Welche Rolle spielen Purine bei der Entstehung von Krebs?
Insbesondere Gicht-Betroffene kennen die Empfehlung, möglichst wenig Purine zu sich zu nehmen, da diese die Krankheitssymptome verschlimmern können. Eine aktuelle Studie aus Österreich legt nun nahe, dass Purine auch an der Entstehung von Krebs beteiligt sein könnten.
Forschende der Österreichischen Akademie der Wissenschaften fanden heraus, dass die Zufuhr von Purinen sowie die Purin-Synthese eine Rolle im Krebsentstehungsprozess spielen können. Die Substanz, die in vielen Lebensmitteln enthalten ist, scheint demnach die Aktivität eines Proteins namens BRD4 zu beeinflussen. Dieses ist wiederum involviert in die Entstehung von Krebs. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Nature Metabolism“ vorgestellt.
Das Protein BRD4 als Krebsmarker
Viele epigenetische Prozesse stehen in Verbindung mit der Entstehung von Krankheiten. BRD4 ist ein Protein, das in solche Prozesse eingebunden ist. Frühere Forschungsarbeiten identifizierten das Protein bereits als wichtigen Krebsmarker. Die aktuelle Studie liefert Hinweise dafür, dass Purine Einfluss auf die BRD4-Aktivität haben könnten.
Kurzer Ausflug in die Genetik
Die menschliche DNA ist eine Komponente im Zellkern. Je nach Art der Zelle, bestimmt die DNA welche Gene aktiviert werden und welche inaktiv bleiben. Die Zellen können alle relevanten Informationen an der DNA ablesen, um auf verschiedene Situationen zu reagieren. Fehler und Störungen in diesem Prozess können zu Krankheiten wie beispielsweise Krebs führen. Mithilfe modernster Technik wurden in den letzten Jahren immer mehr solcher Prozesse aufgedeckt.
BRD4 ist in diesem Rahmen wiederholt aufgefallen, da das Protein einen entscheidenden Beitrag zum Ent- und Verpacken der DNA leistet. Da BRD4 bereist als Krebsmarker identifiziert wurde, ist in der Krebsforschung von hohem Interesse, wie sich das Protein regulieren lässt.
Wie hängen Purine und BRD4 zusammen?
Eine Arbeitsgruppe um Giulio Superti-Furga untersuchte nun, wie bestimmte von außen zugeführte Nährstoffe BRD4 und somit den Entstehungsprozess diverser Krebserkrankungen beeinflussen. Besonderes Augenmerk wurde auf die Gruppe der Purine gelegt, da diese Zell-Grundbausteine schon früher mit der Entstehung von Krankheiten in Verbindung gebracht wurden, beispielsweise bei Gicht.
Die Forschenden analysierten den Transport von Purinen und deren Stoffwechselprodukte, indem sie sogenannte Solute Carriers (SLC) überwachten. SLC sind spezielle Transportproteine, die zahlreiche wichtige Stoffe wie beispielsweise Nährstoffe und Metabolite in die und aus der Zelle befördern. „Unser Ziel war es, die Beteiligung von SLC-vermittelter Purin-Aufnahme und zellulärem Stoffwechsel an der Regulierung zellulärer epigenetischer Zustände zu untersuchen, denn der Purin-Stoffwechsel spielt eine wesentliche Rolle im Zellmetabolismus“, erklärt Studienautorin Kai-Chun Li.
DNA-Ablesefehler durch Ungleichgewicht im Purin-Stoffwechsel
Dabei zeigte sich, dass ein Ungleichgewicht im intrazellulären Purin-Pool zu einer Funktionsstörung der BRD4-abhängigen Transkriptionsregulation des Chromatins führt – das korrekte Ablesen der DNA wird also durch ein Ungleichgewicht im Purin-Haushalt gestört. „Diese Ergebnisse belegen eine pharmakologisch wirksame Achse zwischen dem Purin-Stoffwechsel und BRD4-abhängigen Chromatinzuständen“, betont Studienleiter Superti-Furga.
Neuer Angriffspunkt für Krebstherapien entlarvt
Zur Behandlung von Krebs wurden bereits Medikamente entwickelt, die BRD4 beeinflussen. Einige Krebsarten sind jedoch resistent gegen solche BET-Inhibitoren. „Wir zeigen mit unserer Studie einen weiteren Weg auf, um BRD4 zu regulieren – durch Beeinflussung des Purin-Stoffwechsels.“
Adenin normalisierte den Purin-Stoffwechsel
Auch auf die Frage, wie die BRD4-Funktionalität wiederhergestellt werden könnte, fanden die Forschenden eine Antwort. Die von Purin abgeleitete Verbindung Adenin spielte der Studie zufolge die stärkste Rolle bei der BRD4-Interaktion. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Adenylate (Adenin, ATP etc.) wichtig für gesunde Zellen sind“, resümiert Superti-Furga. Dies könne ein wichtiger Ansatzpunkt zur Entwicklung neuer Therapien gegen BRD4-induzierte Krebsarten sein.
Purine in der Ernährung
Alle Sorten Fleisch einschließlich Innereien sowie Fisch und Schalentiere enthalten höhere Mengen an Purinen. Bei pflanzlichen Lebensmitteln beinhalten Hefe, Hefeextrakt, Bohnen, Erbsen, Linsen, Spinat, Spargel, Blumenkohl und Pilze erhöhte Mengen. Über Bier und andere alkoholhaltige Getränke können bei hohem Konsum auch viele Purine zugeführt werden.
Hinweis: In der Studie wurde nicht untersucht, ob eine hoher Konsum von Purinen Krebs auslösen oder vor Krebs schützen kann, sondern nur, dass Fehler im Purin-Stoffwechsel mit der Entstehung von Krebs in Verbindung stehen könnten. Für konkrete Ernährungsempfehlungen sind weitere Studien notwendig. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Kai-Chun Li, Enrico Girardi, Felix Kartnig, et al.: Cell-surface SLC nucleoside transporters and purine levels modulate BRD4-dependent chromatin states; in: Nature Metabolism, 2021, nature.com
- CeMM – Research Center for Molecular Medicine of the Austrian Academy of Sciences: Beeinflussen Purine die Krebsentstehung? (veröffentlicht: 10.05.2021), cemm.at
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.