Verbesserte Behandlung von Depressionen in Aussicht
Wird es in naher Zukunft möglich sein, individuelle Ursachen eines erhöhten Risikos für Depressionen mit der Hilfe einer einfachen Handy-App festzustellen, um dann eine effektive Behandlung einzuleiten? Neue Ansätze für eine frühe Diagnose von Depressionen sind dringend gesucht und das Smartphone könnte hier eine vielversprechende Option bieten.
Forschenden der University of California San Diego School of Medicine ist es bei ihrer aktuellen Untersuchung gelungen, durch eine Kombination von Modalitäten, wie beispielsweise der Messung von Hirnfunktion, Kognition und Lebensstilfaktoren, individualisierte Vorhersagen für Depressionen zu erstellen. Die Ergebnisse der Studie wurden in dem englischsprachigen Fachblatt „Nature Translational Psychiatry“ publiziert.
Gefahr durch Depressionen wird massiv unterschätzt
Nach Angaben der Deutschen Depressions Hilfe gehören Depressionen zu den am häufigsten auftretenden und gleichzeitig am meisten unterschätzten Erkrankungen. Die Fachleute berichten, dass etwa jede vierte Frau und jeder achte Mann im Laufe des Lebens an einer Depression leiden. Dies zeige, dass Frauen zwei– bis dreimal so häufig von einer Depression betroffen sind, verglichen mit Männer.
Die Anzahl der betroffenen Personen und die Zunahme von Depressionen durch die COVID-19-Pandemie machen deutlich, dass dringend effektivere Strategien für Therapeutika benötigt werden, welche dieses kritische Problem der öffentlichen Gesundheit angehen.
Schwächen jetziger Behandlungen von Depressionen
„Es gibt verschiedene Gründe und Ursachen für Depressionen. Einfach ausgedrückt, bestehen die aktuellen Standards der Gesundheitsversorgung meist nur darin, die Menschen zu fragen, wie sie sich fühlen, und dann ein Rezept für Medikamente auszustellen. Diese First-Line-Behandlungen haben sich in großen Studien als nur leicht bis mäßig wirksam erwiesen“, erläutert Studienautorin Dr. Jyoti Mishra von der UC San Diego School of Medicine.
Depression braucht personalisierte Behandlung
„Depression ist eine vielschichtige Krankheit, und wir müssen sie mit einer personalisierten Behandlung angehen, sei es eine Therapie mit einem Psychologen, mehr Bewegung oder eine Kombination von Ansätzen“, fügt die Expertin hinzu.
Bei der einmonatigen Studie wurden Daten von vierzehn Teilnehmenden mit Depressionen erhoben, wobei Smartphone-Anwendungen und sogenannte Wearables (wie beispielsweise Smartwatches) verwendet wurden, um die Stimmung und Lebensstilvariablen wie Schlaf, Bewegung, Ernährung und Stress zu messen. Diese Daten wurden dann mit kognitiven Bewertungen und Elektroenzephalographie gepaart, wobei Elektroden auf der Kopfhaut verwendet werden, um die Gehirnaktivität aufzuzeichnen, so das Team.
Die Kombination aus maschinellem Lernen und personalisiertem medizinischen Ansatz berücksichtigte mehrere Faktoren, welche mit den subjektiven Symptomen einer Person zusammenhängen, wie Schlaf, Bewegung, Ernährung, Stress, kognitive Leistung und Gehirnaktivität, erläutern die Forschenden. Ziel sei nicht der Vergleich zwischen den Individuen gewesen, sondern die Bestimmung und Beeinflussung der individuellen Prädiktoren für die depressive Stimmungslage.
Große Unterschiede bei Prädiktoren für depressive Stimmung
Bei einem Teilnehmenden erwiesen sich beispielsweise Bewegung und die tägliche Koffeinzufuhr als starke Prädiktoren für die Stimmung, bei einem anderen waren es eher Schlaf und Stress, berichten die Forschenden. Bei einem dritten Teilnehmenden seien die Gehirnfunktion und kognitive Reaktionen auf Belohnungen die wichtigsten Prädiktoren für die Stimmungslage gewesen.
„Wir sollten die psychische Gesundheit nicht als eine Einheitsgröße für alle betrachten. Die Patienten werden davon profitieren, dass sie einen direkteren und quantitativeren Einblick in die Art und Weise erhalten, wie bestimmte Verhaltensweisen ihre Depression auslösen können. Kliniker können diese Daten nutzen, um zu verstehen, wie sich ihre Patienten fühlen und medizinische und verhaltenstherapeutische Ansätze zu integrieren, die die psychische Gesundheit verbessern und erhalten”, erklärt Studienautorin Dr. Mishra.
Handy-Apps zur personalisierten Behandlung von Depression
„Unsere Studie zeigt, dass wir die Technologie und Werkzeuge, die leicht verfügbar sind, wie Handy-Apps, verwenden können, um Informationen von Personen mit Depressionen oder mit Risiko für Depressionen ohne signifikante Belastung zu sammeln und diese Informationen zu nutzen, um personalisierte Behandlungspläne zu entwerfen“, berichtet die Medizinerin in einer Pressemitteilung der University of California San Diego.
Besseres Wohlbefinden durch ein Smartphone?
„Unsere Ergebnisse könnten über Depressionen hinaus breitere Auswirkungen haben. Alle, die nach mehr Wohlbefinden streben, könnten von den Erkenntnissen profitieren, die aus ihren eigenen Daten gewonnen werden”, ergänzt die Expertin. Denn „wenn ich nicht weiß, was los ist, wie soll ich dann wissen, wie ich mich besser fühlen kann?“ (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Rutvik V. Shah, Gillian Grennan, Mariam Zafar-Khan, Fahad Alim, Sujit Dey et al.: Personalized machine learning of depressed mood using wearables, in Nature Translational Psychiatry (veröffentlicht 09.06.2021), Nature Translational Psychiatry
- Deutsche Depressions Hilfe: Häufigkeit (Stand 09.06.2021), Deutsche Depressions Hilfe
- University of California San Diego: How Your Phone Can Predict Depression and Lead to Personalized Treatment (veröffentlicht 08.09.2021), UC San Diego
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.