Corona-Impfung für 75 Prozent der Bevölkerung bis Juli machbar
Die Impfungen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 beziehungsweise die durch das Virus ausgelöste Krankheit COVID-19 haben in den vergangenen Wochen ordentlich Fahrt aufgenommen. Wenn es ähnlich schnell weiter geht, könnten bereits im Juli Dreiviertel der Bevölkerung die Corona-Erstimpfung erhalten haben. Voraussetzung dafür ist jedoch eine ausreichende Impfstoff-Liefermenge.
Die Corona-Schutzimpfung ebnet den Weg aus der Pandemie, schreibt das Bundesministerium für Gesundheit auf dem Portal „Zusammen gegen Corona“. Seit Ende letzten Jahres stehen die ersten Impfstoffe gegen COVID-19 in Deutschland bereit. Das Ziel: Jede und jeder Impfwillige soll bis Ende September eine Erstimpfung erhalten. Schon im Juli könnten Dreiviertel der Bevölkerung eine einmalige Impfung erhalten haben – inklusive der Jugendlichen ab 12 Jahren. Doch um dies zu erreichen, muss nicht nur genügend Impfstoff vorhanden sein.
Vollständig geimpft bis zum Schulstart
Trotz einer absehbaren Schwäche bei den Erstimpfungen in der ersten Juni-Hälfte ist es möglich, bis Anfang Juli 75 Prozent aller Erwachsenen in Deutschland und bis in die zweite Juli-Hälfte zusätzlich auch 75 Prozent der Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren mindestens einmal gegen COVID-19 zu impfen, erklärt die Hans-Böckler-Stiftung in einer aktuellen Mitteilung.
Bis Anfang September, also zum Beginn des kommenden Schuljahrs in vielen Bundesländern, könnten insgesamt 75 Prozent der Bevölkerung über 12 Jahren sogar vollständig geimpft sein.
Voraussetzung dafür – und derzeit größte Unwägbarkeit – ist jedoch, dass insbesondere der Impfstoff von Johnson & Johnson wie angekündigt geliefert und auch an Menschen unter 60 Jahren zügig verimpft wird.
Dies zeigen neue Berechnungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.
Voller Impfschutz schon nach einer Dosis
„Deutschland hat beim Impfen seit Mitte März große Fortschritte gemacht. Doch trotz der Erfolge der vergangenen Wochen ist es anspruchsvoll, die Geschwindigkeit zu halten“, meint Prof. Dr. Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des IMK.
Dies liegt daran, dass in nächster Zeit ein erheblicher Anteil des Impfstoffs für die anstehenden Zweitimpfungen benötigt wird. Vor allem aber an den Problemen mit den Vektorimpfstoffen von AstraZeneca sowie Johnson & Johnson.
„Da Johnson & Johnson vollen Impfschutz schon nach einer Dosis herstellt, muss jede ausgefallene Dosis mit zwei Dosen eines anderen Impfstoffes kompensiert werden. Dies erhöht auch die Zahl der notwendigen Impfvorgänge und damit die Anforderungen an Arztpraxen und Impfzentren“, schreiben Dullien und sein Forscherkollege Dr. Andrew Watt in der neuen Projektion.
„Ein Komplettausfall der J&J-Impfungen ab Anfang Juni würde so bis Ende Juli täglich zusätzlich 50.000 Verimpfungen bedeuten, um unseren ursprünglichen Impfpfad zu erreichen“, so die Fachleute.
„Das Tempo der deutschen Impfkampagne hängt am Impfstoff von Johnson & Johnson.“ Die beiden Wissenschaftler stützen ihre fortlaufend aktualisierten Berechnungen auf die aktuellen Daten zum Impffortschritt sowie Statistiken der Bundesregierung, die angeben, wann wie viele der bestellten Impfdosen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 zur Verfügung stehen sollen.
Auf dieser Basis berechnen sie einen „Impfpfad“, der anzeigt, wie viele Personen zu einem bestimmten Zeitpunkt geimpft sein könnten.
