Darmkrebs: Neue Ansätze für die Therapie
Darmkrebs gehört hierzulande zu den häufigsten Krebserkrankungen. Bei Betroffenen wird häufig eine Operation notwendig. Zudem kommen weitere Behandlungen wie eine Bestrahlung oder Chemotherapie infrage. Und auch Krebsmedikamente werden eingesetzt. Forschende haben nun bei ihrer Suche nach neuen Ansätzen für die Darmkrebstherapie einen Angriffspunkt für besonders aggressiven Darmkrebs entdeckt.
Darmkrebs ist bundesweit die zweithäufigste Tumorerkrankung bei Frauen und die dritthäufigste bei Männern. Oft bilden Tumoren des Darms gefährliche Metastasen in anderen Organen aus. Ein Forschungsteam unter Leitung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Dresden und Heidelberg und vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) hat nun einen neuen molekularen Angriffspunkt gegen besonders aggressive Formen von Darmkrebs entdeckt. Die Forschungsergebnisse können als Grundlage für die Entwicklung neuer Wirkstoffe gegen Darmkrebs dienen.
Grundlage für Entwicklung neuer Medikamente
Wie es in einer Mitteilung heißt, erhalten rund 58.000 Menschen in Deutschland jedes Jahr die Diagnose Darmkrebs. Ganz besonders für weit fortgeschrittene Darmkrebserkrankungen mit nicht-operablen Metastasen werden dringend neue Therapien benötigt.
Die Forschenden haben jetzt mit dem Proteinkomplex Cyclin K/CDK12 eine Struktur identifiziert, an der sich die Tumorzellen besonders aggressiver Darmkrebsformen sehr gezielt angreifen lassen.
„Dies ist eine wichtige Grundlage, um künftig neue Medikamente für Patienten mit Darmkrebs zu entwickeln oder vorhandene CDK12-Inhibitoren auf ihre Wirksamkeit gegen diese Tumoren zu testen“, erläutert Prof. Hanno Glimm, einer der geschäftsführenden Direktoren am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC), der neben seiner dortigen Abteilung auch eine Forschungsgruppe am DKFZ in Heidelberg leitet.
Das NCT/UCC ist eine gemeinsame Einrichtung des DKFZ, des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden, der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR).
Die erzielten Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Cell reports“ veröffentlicht.
Ein Stoff erwies sich als besonders wirkungsvoll
Bei ihrer Suche nach neuen Ansätzen für die Darmkrebstherapie züchteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Labor aus patienteneigenen Tumorzellen dreidimensionale Modelle, die den Aufbau und das Zusammenspiel unterschiedlicher Zellen in menschlichen Darmtumoren besonders gut repräsentieren.
Hierbei bildeten insgesamt 24 unterschiedliche 3D-Zellkulturen (Sphäroide) wichtige genetische Unterformen von Darmkrebs ab. An diesen Modellen testeten die Forschenden die Wirksamkeit von 80.000 Substanzen. Ein Stoff erwies sich bei diesem Screening als besonders wirkungsvoll, der den Abbau von Cyclin K und CDK12 auslöste.
Den Angaben zufolge ist das Protein CDK12 seit kurzem als möglicher Angriffspunkt für verschiedene Tumorarten ins Blickfeld der Forschung gerückt. Dieser Zusammenhang wurde für Darmkrebs bislang nicht erforscht.
CDK12 reguliert im Verbund mit Cyclin K wichtige DNA-Reparaturmechanismen in Krebszellen. Wenn der Cyclin K/CDK12-Komplex vermehrt abgebaut wird, kann dies dazu führen, dass Zellen DNA-Schäden anhäufen und absterben.
Effektiv gegen das Tumorwachstum
Wie in der Mitteilung erklärt wird, war die Inaktivierung von Cyclin K/CDK12 bei einem Teil der Darmkrebs-3D-Zellmodelle besonders wirksam. Diese wiesen laut den Fachleuten genetische Veränderungen auf, die mit einer besonders schlechten Prognose und hohen Wahrscheinlichkeit für Metastasen verbunden sind (molekularer Subtyp 4).
Weitere Zellexperimente zeigten dann, dass sich Cyclin K/CDK12 sehr spezifisch angreifen lässt, ohne dass andere Eiweißstoffe beeinflusst werden, deren Hemmung zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führen kann.
„Diese sehr spezifische Möglichkeit der Adressierung ist für uns von hoher Relevanz. Sie erhöht die Chance, dass klinisch anwendbare Substanzen, die den Abbau von Cyclin K und CDK12 auslösen, künftig bei einer klar definierten Gruppe von Patienten mit besonders schlechter Prognose hoch wirksam und gut verträglich sein könnten“, so Prof. Glimm.
Zudem deuteten weitere Experimente darauf hin, dass die Hemmung von CDK12 auch in Kombination mit in der Darmkrebs-Therapie gängigen Chemotherapeutika effektiv gegen das Tumorwachstum wirkt.
Neu entdeckter molekularer Klebstoff
Darüber hinaus fanden die Forscherinnen und Forscher heraus, dass es sich bei der im Zellexperiment erfolgreichen, bislang uncharakterisierten Substanz zur Cyclin K/CDK12-Inaktivierung um einen Wirkstoff aus der neuartigen Substanzklasse der molekularen Klebstoffe handelt.
Den Angaben zufolge greifen molekulare Klebstoffe Krebszellen über einen innovativen Mechanismus an: Anders als vorhandene Medikamente hemmen sie krebstreibende Strukturen oder deren Aktivität nicht direkt, sondern führen sie der zelleigenen Eiweißabbaumaschinerie zur Entsorgung zu.
Bislang sind aus der Gruppe der molekularen Klebstoffe nur wenige Vertreter bekannt. „Unsere neu entdeckte Substanz belegt erneut die hohe Effektivität dieser neuen Wirkstoffklasse. Wir gehen davon aus, dass sich in Zukunft mit molekularen Klebstoffen Zielstrukturen hemmen lassen, die mit bisherigen Medikamenten nicht angreifbar sind“, erklärt Erstautor Dr. Sebastian Dieter.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen den neu entdeckten molekularen Klebstoff künftig nach Möglichkeit so verändern, dass er als klinisch anwendbarer Wirkstoff genutzt werden kann. Alternativ sollen ähnliche Substanzen mit gleichem Wirkmechanismus erforscht werden. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC): Neuer Angriffspunkt für aggressiven Darmkrebs entdeckt, (Abruf: 24.07.2021), Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC)
- S. M. Dieter, C. Siegl, P. L. Codó, et al.: Degradation of CCNK/CDK12 is a druggable vulnerability of colorectal cancer; in: Cell reports, (veröffentlicht: 20.07.2021), Cell reports
Wichtiger Hinweis:
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