Angehörige sollten auf Herzensangelegenheiten eingehen
Wenn ein Mensch im Sterben liegt, fällt es Angehörigen oft schwer, nach letztem Wünschen zu fragen. Denn gefühlt markiert diese Frage den Moment, in dem die Hoffnung aufgegeben und der Tod akzeptiert wird. Doch hier sollten Angehörige versuchen, über ihren Schatten zu springen, denn für Sterbende ist dieser „Abschluss“ sehr wichtig.
Sterbenden bedeutet die Erfüllung einer Herzensangelegenheit sehr viel
Liegt ein geliebter Mensch im Sterben, haben nahestehende Personen oft Schwierigkeiten „loszulassen“ und den bevorstehenden Tod zu akzeptieren. Dementsprechend fällt es oft schwer, offen zu fragen, ob man dem Betroffenen noch etwas Gutes tun kann. „Aber jetzt noch einmal einen Herzenswunsch erfüllt zu bekommen, bedeutet für Sterbende sehr viel”, sagt Nazan Aynur vom Regionalverband Ruhr des Arbeiter-Samariter-Bundes im Gespräch mit der Nachrichtenagentur „dpa“.
Nazan Aynur ist Projektleiterin des in Essen stationierten “Wünschewagens” , einer Initiative, welche die Erfüllung letzter Wünsche durch die Bereitstellung eines entsprechenden Transportfahrzeugs und ausgebildeten Begleitern ermöglicht. Seit September 2014 ist der “Wünschewagen” unterwegs, wobei der Fahrdienst und die Begleitung durch ehrenamtliche Helfer übernommen werde, so Aynur weiter. „Ob an den Zielorten eine Jugendliebe, ein Konzert, ein Fussballspiel, ein Picknick am See […] oder vielleicht auch einfach die Besichtigung geeigneter Hospize in der Nähe steht – das bleibt ganz dem Fahrgast überlassen“, so die Initiatoren auf ihrer Website http://www.wuenschewagen.com/. Bislang sei die Initiative nur in Nordrhein-Westfalen aktiv – doch das werde aufgrund der großen Nachfrage vermutlich nicht mehr lange so bleiben, prognostiziert Nazan Aynur.
Hilfe bei einem Hospizdienst suchen
„Von diesem Erlebnis zehren die Menschen oft sehr lange”, berichtet Nazan Aynur. Grund hierfür sei, dass es der Wünschewagen ermögliche, mal für einen Moment das Krankenhaus oder Hospiz zu verlassen. Denn was einfach klingt, lässt sich in vielen Fällen für Angehörige nicht ohne Weiteres umsetzen, da diese oft unsicher sind und nicht wissen, wie sie den Wunsch realisieren sollen. „Angehörige haben oft das Gefühl, dass sie das nicht leisten können – und zugleich ein schlechtes Gewissen”, erläutert Mechthild Schroeter-Rupieper, Sterbe- und Trauerbegleiterin aus Gelsenkirchen, gegenüber der „dpa“. Hilfreich könne es in einer solchen Situation sein, Hilfe zu suchen, etwa bei einem Hospizdienst.
Auch unerfüllbare Wünsche thematisieren
Auch wenn ein Wunsch nicht erfüllt werden kann, sei es laut Schroeter-Rupieper sinnvoll, über diesen zu sprechen, damit sich sich der Sterbende von ihm verabschieden könne. Handelt es sich um schwierige Themen, welche in der Familie ungern thematisiert werden, könne ein Seelsorger gute Hilfe leisten. „In den meisten Kliniken sind sie rund um die Uhr erreichbar”, sagt Norbert Kuhn-Flammensfeld, Leiter des Fachbereichs Hospiz und Palliativ im Erzbischöflichen Ordinariat München weiter.
Schwierig kann es auch werden, wenn Sterbende einen Wunsch haben, der das zukünftige Leben der Angehörigen betrifft. Denn Anliegen wie „Ich will, dass du die Firma übernimmst” oder “Ich wünsche mir, dass Du wieder einen neuen Partner findest“ können für hinterbliebene Kinder oder Partner zu einer großen Last werden, ergänzt Schroeter-Rupieper. Auch hier könne ein offener Austausch zwischen dem Sterbenden und Angehörigen helfen, Klarheit über die Empfindungen beider zu schaffen und den Wunsch positiv zu betrachten. „Der Wunsch, dass der Partner wieder glücklich wird, sich neu verliebt, kann, wenn die Zeit gekommen ist, dann auch etwas Befreiendes haben”, sagt Kuhn-Flammensfeld.
Ungelöste Familien-Konflikte sind besonders belastend
Ein besonders große Belastung würden laut Schroeter-Rupieper ungelöste zwischenmenschliche Konflikte darstellen, denn hier sei meist die ganze Familie involviert. Menschen, die so eine Situation erleben, würden daher auch schwerer sterben, so die Beobachtung der Sterbebegleiterin. Nicht zuletzt gibt es natürlich auch Wünsche, die Angehörige nicht erfüllen wollen, wie z.B. der Verkauf des Hauses oder die Weiterführung der Familiengeschäfte. In diesem Fall herrscht meist große Unsicherheit darüber, wie man sich am besten verhält. Trotzdem zustimmen, um nicht noch Streit auszulösen? Oder offene Worte finden? Hier sollte genau abgewogen werden, denn “ja zu sagen und es dann doch nicht zu tun, kann etwas sehr Belastendes haben, weil man den letzten Wunsch eben nicht erfüllt hat”, gibt Seelsorger Norbert Kuhn-Flammensfeld zu denken. (nr)
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