Was tun bei Glatzenbildung?
Viele Männer leiden unter Haarausfall. Daher wird in der Forschung schon lange nach Möglichkeiten zur Behandlung und Vorbeugung von Haarausfall gesucht. Die Dermatologin der Cleveland Clinic Dr. Amy Kassouf erklärt, warum Männern häufig die Haare ausfallen und was dagegen unternommen werden kann.
Wie verbreitet ist Haarausfall bei Männern?
Die sogenannte androgenetische Alopezie, oder männliche Glatzenbildung, ist die häufigste Form von fortschreitendem Haarausfall bei Männern. Die Hälfte der Männer auf der Welt leidet spätestens im Alter von 50 Jahren an Haarausfall. Etwa 70 Prozent der Männer verlieren mit zunehmendem Alter ihre Haare. Und bei 25 Prozent der Männer mit Glatze treten erste Anzeichen von Haarausfall sogar bereits vor dem 21. Lebensjahr auf, erläutert die Expertin in einer aktuellen Pressemitteilung der Cleveland Clinic.
Hoffnung für Männer mit Haarausfall?
„Jüngste Fortschritte geben viel Hoffnung, sowohl bei der Behandlung als auch bei der Vorbeugung verschiedener Arten von Haarausfall”, berichtet Dr. Kassouf weiter. Es sei beispielsweise bereits möglich, Haarfollikel im Labor zu züchten. Es gibt sogar Krebstherapien, die das Haar wachsen lassen, anstatt es ausfallen zu lassen, fügt die Expertin hinzu. Endgültige Ergebnisse von Studien zu dem Thema seien in naher Zukunft aber noch nicht zu erwarten. Was kann in der Zwischenzeit gegen Haarausfall unternommen werden?
Wie entsteht eigentlich eine Glatze?
Die Veranlagung für eine Glatze wird mit den Genen weitergegeben. So hängt das Auftreten und die Entwicklung von androgenetischer Alopezie vom Zusammenspiel endokriner Faktoren und der genetischen Veranlagung ab, erklärt die Dermatologin.
Haarausfall durch Androgene
Während der Pubertät produziert der Körper Androgene (Sexualhormone). Bei bestimmter genetischer Veranlagung interagieren die Androgene mit den Genen, um die Haarfollikel zu verkleinern. Dadurch fällt dann das normale Haar der betroffenen Person aus. Es wird durch winzige, unpigmentierte Haare (kaum sichtbaren Flaum) ersetzt. Dieser Prozess vollzieht sich auf der gesamten Kopfhaut. Schließlich gehen die Follikel in den Ruhezustand über und produzieren keinen weiteren Flaum mehr, berichtet Dr. Kassouf.
Wo beginnt die Glatzenbildung typischerweise?
Die männliche Glatze beginnt meist an den Schläfen, der Vorderseite der Kopfhaut und dem Scheitel. Im Laufe von Monaten oder Jahren werden die kahlen Stellen der Kopfhaut größer und verbinden sich, erläutert die Expertin. Die Haare unterhalb der Ohren scheinen dabei jedoch aus irgendeinem Grund genetisch so programmiert zu sein, dass sie nicht ausfallen, so Dr. Kassouf.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Es gibt nach Angaben der Dermatologin pharmazeutische, chirurgische und kosmetische Behandlungen für Kahlköpfigkeit. In den USA sind von der FDA bisher allerdings nur die Medikamente Minoxidil (Rogaine) und Finasterid (Propecia) zur Behandlung von Haarausfall zugelassen.
Minoxidil ist ein gefäßerweiternder Wirkstoff, der auch zur Behandlung von Bluthochdruck eingesetzt wird. Für die Verwendung gegen Haarausfall wird Minoxidil direkt auf die Kopfhaut aufgetragen, wodurch sich die Blutgefäße weiten und der Blutfluss zu den Haarfollikeln verbessert wird, erläutert Dr. Kassouf. Sogenanntes orales Finasterid (FNS) ist eine synthetische Verbindung, welche die Umwandlung von Testosteron in Dihydrotestosteron (DHT) blockiert und so den Haarverlust verhindern soll, berichtet der Experte weiter. Die beiden Medikamente seien die am häufigsten angewandten Behandlungen gegen den männlichen Haarverlust und allgemeine Alopezie.
Nebenwirkungen von Finasteriden
Bei Finasteriden ist jedoch zu beachten, dass man sich durch ärztliche Beratung über die möglichen Nebenwirkungen aufklären lassen sollte. Diese umfassen beispielsweise:
- Gewichtszunahme,
- Juckende Haut,
- Verwirrung,
- Rückenschmerzen,
- Unterleibsschmerzen,
- Diarrhöe,
- Abnahme des Spermas,
- und Hodenschmerzen.
