Mit Hilfe von Smartphones: Schnelltest kann Tumore noch während OP erkennen
In der Krebsforschung wurden in den vergangenen Jahrzehnten enorme Fortschritte erzielt. Viele Krebsarten können heutzutage besser behandelt und früher diagnostiziert werden. Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts berichten nun über einen neuen Schnelltest, der Tumore bereits während der Operation erkennen kann. Helfen können dabei Smartphones.
Viele Erfolge in der Krebsforschung
Die Krebsforschung hat in den vergangenen Jahrzehnten große Schritte gemacht. Mittlerweile sind einige Krebsarten gut behandelbar, die früher einem Todesurteil gleich kamen. Auch die Verträglichkeit von manchen Therapien hat sich teilweise verbessert. Zudem haben Experten in den vergangenen Jahren viel über die Erfolge der Immuntherapie gegen Krebs berichtet. Nicht zuletzt ist Krebs heutzutage in vielen Fällen viel früher zu diagnostizieren. Das erhöht die Heilungschancen. Über wegweisende Fortschritte in der Forschung berichten nun auch Forscher des Fraunhofer-Instituts.
Krankes Gewebe komplett entfernen
Antikörper bekämpfen nicht nur Viren und Bakterien, sondern heften sich auch an Krebszellen und zwar in einer ganz typischen, charakteristischen Weise. Die Wissenschaftler nutzen diese Eigenschaft, um Krebszellen in Gewebeproben nachzuweisen. In einer Pressemitteilung erklärten die Experten, dass Chirurgen solche Schnelltests bereits während der Operation anwenden können – innerhalb weniger Minuten und ohne teures Gerät. Wenn auf der bläulich-schimmernden MRT-Aufnahme der Tumor hell leuchte, ist das Geschwür lokalisiert. Mit dieser Information kann der Chirurg an die Arbeit gehen, wobei er sich auf seine Augen verlassen muss.
Die Kunst dabei ist, nicht zu viel wegzuschneiden und das kranke Gewebe komplett zu entfernen. „Tumore bei Gewebeschnitten exakt zu lokalisieren, ist nicht ganz leicht. Im Kern des Krebsgeschwürs ist es einfach, krankes von gesundem Gewebe zu unterscheiden, an den Rändern dagegen nicht: Tumore breiten sich asymmetrisch aus“, erläuterte Dr. Joachim Storsberg vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP in Potsdam-Golm.
Der Histologe, ein speziell ausgebildeter Fachmann, untersucht die bei der Operation herausgeschnittenen Gewebeproben mit hochauflösenden Mikroskopen. Er identifiziert für Krebszellen charakteristische Strukturen und signalisiert dem Chirurgen, ob noch Geschwüre enthalten sind oder nicht. Den Angaben zufolge kann das mehrere Tage dauern.
Neuer Test kann während OP angewendet werden
Die Experten des IAP haben nun einen polymerbasierten Schnelltest entwickelt, der in einem Gewebeschnitt Tumorzellen visuell mit einem einfachen Mikroskop von gesunden Zellen unterscheidet. Ein weiterer großer Vorteil: Die behandelnden Chirurgen können den Test noch im OP-Saal anwenden. Das spart Zeit und auch Kosten. „Im Prinzip ist es möglich, die Farbänderung mit einem Smartphone oder einer günstigen Kamera zu erkennen.
Das ist interessant für Krankenhäuser, die sich keine teuren diagnostischen Geräte leisten können – zum Beispiel in Entwicklungs- oder Schwellenländern“, so der Experte. „Untersuchungen haben gezeigt, dass auf Tumorzellen Rezeptoren sitzen, an denen bestimmte, speziell gezüchtete Antikörper anhaften – zum Beispiel Östrogen-Antikörper an Brust-Karzinomen. Mit Hilfe dieser „Immundiagnostika“ ist der Chirurg innerhalb weniger Minuten in der Lage nachzuprüfen, ob alles kranke Gewebe entfernt wurde“, erklärte Storsberg. „Einmal auf die Gewebeprobe gesetzt, machen sich die Antikörper eigenständig auf die Suche nach ihrem Gegenpart – die für sie typischen Rezeptoren.“
Wissenschaftler versuchen Test weiter zu verbessern
Wie in der Pressemitteilung weiter erläutert wird, gibt der Chirurg – nachdem er die Antikörper auf die Gewebeprobe aufgetragen hat – eine farbige Wasserlösung hinzu, mit der einzelne Enzyme des Antikörpers oxidieren. Die Farbe der Lösung ändert sich daraufhin: An den Gewebestellen, an denen das geschieht, befindet sich krankes Gewebe. „Der Test ist sehr vielseitig: Je nach Tumorart können verschiedene Antikörper verwendet oder kombiniert werden“, so Storsbergs Kollege Dr. Christian Schmidt. Im nächsten Schritt färbt ein Gegentest zur Sicherheit die gesunden Zellen charakteristisch ein.
Der Chirurg kann die Operation abschließen, sobald beide Tests keine Tumorzellen mehr detektieren: Dann hat er alle kranken Zellen herausgeschnitten. Wie es heißt, arbeiten die Wissenschaftler derzeit daran, die farblichen Kontraste zwischen gesunden und kranken Gewebezellen noch deutlicher sichtbar zu machen. Diese Arbeiten werden im Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert.
Krebs ist zweithäufigste Todesursache in Deutschland
Trotz aller wissenschaftlicher Fortschritte ist Krebs – nach den Herz-Kreislauferkrankungen – noch immer die zweithäufigste Todesursache hierzulande. Angaben des Statistischen Bundesamts zufolge erlagen 25 Prozent aller im Jahr 2013 in Deutschland gestorbenen Personen einem Krebsleiden. Über 223.000 Sterbefälle durch Tumore wurden verzeichnet. Wie Wissenschaftler der University of Oxford und des King‘s College London 2013 herausgefunden haben, kostete die Krankheit die Europäische Union (EU) im Jahr 2009 insgesamt 126 Milliarden Euro.(ad)
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