Ab Geburtsbeginn kein straffreier Schwangerschaftsabbruch möglich
Ab Beginn einer Geburt ist kein straffreier Schwangerschaftsabbruch möglich. Wird ein schwerst behindertes Zwillingskind nach Durchführung eines Kaiserschnitts mit vorheriger Absprache mit der Mutter getötet, liegt kein Schwangerschaftsabbruch, sondern Totschlag vor, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Montag, 4. Januar 2021, veröffentlichten Beschluss (Az.: 5 StR 256/20).
Der 5. Strafsenat des BGH in Leipzig bestätigte damit in seiner Entscheidung vom 11. November 2020 die Verurteilung zweier Geburtsmediziner wegen Totschlags in minder schwerem Fall.
Zwei Ärzte angeklagt
Angeklagt war ein heute 73-jähriger Chefarzt im Ruhestand und eine erfahrene 58-jährige Geburtsmedizinerin. Diese hatten 2010 bei einer mit eineiigen Zwillingen schwangeren Frau bei einem Kind schwerste Hirnschäden festgestellt. Das andere Kind hatte sich normal entwickelt. Die Frau befand sich mindestens in der 32. Schwangerschaftswoche.
Nach Beratung der werdenden Mutter wollte sie die Schwangerschaft des geschädigten Kindes abbrechen lassen. Das gesunde Kind sollte aber entbunden werden.
Das dabei übliche Verfahren des selektiven Schwangerschaftsabbruchs lehnten die angeklagten Ärzte wegen der damit verbundenen Risiken für das gesunde Kind ab. In Absprache mit der schwangeren Frau wurde zunächst das gesunde Kind per Kaiserschnitt entbunden. Danach wurde das geschädigte Kind mit einer Natriumchlorid-Injektion getötet. Die Ärzte gingen davon aus, dass sie eine straffreie Spätabtreibung vornehmen.
Doch als nach mehreren Jahren die Staatsanwaltschaft durch eine anonyme Anzeige von dem Vorgehen der Ärzte erfuhr, klagte sie diese wegen gemeinschaftlichen Totschlags an. Es habe kein straffreier Schwangerschaftsabbruch vorgelegen. Denn die Geburt habe bereits begonnen, als das geschädigte lebensfähige Kind getötet wurde.
Dies sah das Landgericht Berlin auch so und verurteilte die Geburtsmediziner wegen Totschlags in minder schwerem Fall zu Bewährungsstrafen von eineinhalb Jahren und ein Jahr und neun Monaten.
BGH bestätigt Verurteilung zweier Gynäkologen wegen Totschlags
Der BGH bestätigte im Grundsatz die Verurteilung wegen Totschlags. Die Tötung des geschädigten Kindes sei kein straffreier Schwangerschaftsabbruch gewesen. Dies sei nur bis zum Geburtsbeginn möglich. Hier habe die Geburt aber bereits mit dem Kaiserschnitt und der Öffnung der Gebärmutter begonnen.
Die anschließende Tötung des geschädigten Kindes sei daher als Totschlag anzusehen. Zu Unrecht habe das Landgericht aber den Ärzten zur Last gelegt, dass sie die Tat geplant und nicht in einer Notsituation begangen haben. „Dieser Gesichtspunkt ist bei einer medizinischen Operation kein zulässiger Erschwerungsgrund”, so der BGH. Die Höhe der Strafen müsse daher noch einmal neu verhandelt werden. fle
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