Übergewicht und Fettleibigkeit bei Kindern
Viele jüngere Kinder in der Europäischen Union leiden an Übergewicht oder haben bereits Adipositas entwickelt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieser besorgniserregende Trend im Zuge der COVID-19-Pandemie noch weiter zunehmen wird.
Der aktuelle Bericht der Initiative der Europäischen Region der WHO zur Überwachung von Adipositas im Kindesalter (COSI) wird in virtueller Form auf dem Europäischen Kongresses zum Thema Adipositas präsentiert. Dieser Bericht umfasst die neuesten Informationen, welche zum jetzigen Zeitpunkt für Kinder im Alter zwischen sechs und neun Jahren aus 36 Ländern der Region zur Verfügung stehen. Es wird deutlich, das Gewichtsprobleme schon vor COVID-19 unter Heranwachsenden weit verbreitet waren.
Gesunde Ernährung und mehr Bewegung fördern
„Übergewicht und Adipositas stehen in direktem Zusammenhang mit lebensbedrohlichen nichtübertragbaren Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Krebs. Um nachfolgenden Generationen bessere Zukunftsaussichten zu verschaffen, müssen wir daher wissenschaftlich fundierte und datengestützte Handlungskonzepte umsetzen, die zur Verringerung der Adipositas unter Kindern beitragen können, und gleichzeitig gesündere Ernährungsweisen und mehr Bewegung fördern“, erklärt der Experte weiter.
Adipositas in einigen Ländern rückläufig
Die jüngsten COSI-Daten stammen aus 36 Ländern, welche in den Schuljahren 2015 bis 2016 und 2016 bis 2017 an der Erhebung teilgenommen haben. Die Daten umfassten auch Informationen von etwa 250.000 Kindern im Grundschulalter zu den Themen Übergewicht, körperlicher Betätigung und Ernährung. In 13 Länder der Europäischen Region war eine längerfristige Untersuchung von Trends der Zunahme von Adipositas und Übergewicht möglich, berichtet die WHO.
Wo gab es die höchsten Raten von Adipositas?
Die höchsten Raten von Adipositas wurden in Griechenland, Italien, Portugal und Spanien festgestellt. In den genannten Ländern und in Slowenien konnten aber sowohl bei Übergewicht als auch bei Adipositas rückläufige Trends beobachtet werden, so das Team. Die Prävalenz von Übergewicht reduzierte sich bei Jungen um vier bis zwölf Prozent und bei Mädchen um drei bis sieben Prozent.
Was tun Regierungen gegen Adipositas?
Im Laufe der letzten Jahre haben einige dieser Länder Maßnahmen eingeführt, welche zur Bekämpfung von Adipositas beitragen sollen. Solche Maßnahmen umfassten beispielsweise die Erhebung von Steuern auf gezuckerte Getränke, Beschränkungen bei der Vermarktung von Lebensmitteln und die Einführung von Sportunterricht.
„Die COSI-Daten zeigen in jenen Ländern, die die höchsten Adipositasraten aufweisen, einen rückläufigen Trend bei der Adipositas unter Kindern. Sie sind nach den vorangegangenen Untersuchungen hellhörig geworden und haben Konzepte umgesetzt, von denen wir wissen, dass sie etwas bewirken. Es stimmt zuversichtlich, wenn die Maßnahmen der Länder eine messbare Wirkung zeigen“, erläutert Dr. Nino Berdzuli vom WHO-Regionalbüro für Europa in einer Pressemitteilung.
Jungen haben häufiger Gewichtsprobleme
Im Alter zwischen sechs und neun Jahren lag die Prävalenz von Übergewicht (einschließlich Adipositas) unter Jungen insgesamt bei 29 Prozent und bei Mädchen bei 27 Prozent. Die Prävalenz von Adipositas betrug bei Jungen 13 Prozent und neun Prozent bei Mädchen. Die Zahlen täuschen allerdings darüber hinweg, dass es teilweise große Unterschiede innerhalb der Länder gab, so die WHO.
Den höchsten Anteil an Übergewicht und Adipositas im Kindesalter stellten die Fachleute der WHO in Ländern des Mittelmeerraums (Griechenland, Italien, Spanien und Zypern) fest. In diesen Ländern litten mehr als 40 Prozent der Jungen und Mädchen unter Übergewicht. Außerdem waren 19 bis 24 Prozent der Jungen und 14 bis 19 Prozent der Mädchen bereits an Adipositas erkrankt.
