Neuer Abwehrmechanismus des Immunsystem entdeckt
Immunologinnen und Immunologen einer kanadischen Universität haben einen bislang unbekannten Mechanismus entdeckt, mit dem das Immunsystem Krankheitserreger wie SARS-CoV-2 oder Influenza-Viren einfängt und abtötet. Die Forschenden vergleichen den neuen Mechanismus mit einem Spinnennetz.
Eine Arbeitsgruppe der McMaster University in Kanada beschreibt einen neuen Abwehrmechanismus des Immunsystems. Im Fokus stehen dabei sogenannte Neutrophile, die mit 50 bis 65 Prozent den größten Anteil der weißen Blutkörperchen beim Menschen ausmachen. Die Forschungsgruppe zeigt erstmals, dass Neutrophile regelrecht explodieren, wenn sie an Erreger binden, die in die Atemwege eindringen. Dabei werden die Viren von einem klebrigen Gewirr aus DNA umgeben, das die Erreger wie ein Spinnennetz einfängt.
Entdeckung eröffnet Entwicklung neuer Wirkstoffe
Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Science (PNAS)“ präsentiert. Die Entdeckung ebnet den Forschenden zufolge den Weg für die Entwicklung neuer antiviraler Wirkstoffe, beispielsweise in Form von Nasensprays, die dem Körper bei der Abwehr von Viren helfen könnten. Zudem ermöglichen die Erkenntnisse auch die Forschung an neuartigen Impfstoffen.
Erste Reaktion des Immunsystems stärken
„Impfstoffe könnten diese Antikörper produzieren, die in unseren Lungen vorhanden sind und die erste Art von Antikörpern sind, die Viren wie Influenza oder SARS-CoV-2 sehen, die unsere Lungen und Atemwege infizieren“, erläutert Professor Matthew Miller, der Hauptautor der Studie. Ein Mechanismus, der Erreger bereits an dieser Stelle stoppe, könnte die Ausbreitung im Körper früh unterbinden und schwere Komplikationen verhindern.
Impfstoffe zur nasalen Verabreichung
Im Vergleich dazu seien injizierbare Impfstoffe so konzipiert, dass sie die Antikörper im Blut verstärken. Diese Antikörper seien jedoch an den Stellen, an denen die Infektion beginnt, nicht so weit verbreitet. „Wir sollten über COVID-19-Impfstoffe der nächsten Generation nachdenken, die in die Atemwege verabreicht werden könnten, um Antikörper zu stimulieren“, verdeutlicht Dr. Hannah Stacey aus dem Studienteam. Im Moment gebe es nicht viele Wirkstoff-Kandidaten, die auf diese Immunantwort abzielen.
„Wenn man viele der Antikörper haben will, die im Blut vorkommen, dann macht eine Injektion am meisten Sinn, aber wenn man Antikörper haben will, die im Atemtrakt vorkommen, dann macht ein Spray oder ein Aerosol mehr Sinn“, erklärt Dr. Stacey.
Netzbildung Grund für Atembeschwerden?
Die Forschenden weisen darauf hin, dass der körpereigene „Spinnennetz“-Abwehrmechanismus zwar effektiv Erreger abwehrt, aber auch Schaden wie beispielsweise Entzündungen anrichten kann, insbesondere wenn die Netzbildung unkontrollierbar ausartet. Die Netzbildung könne zum Teil auch für Atembeschwerden verantwortlich sein, die im Zuge einer SARS-CoV-2-Infektion häufig auftreten.
Anwendungszeitpunkt scheint entscheidend zu sein
„Eine Immunreaktion, die Sie schützen soll, kann Ihnen am Ende schaden, wenn sie nicht richtig kontrolliert wird“, betont Miller. Es sei daher wichtig, das Gleichgewicht des Immunsystems zu verstehen. Wenn dieser Antikörper vor einer Infektion oder zu einem sehr frühen Zeitpunkt angewendet wird, könne er wahrscheinlich vor einer weiteren Ausbreitung des Erregers schützen. „Aber wenn die Infektion selbst eine Menge dieser Antikörper stimuliert, könnte es schädlich sein“, resümiert der Forschungsleiter. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- MCMaster University: Researchers discover unique 'spider web' mechanism that traps, kills viruses (veröffentlicht: 29.06.2021), eurekalert.org
- Hannah D. Stacey, Diana Golubeva, Alyssa Posca, et al.: IgA potentiates NETosis in response to viral infection; in: PNAS, 2021, pnas.org
Wichtiger Hinweis:
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