Quercetin ist wichtig für das Überleben von Haarfollikeln
Die Dermatologin berichtet weiter, dass eine aktuelle Studie eine mögliche Wirksamkeit von Behandlungen gezeigt hat, die Quercetin enthalten. Quercetin ist einer der wichtigen Marker für das Überleben von Haarfollikeln und Zellen.
Eine neue Studie im englischsprachigen Fachblatt „BioMed Research International“ aus dem Jahr 2020 deutet außerdem darauf hin, dass Botulinumtoxin Typ A bei der Behandlung von androgenetischer Alopezie wirksam sein könnte. Es wurde bereits untersucht und hat sich als sichere und effektive therapeutische Strategie zur Behandlung von androgenetischer Alopezie ohne unerwünschte Wirkungen erwiesen, erläutert die Expertin.
Ärztliche Beratung hilft passende Behandlung zu finden
Die zuverlässigsten und wirksamsten Behandlungen werden unter ärztlicher Aufsicht durchgeführt und Beratungsgespräche können helfen, zu klären, ob diese Behandlungen für betroffene Personen in Frage kommen, betont Dr. Kassouf. Auch die Möglichkeit einer Haartransplantation kann hier angesprochen werden.
Vor- und Nachteile von Haartransplantationen
Bei Haartransplantationen werden unter Narkose gesunde Haarfollikel aus einem bestimmten Körperteil an die kahlen Stellen verpflanzt. Dies ist ein chirurgischer Eingriff, der mehrfache Wiederholung erfordern kann, bevor das Ergebnis dauerhaft zufriedenstellend wird, da der Haarausfall noch weiter auftritt, bevor die Haut mehr (transplantierte) Haare wachsen lässt, erklärt die Expertin. Der Eingriff sei zwar teuer, dafür könne aber schnell ein Ergebnis erzielt werden.
Perücken können schnell Abhilfe schaffen
Perücken stellen eine rein optische temporäre Lösung dar, dafür sind sie jedoch nicht so teuer und sehr vielseitig. Hierbei seien synthetische Perücken im Allgemeinen billiger als Echthaarperücken, jedoch sehen Echthaarperücken dafür natürlicher aus und sind einfacher zu stylen und zu pflegen, erläutert die Dermatologin.
Hut kann Glatze verdecken
Viele Männer mit Glatze neigen zum Tragen von Hüten und anderen Kopfbedeckungen. Dies ist die bequemste, vielseitigste und kostengünstigste Art, um Haarausfall ohne Nebenwirkungen in den Griff zu bekommen, so Dr. Kassouf.
Hinweis auf Risiko für koronare Herzkrankheiten
Haarverlust im Bereich des Scheitels wird laut Dr. Kassouf auch mit einem erhöhten Risiko für koronare Herzkrankheiten in Verbindung gebracht, weshalb sich Betroffene im ärztlichen Gespräch über den Zusammenhang informieren sollten.
Kahlheit kein konsistenter Biomarker für Prostatakrebs
Es gab auch viele Studien, welche der Frage nachgingen, ob die männliche Glatze mit einem höheren Risiko für Prostatakrebs verbunden ist. Neuere Studien deuten jedoch darauf hin, dass die Glatze kein konsistenter Biomarker für das Risiko oder das Fortschreiten von Prostatakrebs ist, erläutert die Dermatologin.
Akzeptieren Sie Ihren Haarausfall
Dr. Kassouf betont, dass Menschen ihr Geld nicht für Produkte verschwenden sollten, welche nicht wirklich funktionieren, sondern stattdessen einen neuen Stil mit weniger Haaren wagen sollten, der zur eigenen Person passt. Anders ausgedrückt: Haarausfall sollte akzeptiert und das Beste daraus gemacht werden.
„Es stimmt zwar, dass es pharmazeutische und kosmetische Entwicklungen gibt, die Ihnen helfen können, Ihre Probleme mit dem Aussehen zu lösen, aber jede hat ihre eigenen Vor- und Nachteile. Lassen Sie sich immer ärztlich beraten, bevor Sie irgendwelche Behandlungen in Betracht ziehen“, fügt die Dermatologin hinzu. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Cleveland Clinic: Why Do Men Go Bald? And Is There Anything You Can Really Do About It? (veröffentlicht 16.02.2021), Cleveland Clinic
- Yaguang Zhou, Shui Yu, Jimin Zhao, Xinyue Feng, Meinan Zhang et al.: Effectiveness and Safety of Botulinum Toxin Type A in the Treatment of Androgenetic Alopecia, in BioMed Research International (veröffentlicht 04.08.2020), BioMed Research International
- Saud Khan, Joshua Caldwell, Kathryn M Wilson, Amparo G Gonzalez-Feliciano, Samuel Peisch et al.: Baldness and Risk of Prostate Cancer in the Health Professionals Follow-up Study, in Cancer Epidemiology, Biomarkers & Prevention (veröffentlicht 10.04.2020), Cancer Epidemiology, Biomarkers & Prevention
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.