Wie lange hält Immunität nach einer Erkrankung an COVID-19?
Nach einer überstandenden Erkrankung an COVID-19 ist das adaptive Immunsystem bei fast allen Betroffenen in der Lage, die auslösenden Krankheitserreger für einen Zeitraum bis zu mindestens acht Monate nach der Erstinfektion zu bekämpfen. Dies weckt die Hoffnung, dass auch die Schutzwirkung nach einer Impfung vegleichbar lange anhält.
Blutprobenanalysen von Menschen mit COVID-19 deuten darauf hin, dass fast alle überlebenden Personen notwendige Immunzellen aufweisen, um eine erneute Infektion zu bekämpfen. Eine solche Schutzwirkung scheint mindestens acht Monate nach dem Auftreten der Symptome der Erstinfektion anzuhalten, so das Ergebnis einer Untersuchung von Forschenden des La Jolla Institute for Immunology (LJI). Die Studie wurde in dem englischsprachigen Fachblatt „Science“ publiziert.
Alle Komponenten des Immungedächtnisses wurden analysiert
Für die Untersuchung wurden bei einer akuten Infektion alle vier Komponenten des Immungedächtnisses gemessen: Antikörper, B-Gedächtniszellen, Helfer-T-Zellen und Killer-T-Zellen. Nach Angabe der Forschungsgruppe handelt es sich um die bisher größte Studie, welche alle vier Komponenten des Immungedächtnisses untersucht hat.
Immunantwort bleibt bestehen
„Unsere Daten legen nahe, dass die Immunantwort da ist – und sie bleibt”, berichtet Studienautor Professor Alessandro Sette vom La Jolla Institute for Immunology in einer Pressemitteilung. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass COVID-19-Erkrankte noch Monate, vielleicht sogar Jahre nach der Infektion eine schützende Immunität gegen schwere Erkrankungen durch das SARS-CoV-2-Virus aufweisen, erläutern die Forschenden.
„Natürlich nimmt die Immunantwort mit der Zeit bis zu einem gewissen Grad ab, aber das ist normal. Das ist es, was Immunantworten tun“, erklärt Professor Alessandro Sette weiter.
Zellen erinnern sich und produzieren Antikörper
Die Forschenden fanden heraus, dass virusspezifische Antikörper noch Monate nach der Infektion in der Blutbahn vorhanden sind. Wichtig dabei ist, dass der Körper auch Immunzellen, sogenannte B-Gedächtniszellen, bereithält. Wenn Menschen erneut mit SARS-CoV-2 in Kontakt kommen, könnten diese B-Gedächtniszellen reaktiviert werden und SARS-CoV-2-Antikörper produzieren, um eine erneute Infektion zu bekämpfen, erklärt die Forschungsgruppe.
Das SARS-CoV-2-Virus verwendet sein Spike-Protein, um die Infektion menschlicher Zellen zu initiieren, daher suchten die Forschenden nach B-Gedächtniszellen, die spezifisch für das SARS-CoV-2-Spike sind. Sie fanden heraus, dass Spike-spezifische B-Gedächtniszellen sechs Monate nach der Infektion im Blut zunahmen. COVID-19 überlebende Menschen wiesen auch T-Zellen auf, die bereit waren, eine Reinfektion zu bekämpfen.
Zusammenarbeit von Teilen des adaptiven Immunsystems
Die verschiedenen Teile des adaptiven Immunsystems arbeiten zusammen. Es ist also ein gutes Zeichen, dass mehr als acht Monate nach der Infektion COVID-bekämpfende Antikörper, B-Gedächtniszellen, Gedächtnis-CD4+ T-Zellen und Gedächtnis-CD8+ T-Zellen im Blut zu finden sind, berichtet das Team.
Immunität gegen schwere Krankheitsfälle?
„Dies impliziert, dass eine gute Chance besteht, dass Menschen für diesen Zeitraum und wahrscheinlich weit darüber hinaus eine schützende Immunität aufweisen, zumindest gegen schwere Krankheiten”, erläutert Studienautor Professor Shane Crotty vom La Jolla Institute for Immunology.
Einschränkungen bei der Schutzwirkung?
Das Team gibt allerdings zu bedenken, dass die schützende Immunität von Mensch zu Mensch stark variiert. In der Tat sahen die Forschenden eine 100-fache Bandbreite im Ausmaß des Immungedächtnisses. Menschen mit einem schwachen Immungedächtnis sind möglicherweise anfällig für einen wiederkehrenden Fall von COVID-19, oder sie sind anfälliger dafür, andere Personen zu infizieren.
Höhe der Schutzwirkung muss noch analysiert werden
Es sieht so aus, als ob Menschen, die infiziert wurden, einen gewissen Grad an schützender Immunität gegen eine erneute Infektion haben werden. Wie hoch der Schutz ist, muss noch ermittelt werden, fügt die Studienautorin Professorin Daniela Weiskopf vom La Jolla Institute for Immunology hinzu.
Schutzwirkung nach Impfung?
Die Tatsache, dass ein Immungedächtnis gegen SARS-CoV-2 möglich ist, ist auch ein gutes Zeichen für Impfstoffentwickler. Weiskopf betont, dass die Studie die Reaktionen auf eine natürliche SARS-CoV-2-Infektion verfolgte, nicht das Immungedächtnis nach der Impfung. „Es ist möglich, dass das Immungedächtnis nach der Impfung ähnlich lange anhält, aber wir müssen warten, bis die Daten vorliegen, um das mit Sicherheit sagen zu können”, erläutert Weiskopf.
Studien zum Thema Impfstoff befinden sich noch im Anfangsstadium und haben bisher einen starken Schutz gezeigt. Die Forschungsgruppe ist zuversichtlich, dass sich ein ähnliches Muster von Immunantworten, die über einen längeren Zeitraum anhalten, auch für die durch Impfstoff induzierten Immunantworten zeigen wird.
Zukünftige Forschung?
Das Team wird in den kommenden Monaten weiterhin Proben von Menschen mit COVID-19 analysieren. Die Forschungsgruppe plant die Immunantwort nicht nur nach einer natürlichen Infektion, sondern auch nach einer Impfung zu untersuchen. Die Fachleute arbeiten außerdem daran, besser zu verstehen, wie sich das Immungedächtnis bei Menschen unterschiedlichen Alters unterscheidet und wie dies den Schweregrad von COVID-19-Fällen beeinflussen kann. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Jennifer M. Dan, Jose Mateus, Yu Kato, Kathryn M. Hastie, Esther Dawen Yu et al.: Immunological memory to SARS-CoV-2 assessed for up to 8 months after infection, in Science (veröffentlicht 06.01.2021), Science
- La Jolla Institute for Immunology: Protective immunity against SARS-CoV-2 could last eight months or more (veröffentlicht 06.01.2021), LJI
Wichtiger Hinweis:
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