erwachsenen Menschen mit schweren Depressionen bewirken, so das Ergebnis einer Untersuchung unter Beteiligung von Forschenden von Johns Hopkins Medicine. Die Studie wurde in der englischsprachigen Fachzeitschrift „JAMA Psychiatry“ veröffentlicht.
Was ist Psilocybin?
Psilocybin ist ein Wirkstoff, der in sogenannten Magic Mushrooms (welche auch als Zauberpilze oder Psilos bezeichnet werden) vorkommt. Diese Pilze erzeugen nach der Einnahme über einige Stunden visuelle und auditive Halluzinationen und tiefgreifende Veränderungen des Bewusstseins.
Psilocybin gegen Depressionen bei Krebs
Bereits im Jahr 2016 berichteten Forschende von Johns Hopkins Medicine erstmals, dass die Behandlung mit Psilocybin unter psychologisch unterstützten Bedingungen Existenzangst und Depressionen bei Menschen mit einer lebensbedrohlichen Krebsdiagnose signifikant linderte.
Die Ergebnisse der aktuellen Untersuchung deuten nun darauf hin, dass Psilocybin bei einer viel breiteren Population von Menschen mit schweren Depressionen wirksamer sein könnte, als bisher angenommen wurde, berichten die Forschenden.
Behandlung führte oft zur Remission
Es zeigte sich, dass bereits zwei Dosen der psychedelischen Substanz Psilocybin zusammen mit unterstützender Psychotherapie schnell zu einer Reduzierung der depressiven Symptome führen. Die meisten Teilnehmenden zeigten eine Besserung und die Hälfte der Teilnehmenden erreichte während einer vierwöchigen Nachbeobachtungszeit eine Remission.
Psilocybin wirksamer als Antidepressiva?
„Das Ausmaß der Wirkung, das wir sahen, war etwa viermal größer als das, was klinische Studien für traditionelle Antidepressiva auf dem Markt gezeigt haben”, berichtet Dr. Alan Davis von der Johns Hopkins University School of Medicine in einer Pressemitteilung.
Da die meisten anderen Depressionsbehandlungen Wochen oder Monate benötigen, um zu wirken, und oft unerwünschte Nebenwirkungen haben, könnte die Psilocybin-Behandlung zu deutlichen Verbesserungen führen. Zunächst müssen die Ergebnisse jedoch in Goldstandard-Placebo-kontrollierten klinischen Studien überprüft werden.
Hohe Wirksamkeit der Psilocybin-Behandlung
„Da es mehrere Arten von schweren depressiven Störungen gibt, die zu einem unterschiedlichen Ansprechen auf die Behandlung führen können, war ich überrascht, dass die meisten unserer Teilnehmenden die Psilocybin-Behandlung als wirksam empfanden”, erläutert Professor Dr. Roland Griffiths von der Johns Hopkins University School of Medicine.
Der Experte erklärt weiter, dass die in der neuen Studie behandelte schwerwiegende Depression möglicherweise eine andere Form der Depression als die reaktive Form der Depression bei Menschen sei, welche die Forschungsgruppe in der Krebsstudie 2016 untersuchten.
Teilnehmende mussten Antidepressiva absetzen
Für die neue Studie rekrutierten die Forschenden 24 Personen mit einer langfristig dokumentierten Vorgeschichte von Depressionen, von denen die meisten etwa zwei Jahre lang anhaltende Symptome aufwiesen, bevor sie in die Studie aufgenommen wurden. Das Durchschnittsalter dieser Personen betrug 39 Jahre, 16 davon waren Frauen. Die Teilnehmenden mussten vor der Studie mit ärztlicher Hilfe alle Antidepressiva absetzen, um eine sichere Exposition gegenüber dieser experimentellen Behandlung zu gewährleisten.
Dreizehn Teilnehmende erhielten eine Psilocybin-Behandlung unmittelbar nach der Rekrutierung und nach Vorbereitungssitzungen, und elf Teilnehmende erhielten die gleiche Vorbereitung und Behandlung, allerdings mit einer achtwöchigen Verzögerung.
Teilnehmende erhielten nur zwei Dosen Psilocybin
Die Behandlung bestand aus zwei Psilocybin-Dosen. Die Dosen wurden im Abstand von zwei Wochen verabreicht. Jede Behandlungssitzung dauerte etwa fünf Stunden.
Wie wurde die Schwere der Depression ermittelt?
Mit der Hilfe eines Standardinstruments zur Beurteilung von Depressionen (die GRID-Hamilton Depressions-Ratingskala) wurden die Depressionen der Teilnehmenden bei der Einschreibung sowie eine und vier Wochen nach Abschluss ihrer Behandlung eingeschätzt. Auf der Skala weist eine Punktzahl von 24 oder mehr auf eine schwere Depression hin, 17 bis 23 auf eine mittelschwere Depression, 8 bis 16 auf eine leichte Depression und 7 oder weniger auf keine Depression.
Wie stark waren erzielte Verbesserungen?
Bei der Einschreibung hatten die Teilnehmenden eine durchschnittliche Bewertung auf der Depressionsskala von 23, aber eine Woche und vier Wochen nach der Behandlung hatten sie eine durchschnittliche Bewertung auf der Depressionsskala von acht, betonen die Forschenden.
Bei der Gruppe von 24 Teilnehmenden zeigten 67 Prozent in der einwöchigen Nachsorge eine Reduzierung der Depressionssymptome um mehr als 50 Prozent. Bei der vierwöchigen Nachsorge lag der Wert schon bei 71 Prozent. Insgesamt wurden vier Wochen nach der Behandlung 54 Prozent der Teilnehmenden als in Remission betrachtet. Das bedeutet, sie wurden nicht mehr als depressiv eingestuft.
Die Teilnehmenden in der verzögerten Gruppe zeigten vor der Behandlung mit Psilocybin keine Abnahme ihrer Symptome, erklären die Forschenden.
Teilnehmende werden langfristig betreut
Nun werden die Teilnehmenden nach der Studie ein Jahr lang medizinisch begleitet, um zu sehen, wie lange die antidepressiven Wirkungen der Psilocybin-Behandlung anhalten, berichtet das Forschungsteam weiter. Insgesamt könne die Forschung an Behandlungsmethoden mit moderaten bis hohen Dosen von Psychedelika völlig neue Paradigmen für das Verständnis und die Verbesserung von Stimmung und Geist aufdecken, so die Hoffnung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Alan K. Davis, Frederick S. Barrett, Darrick G. May, Mary P. Cosimano, Nathan D. Sepeda et al.: Effects of Psilocybin-Assisted Therapy on Major Depressive Disorder, in JAMA Psychiatry (veröffentlicht 04.11.2020), JAMA Psychiatry
- Johns Hopkins Medicine: Psychedelic Treatment with Psilocybin Relieves Major Depression, Study Shows (veröffentlicht 04.11.2020), Johns Hopkins Medicine
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.