Einfluss seltener Genvarianten auf Typ-2-Diabetes-Risiko
Neueste technische Fortschritte ermöglichten jetzt erstmals im großen Rahmen die Auswirkungen seltener genetischer Varianten auf verschiedene Krankheiten, einschließlich Typ-2-Diabetes zu untersuchen. So konnten seltene Genvarianten identifiziert werden, welche das Risiko für Typ-2-Diabetes um das Sechsfache steigern.
Generell wird angenommen, dass Typ-2-Diabetes zumindest teilweise durch vererbte genetische Faktoren verursacht wird. Dabei sind allerdings viele dieser Gene immer noch nicht bekannt. Bisher durchgeführte groß angelegte Untersuchungen haben sich auf effiziente Array-Genotypisierungs-Methoden verlassen, um genetische Variationen über das gesamte Genom zu messen, doch hat diese Methode gewisse Schwächen. In einer aktuellen Studie unter Beteiligung von Forschenden der University of Cambridge wurde nun ein neuer Ansatz getestet.
Schwächen bisheriger Untersuchungen
Mit der Hilfe des herkömmlichen Ansatzes ließen sich die gemeinsamen genetischen Unterschiede zwischen Menschen zwar eigentlich gut erfassen, allerdings würden diese jeweils nur einen geringen Anstieg des Risikos für Diabetes bewirken, erläutern die Forschenden.
Verbesserte Technik erlaubte jetzt eine weitaus umfassendere genetische Messung durch das Ablesen der kompletten DNA-Sequenzen von über 20.000 Genen, welche für Proteine im Menschen kodieren. Proteine seien essentielle Moleküle, welche das Funktionieren des menschlichen Körpers gewährleisten, so das Team. Dieser neuer Ansatz ermögliche erstmals einen groß angelegten Ansatz zur Untersuchung der Auswirkungen seltener genetischer Varianten auf verschiedene Krankheiten, einschließlich Typ-2-Diabetes.
Genetische Varianten bewirkten Verlust des Y-Chromosoms?
Die Fachleute der University of Cambridge schafften es mit diesem neuen Ansatz anhand der Daten von mehr als 200.000 erwachsenen Menschen genetische Varianten zu identifizieren, welche mit einem Verlust des Y-Chromosoms verbunden sind.
Dies sei ein bekannter Biomarker der biologischen Alterung, welcher in einem kleinen Anteil der zirkulierenden weißen Blutkörperchen bei Männern auftritt und eine Schwächung der zellulären Reparatursysteme des Körpers anzeigt. In der Vergangenheit wurde genau dieser Biomarker bereits mit altersbedingten Krankheiten wie Typ-2-Diabetes und sogar Krebs in Verbindung gebracht, berichten die Forschenden.
Rolle von GIGYF1 bei Typ-2-Diabetes
Das Team identifizierte die seltenen Varianten in einem Gen mit der Bezeichnung GIGYF1, wobei die Varianten die Anfälligkeit für den Verlust des Y-Chromosoms deutlich erhöhten. Außerdem erhöhten diese seltenen Varianten zusätzlich das Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken um das Sechsfache, berichtet das Team über die Ergebnisse der Studie, die im englischsprachigen Fachblatt „Nature Communications“ veröffentlicht wurden.
Genvariante betrifft auch Muskeln und Körperfett
Etwa eine von 3.000 Personen trage eine solche GIGYF1-Genvariante in sich. Das Risiko Typ-2-Diabetes zu entwickeln liege bei solchen Menschen bei etwa 30 Prozent. Dagegen liege das Risiko in der Allgemeinbevölkerung nur bei etwa fünf Prozent, berichtet das Team. Zusätzlich zeigen Personen, welche diese Varianten aufwiesen, auch andere Anzeichen eines stärkeren Alterns, beispielsweise schwächere Muskelkraft und mehr Körperfett.
Da allgemein angenommen wird, dass dass GIGYF1 die Insulin- und Zellwachstumsfaktor-Signalisierung kontrolliert, sind die Forschenden der Meinung, dass ihre Ergebnisse dies als ein potentielles Ziel für zukünftige Studien identifiziert haben, um die gemeinsamen Verbindungen zwischen metabolischer und zellulärer Alterung besser zu verstehen.
Variante selten, aber mit großem Einfluss
„Das Lesen der DNA eines Individuums ist ein leistungsfähiger Weg, um genetische Varianten zu identifizieren, die unser Risiko für die Entwicklung bestimmter Krankheiten erhöhen. Bei komplexen Krankheiten wie Typ-2-Diabetes spielen viele Varianten eine Rolle, die unser Risiko aber oft nur um einen winzigen Betrag erhöhen. Diese spezielle Variante ist zwar selten, hat aber einen großen Einfluss auf das individuelle Risiko“, erklärt Studienautor Dr. John Perry von der MRC Epidemiology Unit der University of Cambridge in einer Pressemitteilung.
„Unsere Ergebnisse unterstreichen das wissenschaftliche Potenzial der Sequenzierung der Genome einer sehr großen Anzahl von Menschen. Wir sind zuversichtlich, dass dieser Ansatz eine reichhaltige neue Ära informativer genetischer Entdeckungen bringen wird, die uns helfen werden, häufige Krankheiten wie Typ-2-Diabetes besser zu verstehen. Dadurch können wir potenziell bessere Wege zur Behandlung – oder sogar zur Vorbeugung – der Krankheit anbieten“, fügt Studienautor Professor Nick Wareham hinzu, der als Direktor der MRC Epidemiology Unit tätig ist.
Weitere Forschung sollte jetzt darauf abzielen, genau zu identifizieren, wie die Funktionsverlust-Varianten in GIGYF1 zu einem so erheblichen Anstieg des Risikos für die Entwicklung von Typ-2-Diabetes führen. Das Team plant bei zukünftigen Untersuchungen auch andere Verbindungen zwischen Biomarkern des biologischen Alterns bei erwachsenen Personen und Stoffwechselstörungen zu analysieren. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- University of Cambridge: Rare genetic variants confer largest increase in type 2 diabetes risk seen to date (veröffentlicht 07.07.2021), University of Cambridge
- Yajie Zhao, Stasa Stankovic, Mine Koprulu, Eleanor Wheeler, Felix R. Day et al.: GIGYF1 loss of function is associated with clonal mosaicism and adverse metabolic health, in Nature Communications (veröffentlicht 07.07.2021), Nature Communications
Wichtiger Hinweis:
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