Verlängerung der Impf-Abstände
In einer ersten Studie vom März hatten die beiden Forscher projiziert, dass bis Ende Juli alle impfwilligen Erwachsenen (basierend auf Umfragen rechneten sie mit rund 75 Prozent der Personen über 18 Jahren beziehungsweise 52,5 Millionen Menschen) vollständig geimpft sein könnten.
Weil seitdem bei allen Vakzinen die empfohlenen Abstände zwischen erster und zweiter Injektion verlängert wurden, ist eine solche Komplettimpfung trotz der starken Beschleunigung beim Impfprogramm nicht mehr ganz zu erreichen.
Das liegt jedoch an den Abständen, nicht an der Menge des Impfstoffs. Unter den derzeit angekündigten Lieferplänen ist es durchaus möglich, dass bis Anfang Juli 75 Prozent der Erwachsenen mindestens einmal geimpft sind und dass zusätzlich bis in die zweite Juli-Hälfte auch Dreiviertel der 12- bis 17-Jährigen die erste Injektion mit dem für sie bislang einzigen zugelassenen Vakzin von Biontech/Pfizer erhalten haben.
Wenn man von den empfohlenen Intervallen zwischen Erst- und Zweitinjektion ausgeht, wären Erwachsene, die Johnson & Johnson erhalten, somit spätestens Anfang Juli auch vollständig geimpft. Im Falle von Immunisierung mit Biontech/Pfizer oder Moderna wäre die komplette Impfung spätestens Mitte August erreicht und Kinder und Jugendliche ab 12 wären spätestens Ende August vollständig geimpft.
Länger auf komplette Immunisierung warten müsste lediglich, wer nach Mitte Mai mit AstraZeneca geimpft wurde – vorausgesetzt, der von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlene Abstand von 12 Wochen wird vollständig eingehalten.
Unter dem Strich entspricht dies 75 Prozent der Bevölkerung ab 12 Jahren, die bis Anfang September, wenn das nächste Schuljahr in vielen Bundesländern beginnt, vollständig geimpft wären.
Da die Erstimpfung bereits einen hohen Schutz bietet, ist diese Perspektive, bei der bald deutlich mehr als die ursprünglichen 52,5 Millionen Menschen teilgeimpft sein werden, aus Sicht der Wissenschaftler sehr positiv.
Akzeptanz der Vektorimpfstoffe
Wichtig, um diesen Pfad zu erreichen, ist nach Berechnungen der Ökonomen jedoch die Akzeptanz der Vektorimpfstoffe von AstraZeneca und Johnson & Johnson, weil absehbar in den nächsten Wochen nicht genügend mRNA-Impfstoffe (Biontech/Pfizer und Moderna) geliefert werden, um alle Impfwilligen damit zu versorgen.
So müsste sich rund ein Viertel der noch nicht geimpften, aber impfwilligen Erwachsenen mit dem Vakzin von AstraZeneca oder von Johnson & Johnson immunisieren lassen, um das Impfziel wie beschrieben zu erreichen.
Das bedeutet, dass weiterhin auch viele Personen unter 60 Jahren bereit sein müssten, einen Vektor-Impfstoff zu akzeptieren. Zudem sei bei der Zahl der täglichen Verimpfungen noch einmal eine Beschleunigung notwendig. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Hans-Böckler-Stiftung: IMK: Mindestens einmalige Impfung von 75 Prozent der Bevölkerung ab 12 Jahren bis in die zweite Juli-Hälfte machbar – Tempo hängt an J&J, (Abruf: 01.06.2021), Hans-Böckler-Stiftung
- Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung: IMK Kommentar: Impftempo in Deutschland hängt an Impfstoff von Johnson & Johnson, (Abruf: 01.06.2021), Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung
- Bundesministerium für Gesundheit: Corona-Schutzimpfung, (Abruf: 01.06.2021), Zusammen gegen Corona
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.