Coronavirus: Infektionsrisiko steigt bei Pollenflug
Es ist schon länger bekannt, dass die Gefahr, sich mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 anzustecken und schwer an COVID-19 zu erkranken, bei bestimmten Personen größer ist als bei anderen. Diese Angehörigen von Hochrisikogruppen sollten während der Pollensaison besondere Vorsicht walten lassen. Denn eine Studie hat nun gezeigt, dass es bei Pollenflug zu erhöhten Corona-Infektionsraten kommt.
Laut Fachleuten hat sich der Beginn der Pollensaison aufgrund des Klimawandels in den vergangenen Jahren immer weiter nach vorne verschoben, auch zieht sie sich länger hin. Dies kann auch Auswirkungen auf die Corona-Pandemie haben. Denn Forschende berichten nun, dass das COVID-19-Risiko bei Pollenflug steigt.
Erhöhte Infektionsraten festgestellt
Wenn viele Pollen in der Außenluft fliegen, kommt es zu erhöhten Infektionsraten mit dem Coronavirus SARS-CoV-2. Das hat ein internationales Team unter der Leitung von Forschenden der Technischen Universität München (TUM) sowie des Helmholtz Zentrums München mit einer breit angelegten Studie gezeigt.
Ihre Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America“ (PNAS) veröffentlicht.
Wie es in einer Mitteilung dazu heißt, könnten sich Angehörige von Hochrisikogruppen durch das Beobachten von Pollenflugvorhersagen und ein entsprechendes Tragen von Staubfiltermasken schützen.
Daten von fünf Kontinenten
Der Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 schien in der nördlichen Hemisphäre mit den Flugzeiten der Baumpollen zusammenzutreffen. Diese Beobachtungen nahmen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum Anlass für eine umfassende Untersuchung: Das internationale Forschungsteam wollte herausfinden, ob es einen nachweisbaren Zusammenhang zwischen der Pollenkonzentration in der Luft und Infektionszahlen mit SARS-CoV-2 gibt.
Unter der Federführung von Erstautor Athanasios Damialis sammelten die Forschenden am Lehrstuhl für Umweltmedizin an der TUM Daten zu Pollenkonzentrationen in der Luft, zu meteorologischen Bedingungen und zu SARS-CoV-2-Infektionen – dabei wurden die Variationen der Infektionsrate von Tag zu Tag oder auch die Gesamtzahl positiv Getesteter berücksichtigt.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bezogen in ihre Berechnung auch Daten zu Besiedelungsdichte und zu Effekten von Lockdowns ein. Die mehr als 150 Forschenden analysierten Pollendaten von 130 Stationen in 31 Ländern auf fünf verschiedenen Kontinenten.
Positive Auswirkungen durch Lockdown-Regeln
Die Forschenden zeigten, dass luftgetragene Pollen im Durchschnitt 44 Prozent der Varianz der Infektionsraten erklären können – manchmal spielten hier jedoch auch Luftfeuchtigkeit und Lufttemperatur eine Rolle.
Den Angaben zufolge stieg die Infektionsrate an Orten ohne Lockdown-Regelungen im Schnitt um vier Prozent, wenn sich die Anzahl der Pollen in der Luft um 100 pro Kubikmeter erhöhte. In manchen deutschen Städten zum Beispiel kamen im Untersuchungszeitraum zeitweise pro Tag bis zu 500 Pollen auf einen Kubikmeter – was insgesamt zu einem Anstieg der Infektionsraten um mehr als 20 Prozent führte.
Galten in den untersuchten Gebieten Lockdown-Regeln, halbierte sich die Zahl der Infektionen im Schnitt aber bei vergleichbarer Pollenkonzentration in der Luft.
Geschwächte Körperabwehr
In der Mitteilung wird der Grund dafür erklärt: Wenn Pollen fliegen, reagiert die menschliche Körperabwehr in abgeschwächter Form auf Viren der Atemwege, die verantwortlich für Schnupfen und Erkältungen sind.
Gelangt ein Virus in den Körper, produzieren infizierte Zellen üblicherweise Signalproteine – auch bei SARS-CoV-2. Diese sogenannten antiviralen Interferone rufen laut den Fachleuten benachbarte Zellen dazu auf, ihre antivirale Abwehr zu verstärken, um die Eindringlinge in Schach zu halten. Zudem wird eine ausbalancierte Entzündungsreaktion aktiviert, um die Viren zu bekämpfen.
Wenn die Pollenkonzentration in der Luft allerdings hoch ist und neben Viren auch Pollen eingeatmet werden, werden weniger solcher antiviralen Interferone produziert. Außerdem wird die eigentlich heilsame Entzündungsreaktion beeinflusst. Wenn viele Pollen fliegen, kann die Zahl der Atemwegserkrankungen daher ansteigen – das gilt auch für COVID-19. Es spielt dabei keine Rolle, ob Betroffene an Allergien gegenüber diesen Pollen leiden oder nicht.
„Man kann nicht vermeiden, luftgetragenen Pollen ausgesetzt zu sein“, so Stefanie Gilles, ebenfalls Erstautorin der Studie. „Personen, die zu Hochrisikogruppen gehören, sollten deshalb darüber informiert sein, dass erhöhte Pollenkonzentrationen in der Luft anfälliger gegenüber viralen Infekten der Atemwege machen.“
Und Athanasios Damialis hebt hervor: „Betrachtet man die Verbreitung des SARS-CoV-2, müssen Umweltfaktoren wie Pollen mit in die Rechnung aufgenommen werden. Das Wissen um diese Auswirkungen eröffnet neue Wege für die Prävention und Abmilderung von Covid-19.“
Staubfiltermasken bieten Schutz
Was also können Menschen, die Risikogruppen angehören, tun, um sich zu schützen? Letztautorin Claudia Traidl-Hoffmann, Professorin für Umweltmedizin, empfiehlt, in den nächsten Monaten die Pollenflugvorhersagen zu Rate zu ziehen.
„Staubfiltermasken zu tragen, wenn die Pollenkonzentration hoch ist, kann das Virus und den Pollen gleichermaßen von den Atemwegen fernhalten“, sagt die Wissenschaftlerin. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Technische Universität München (TUM): Covid-19-Risiko steigt bei Pollenflug, (Abruf: 09.03.2021), Technische Universität München (TUM)
- A. Damialis, S. Gilles et. al.: Higher airborne pollen concentrations correlated with increased SARS-CoV-2 infection rates, as evidenced from 31 countries across the globe; in: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS), (veröffentlicht: 08.03.2021), Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS)
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.