Corona-Impfung: Bei Herzerkrankungen früher impfen
Ende Dezember 2020 wurde mit den Impfungen gegen COVID-19 – der von dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 hervorgerufenen Infektionskrankheit – begonnen. Doch obwohl Personen mit Herzerkrankungen einem deutlich erhöhten Sterberisiko ausgesetzt sind, werden sie erst spät geimpft. Fachleute fordern, dies zu ändern, um eine weitere Übersterblichkeit zu vermeiden.
Schon bevor mit den Impfungen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 und die durch den Erreger ausgelöste Erkrankung COVID-19 begonnen wurde, war klar, dass die Impfstoffe zunächst knapp sein werden, weshalb eine Coronavirus-Impfverordnung verabschiedet wurde, die festlegt, welche Personen bei den Impfungen Vorrang haben. Menschen mit Herzerkrankungen werden dort zwar genannt, doch laut Fachleuten werden sie erst viel zu spät geimpft.
Deutlich erhöhtes Sterberisiko
Wie die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) in einer aktuellen Mitteilung schreibt, erhöht kaum eine andere Vorerkrankung das Sterberisiko von COVID-19-Patientinnen und -Patienten so sehr wie eine chronische Herzschwäche, auch Herzinsuffizienz genannt.
An ihr leiden etwa 20 Prozent der im Krankenhaus behandelten COVID-19-Erkrankten. Auch Menschen mit Herzrhythmusstörungen oder Herzklappenerkrankungen sind einem deutlich höheren Risiko ausgesetzt, an COVID-19 zu versterben als andere Personengruppen.
Dennoch tauchen Herzpatientinnen und -patienten in der kürzlich verabschiedeten Coronavirus-Impfverordnung (CoronaImpfV) erst in der dritten Impfgruppe auf, der ein Anspruch auf eine Schutzimpfung lediglich mit erhöhter, nicht mit höchster oder hoher Priorität eingeräumt wird.
„Damit wird riskiert, dass die Übersterblichkeit, die COVID inzwischen auch in Deutschland verantwortet, weiter ansteigt“, sagt Prof. Dr. Stephan Baldus, zukünftiger Präsident der DGK.
Daher hat sich die DGK in einem offenen Brief an die Gesundheitspolitik gewendet und eindringlich vor einer nachrangigen Impf-Priorisierung von Herzpatientinnen und -patienten gewarnt.
Übersterblichkeit in Deutschland
In dem Brief schreiben die Fachleute: „Die so erfolgreiche Kontrolle der Infektionszahlen in der ersten Welle der Pandemie in unserem Land ist mittlerweile einer Sterblichkeit gewichen, die so hoch ist wie in den USA und anderen Europäischen Staaten. Damit verantwortet COVID-19 jetzt auch in Deutschland Übersterblichkeit.“
Und weiter: „Die begrenzte Verfügbarkeit von Impfstoff wird auch in den kommenden Monaten mitverantwortlich dafür sein, dass die Pandemie unser Gesundheitssystem weiter beherrschen wird.“
Die DGK hat nach eigenen Angaben in der Vergangenheit wiederholt auf die Bedeutung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen für Prävalenz, Morbidität und Mortalität von COVID-19-infizierten Personen hingewiesen.
„Hinzu kommen „Kollateralschäden“ bei durch COVID verunsicherten Patienten, die dringlich notwendige kardiovaskuläre Therapien nicht in Anspruch nehmen bzw. nehmen können: Jüngere Untersuchungen für Mitteldeutschland zeigen, dass in der Pandemie nicht nur bedeutend weniger Patienten invasiver Diagnostik zugeführt wurden, sondern auch die kardiovaskuläre bzw. kardiale Mortalität erhöht war“, heißt es in dem Brief weiter.
Die Ergebnisse der genannten Untersuchungen wurden in der Fachzeitschrift „Clinical Research in Cardiology“ veröffentlicht.
„Eine diese Hochrisikopatienten nachrangig berücksichtigende Impfstrategie macht die Situation für kardiovaskulär erkrankte Patienten nicht besser“, schreiben die Briefautoren.
Operationen nicht aufschieben
Außerdem weisen die Fachleute der DGK darauf hin, dass die Aufrechterhaltung der Ressourcen für die kardiovaskuläre Medizin alternativlos ist und auch in den kommenden Monaten kraftvoll umgesetzt werden muss.
Vor allem kathetergestützte Eingriffe dürften nicht verschoben werden, weil diese für die Patientinnen und Patienten schonenden Eingriffe mit kurzen Krankenhausaufenthalten im Anschluss an die Prozedur verbunden sind und daher die Ressourcen in der Intensivmedizin schonen.
„Eine Beschneidung dieser Eingriffe, die die Prognose unserer Patientinnen und Patienten entscheidend verbessern, wäre fatal und würde die kardiovaskuläre Sterblichkeit, die in Teilen im vergangenen Jahr bereits erhöht war, weiter ansteigen lassen“, erläutert Baldus. „Wir bieten uns zu einem detaillierten Austausch mit den Entscheidungsträgern in der Gesundheitspolitik noch einmal ausdrücklich an.“
Symptome unbedingt ernst nehmen
Der derzeitige Präsident der DGK, Prof. Dr. Andreas Zeiher, appelliert darüber hinaus an die Herz-Patientinnen und -Patienten: „Nehmen Sie die Symptome von akuten Herzerkrankungen und auch von Verschlechterungen einer bestehenden Herzerkrankung ernst und begeben sich wenn nötig zeitnah in ärztliche Behandlung oder rufen den Rettungsdienst!“ Der Herzmediziner betont, dass die Notfallversorgung flächendeckend sichergestellt sei. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK): Herz-Patienten werden zu spät geimpft – weiterer Anstieg der Übersterblichkeit befürchtet, (Abruf: 14.02.2021), Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK)
- Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK): Nachrangige Impf-Priorisierung von Herzpatienten riskiert weitere Übersterblichkeit, (Abruf: 14.02.2021), Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK)
- Nef et al.: Impact of the COVID-19 pandemic on cardiovascular mortality and catherization activity during the lockdown in central Germany: an observational study; in: Clinical Research in Cardiology, (veröffentlicht: 21.11.2020), Clinical Research in Cardiology
Wichtiger Hinweis:
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