Länder mit geringen Raten von Adipositas
Wenn es um den niedrigsten Anteil an Übergewicht und Adipositas im Kindesalter ging, waren Ländern wie Kirgisistan, Tadschikistan und Turkmenistan führend, wo fünf bis zwölf Prozent der Jungen und Mädchen von Übergewicht betroffen und weniger als fünf Prozent an Adipositas erkrankt waren.
Ernährungsgewohnheiten der Kinder?
Durchschnittlich gaben knapp 80 Prozent der Kinder bei der Befragung an, jeden Tag ein Frühstück zu sich zu nehmen. Etwa 45 Prozent berichtete darüber, täglich Obst zu konsumieren und etwa 25 Prozent nahm täglich Gemüse zu sich.
Bei der Betrachtung von gesunden Essgewohnheiten wurde klar, dass erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern vorlagen. Auf alle Länder bezogen, variierte der Verzehr eines täglichen Frühstücks zwischen 49 Prozent und 96 Prozent. Wenn es um den täglichen Konsum von Obst ging, lag der Wert zwischen 18 und 81 Prozent, beim täglichen Verzehr von Gemüse zwischen neun und 74 Prozent.
Kinder konsumierten häufig ungesunde Lebensmittel
Der Verzehr von süßen Snacks bei Kindern lag insgesamt bei 27 Prozent, der Konsum von herzhaften Snacks dagegen lediglich bei 14 Prozent, berichten die Fachleute. Zudem gab es erhebliche Schwankungen zwischen den Ländern, wenn es um den Anteil der Kinder ging, welche diese ungesunden Snacks an mehr als drei Tagen pro Woche verzehrten. Dieser Anteil variierte bei süßen Snacks zwischen fünf und 62 Prozent. Wenn es um den Verzehr von herzhaften Snacks ging, lag der Wert laut Angaben der WHO zwischen weniger als einem und 35 Prozent.
Wie steht es um die körperliche Betätigung von Kindern?
Durchschnittlich ging jedes zweite Kind zu Fuß zur Schule oder nutzte für den Schulweg ein Fahrrad, berichten die Fachleute. In allen Ländern verbrachten die meisten Kinder täglich mindestens eine Stunde an der freien Luft, wobei der Anteil in den unterschiedlichen Ländern zwischen 62 und 98 Prozent lag.
Wenn die Eltern der Kinder eine bessere Schulbildung aufwiesen, war dies beim Nachwuchs mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für die Durchführung einer sportlichen Aktivität (einschließlich Tanzen) verbunden. Der festgestellte Unterschied zwischen Kindern von Eltern mit einer hohen Schuldbildung und Eltern mit einem niedrigen Bildungsgrad betrug in sieben Ländern über 20 Prozentpunkten. Auffällig war, dass Kinder von Eltern mit einer schlechteren Schulbildung häufiger zu Fuß zu Schule gingen oder für den Schulweg ein Rad nutzten.
Handlungbedarf zum Schutz der Kinder
Die Daten zeigen, dass in einigen Ländern der Europäischen Region der WHO jedes dritte Kind im Alter zwischen sechs und neun Jahren an Übergewicht oder Adipositas leidet. Hier besteht laut Aussage der WHO ein dringender Handlungsbedarf, um diese jüngere Altersgruppe vor Gewichtsproblemen zu schützen oder diese effektiv zu behandeln. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hinetrgrund, dass durch die COVID-19-Pandemie ein weiterer Anstieg der Gewichtsprobleme bei Heranwachsenden zu erwarten ist.
Zunahme von Adipositas unter Kindern erwartet
„COVID-19 könnte möglicherweise einen der besorgniserregendsten Trends in der Europäischen Region der WHO – die zunehmende Adipositas unter Kindern – weiter verschärfen“, warnt der WHO-Regionaldirektor für Europa, Dr. Hans Henri P. Kluge. Die Fachleute der WHO nehmen an, dass durch COVID-19 wahrscheinlich die Adipositasraten unter Kindern in Europa zunehmen werden. Dies werde sich auch auf die Ergebnisse der nächsten Runden der COSI-Erhebung auswirken.
Folgen von Lockdowns und Schulschließungen
Durch die Schulschließungen und Lockdowns habe COVID-19 Auswirkungen auf den Zugang zu Schulmahlzeiten und die Möglichkeiten zu körperlicher Betätigung für Kinder, wodurch mögliche Ungleichheiten noch weiter verschärft werden, berichten die Fachleute der WHO. Es sei daher sehr wichtig, dass Strategien zur Prävention von Adipositas im Kindesalter auch während der Pandemie priorisiert werden. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Weltgesundheitsorganisation Europa: Hohe Adipositasraten unter Kindern alarmieren angesichts der erwarteten Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (veröffentlicht 11.05.2021), WHO Europa
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.