Corona-Variante macht es dem Immunsystem schwer
In den vergangenen Monaten sind weltweit zahlreiche Varianten des Coronavirus SARS-CoV-2 aufgetaucht. Manche sind deutlich ansteckender und können sich daher schneller verbreiten. Eine davon ist die zuerst in Indien aufgetauchte Variante B.1.617. Laut neuen Erkenntnissen kann diese bestimmte Lungen- und Darmzelllinien besser infizieren als das Ursprungsvirus und sie wird weniger gut durch Antikörper gehemmt.
Bislang wurden weltweit mehr als 193 Millionen Menschen positiv auf das Coronavirus SARS-CoV-2 getestet (Stand: 24.07.2021). Und die Zahl der Infektionen steigt weiter an. Verbreitet sind inzwischen vor allem verschiedene Varianten des ursprünglichen Erregers. Eine davon ist die zuerst in Indien aufgetauchte Variante B.1.617. Diese macht es dem Immunsystem besonders schwer.
Raschere Ausbreitung möglich
Das Coronavirus SARS-CoV-2 stellt die Menschheit immer noch vor große Herausforderungen, schreibt das Deutsche Primatenzentrum GmbH – Leibniz-Institut für Primatenforschung (DPZ) in einer aktuellen Mitteilung.
Die häufige Entstehung von Mutanten macht die Bedrohung durch den Erreger schwer vorhersehbar. Die SARS-CoV-2-Variante B.1.617 hat sich in Indien ausgebreitet und die Delta-Variante, B.1.617.2, hervorgebracht, die jetzt in vielen Ländern auf dem Vormarsch ist.
Infektionsforscherinnen und -forscher vom Deutschen Primatenzentrum (DPZ) – Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen haben die bisher weniger bekannte Ausgangsvariante B.1.617 genauer untersucht.
In Zellkulturstudien haben die Forschenden herausgefunden, dass die Virusvariante bestimmte Lungen- und Darmzelllinien besser infizieren kann als das Ursprungsvirus. Zudem konnten sie nachweisen, dass B.1.617 von Antikörpern aus dem Blut von genesenen oder geimpften Personen sowie durch einen therapeutischen Antikörper weniger gut gehemmt wird.
Dies könnte dazu führen, dass sich B.1.617 und seine Subtypen zukünftig rasch ausbreiten und dass unvollständig geimpfte Personen sowie Menschen mit abnehmendem Immunschutz einem im Vergleich zu anderen, aktuell zirkulierenden, Virusvarianten erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt sind.
Die Ergebnisse der Fachleute wurden in der Fachzeitschrift „Cell Reports“ veröffentlicht.
Mutationen im Spike-Protein
Wie in der Mitteilung erklärt wird, wird das Spike-Protein in die Hülle von SARS-CoV-2 eingebaut und vermittelt den Eintritt des Virus in Wirtszellen. Nur so kann sich das Coronavirus im Körper vermehren.
Die derzeit bekannten Virusvarianten weisen allesamt verschiedene Mutationen im Spike-Protein auf, die es ihnen teilweise erleichtern, Wirtszellen zu infizieren und sich der Kontrolle durch das Immunsystem Infizierter zu entziehen.
Den Angaben zufolge trägt die B.1.617-Variante acht verschiedene Mutationen im Spike-Protein, darunter zwei innerhalb der Rezeptorbindedomäne, die für die Anheftung von Viren an Zellen essentiell ist und das Hauptziel von neutralisierenden Antikörpern darstellt.
Gegen einen Antikörper vollkommen resistent
Ein Team um Markus Hoffmann und Stefan Pöhlmann, Infektionsforscher am DPZ, sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Universitätsklinikums Göttingen, der Universität Erlangen und der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), hat untersucht, welche Auswirkungen die Mutationen auf die Fähigkeit der B.1.617-Variante haben, in Wirtszellen einzudringen und wie effizient die Antikörperantwort in Geimpften und Genesenen diese Variante hemmt.
Die Forschenden analysierten zunächst den Wirtszelleintritt der B.1.617-Variante in verschiedene menschliche Zelllinien. Bei zwei Zelllinien, die aus Lungen- sowie Darmgewebe stammten, konnten die sie eine um 50 Prozent erhöhte Eintrittseffizienz des Virus nachweisen.
Zudem untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Wirksamkeit vier verschiedener therapeutischer Antikörper, die für die Behandlung von COVID-19-Erkrankten zugelassen wurden.
Dabei stellten sie fest, dass die B.1.617-Variante gegen einen dieser Antikörper vollkommen resistent war und von einem weiteren Antikörper etwas schlechter gehemmt wurde.
Als dritten Schritt überprüften die Forscherinnen und Forscher die Wirksamkeit von Antikörpern aus dem Blut genesener und geimpfter Menschen. Hier zeigte sich eine zwei- bis dreifach reduzierte Schutzwirkung gegen die B.1.617-Variante.
Alle Impfwilligen vollständig immunisieren
„Unsere Studie deutet darauf hin, dass die Virusvariante durch ihre Mutationen Lungen- und Darmzellen effizienter infizieren kann und daher vermutlich eine höhere Fitness aufweist“, sagt Markus Hoffmann, Erstautor der Studie.
„Außerdem ist die Schutzwirkung von Antikörpern eingeschränkt, da diese den Zelleintritt von B.1.617 schwächer blockieren als den des Ursprungsvirus. Unvollständig geimpfte Personen und Personen mit länger zurückliegender Infektion, die nur noch geringe Mengen an Antikörpern produzieren, haben daher wahrscheinlich nur einen geringen Schutz vor einer Infektion mit der B.1.617-Variante.“
Stefan Pöhlmann, Leiter der Abteilung Infektionsbiologie am DPZ fügt an: „Es ist ratsam, rasch alle impfwilligen Personen mit den vorhandenen Impfstoffen vollständig zu immunisieren, um dadurch eine weitere Ausbreitung der B.1.617-Variante, insbesondere ihres Subtyps Delta, zu verhindern und der Entstehung neuer Virusvarianten vorzubeugen.“
Und weiter: „Außerdem muss untersucht werden, ob Auffrischungsimpfungen mit bestehenden oder optimierten, auf die aktuellen Varianten ausgerichteten, Impfstoffen einen langanhaltenden und breiten Schutz bieten.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsches Primatenzentrum GmbH - Leibniz-Institut für Primatenforschung: SARS-CoV-2-Variante B.1.617 macht es dem Immunsystem schwer, (Abruf: 24.07.2021), Deutsches Primatenzentrum GmbH - Leibniz-Institut für Primatenforschung
- Hoffmann M, Hofmann-Winkler H, Krüger N, Kempf A, Nehlmeier I, Graichen L, Arora P, Sidarovich A, Moldenhauer A-S, Winkler MS, Schulz S, Jäck H-M, Stankov MV, Behrens GMN, Pöhlmann S, et al.: SARS-CoV-2 variant B.1.617 is resistant to bamlanivimab and evades antibodies induced by infection and vaccination; in: Cell Reports, (veröffentlicht: 28.06.2021), Cell Reports
Wichtiger Hinweis:
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