Insomnie: Reale Schlafenszeit oft falsch eingeschätzt
Millionen Menschen haben Probleme beim Ein- und Durchschlafen. Schlafprobleme können zu Leistungsminderung und Müdigkeit am Tag, gereizter Stimmung, Störungen der Aufmerksamkeit und der Konzentration führen. Forschende berichten nun, dass Personen mit Schlafstörungen häufig eine Fehlwahrnehmung ihres tatsächlichen Schlafverhaltens haben.
Schlaf ist lebensnotwendig für die Regeneration von Körper und Geist, erklärt das Universitätsklinikum Erlangen in einem Ratgeber. Ein guter und erholsamer Schlaf ist wichtig für unsere Tagesbefindlichkeit sowie Leistungsfähigkeit, sowohl im psychischen als auch im körperlichen Bereich. Doch Schlafstörungen sind weit verbreitet. Viele Betroffene schätzen ihre Schlafenszeit allerdings falsch ein.
Schlafdauer wird häufig unterschätzt
Menschen mit Schlafstörungen haben häufig eine Fehlwahrnehmung ihres tatsächlichen Schlafverhaltens.
Eine Forschungsgruppe um Karin Trimmel und Stefan Seidel von der Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität (MedUni) Wien (Ambulanz für Schlafstörungen und schlafassoziierte Störungen) erhob nun mittels Auswertung von Polysomnographien, bei welchen Formen eine Differenz zwischen Eigenwahrnehmung und Messresultaten auftritt, und ob es dafür begünstigende Faktoren gibt.
Das zentrale Ergebnis: Patientinnen und Patienten mit Insomnie unterschätzen ihre Schlafdauer am häufigsten, unabhängig von Geschlecht, Alter oder Untersuchungsort. Die Studie wurde in der renommierten Fachzeitschrift „Journal of Clinical Sleep Medicine“ publiziert.
Fehlwahrnehmung des eigenen Schlafverhaltens
Wie die MedUni Wien in einer Mitteilung schreibt, sind in der Schlafforschung Fehlwahrnehmungen der Patientinnen und Patienten über deren tatsächliche Schlafdauer ein bekanntes Phänomen. Häufig haben sie einen individuell anderen Eindruck ihres Schlafverhaltens, als es klinische Messungen ergeben.
Dennoch gab es bislang keinen wissenschaftlich durchgeführten Vergleich zwischen realer und der persönlich wahrgenommenen Schlafenszeit von Betroffenen, der auch die begleitenden Faktoren analysierte.
Eine Forschungsgruppe um Karin Trimmel und Stefan Seidel von der Ambulanz für Schlafstörungen und schlafassoziierte Störungen der MedUni Wien analysierte jetzt retrospektiv zwischen 2012 und 2016 durchgeführte Gespräche mit Patientinnen und Patienten und Polysomnographien (PSG) einer repräsentativen Gruppe von 303 Patientinnen und Patienten der Schlafambulanz, darunter 49 Prozent Frauen.
Den Angaben zufolge litten 32 Prozent an der am häufigsten auftretenden Schlafstörung, der Insomnie, 27 Prozent an schlafbezogenen Atmungsstörungen, 15 Prozent an schlafbezogenen Bewegungsstörungen, 14 Prozent an Hypersomnie/Narkolepsie und 12 Prozent an Parasomnien.
Wie in der Mitteilung erklärt wird, werden bei der PSG über Nacht die Schlaftiefe, Muskelaktivitäten und die Atmung gemessen. Diese Untersuchungen können stationär oder ambulant stattfinden, wobei die Patientinnen und Patienten im letzteren Fall zuhause übernachten.
Diskrepanz bei Insomnie am größten
Die Analyse zeigte, dass eine Diskrepanz zwischen berichteter Eigenwahrnehmung und tatsächlichen Messergebnissen bei allen Schlafstörungen auftritt, aber bei Insomnie am größten ist, unabhängig vom Alter, Geschlecht und ob die Untersuchungsnacht im Schlaflabor oder zuhause verbracht wurde.
Insomnie-Betroffene überschätzten ihre Schlaflatenz, also die Dauer bis zum Einschlafen, und unterschätzten deutlich ihre reale Schlafdauer. Laut den Forschenden könnte eine Rolle dabei ein konstant erhöhtes Grundanspannungsniveau der Betroffenen mit einer daraus resultierenden gestörten Schlafarchitektur spielen (Microarousals), zusätzlich sind Insomnien häufig auch mit psychiatrischen Krankheitsbildern assoziiert.
Im Gegensatz zu Insomnie-Betroffenen gab es bei Patientinnen und Patienten mit anderen Schlafstörungen Tendenzen zur Unterschätzung der Schlaflatenz und Überschätzung der tatsächlichen Schlafdauer.
Die Studie erhärtet die klinische Beobachtung, dass Fehlwahrnehmungen bei allen Formen von Schlafstörungen auftreten, aber am ausgeprägtesten bei der Insomnie. Die Behandlung der Wahl ist hierbei die kognitive Verhaltenstherapie.
„Die Integration dieser Fehlwahrnehmung in die Verhaltenstherapie kann den Behandlungserfolg deutlich verbessern, daher ist die Durchführung einer Polysomnographie bei PatientInnen mit therapieresistenter Insomnie sehr zu empfehlen“, so Karin Trimmel. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Medizinische Universität Wien: Schlafstörungen: Betroffene schätzen reale Schlafenszeit oft falsch ein, (Abruf: 01.02.2021), Medizinische Universität Wien
- Karin Trimmel, Hans Gerhard Eder, Marion Böck, Andrijana Stefanic-Kejik, Gerhard Klösch, Stefan Seidel: The (mis)perception of sleep: factors influencing the discrepancy between self-reported and objective sleep parameters; in: Journal of Clinical Sleep Medicine, (veröffentlicht: 04.01.2021), Journal of Clinical Sleep Medicine
- Universitätsklinikum Erlangen: Schlafprobleme – ein Ratgeber für Betroffene und Angehörige, (Abruf: 01.02.2021), Universitätsklinikum Erlangen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.