Viren: Spuren noch lange nach der Infektion
Nicht alle Viren, die den Menschen befallen, machen uns tatsächlich krank. Dennoch gibt es wichtige Krankheiten, die durch solche Erreger ausgelöst werden. Bislang wurde davon ausgegangen, dass bestimmte Viren dauerhaft in den befallenen Körperzellen verweilen. Doch dem ist nicht so, wie Forschende aus der Schweiz nun berichten.
Viren töten die befallenen Körperzellen nicht immer. Forscherinnen und Forscher der Universität Basel haben in Versuchen mit Mäusen festgestellt, dass Zellen über Selbstheilungskräfte verfügen, um Viren zu eliminieren. Doch sie tragen langfristige Veränderungen davon. Die Erkenntnisse liefern womöglich einen Hinweis darauf, warum geheilte Hepatitis-C-Patientinnen und -Patienten noch jahrelang anfällig für Leberkrebs sind.
Nicht alle Viren töten befallene Zelle ab
Wie in einer Mitteilung der Uni Basel erklärt wird, brauchen Viren die Infrastruktur von Körperzellen, um sich zu vermehren. Bei vielen Virusarten bedeutet dies für die befallene Zelle letztlich das Ende, wenn sich ihre Membran auflöst und die neu gebauten Viren ausschwärmen, um neue Zellen zu befallen.
Es gibt jedoch auch Viren, die die befallenen Zellen nicht abtöten – vermutlich mit dem Ziel, die Infektion möglichst lange aufrechtzuerhalten. Dazu zählen zum Beispiel die Hepatitis B- und C-Viren, die beim Menschen chronische Infektionen auslösen.
Bisher wurde grundsätzlich davon ausgegangen, dass solche Viren dauerhaft in den befallenen Körperzellen verweilen. Ein Forschungsteam um Prof. Dr. Daniel Pinschewer von der Universität Basel berichtet jetzt jedoch in der Fachzeitschrift „Journal of Experimental Medicine“, dass dem nicht so ist.
Für ihre Experimente verwendeten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Maus-Virus namens Lymphozytisches Choriomeningitis-Virus (LCMV), das bei Mäusen – ähnlich dem Verlauf bei Hepatitis C – eine chronische Infektionen auslöst und auch die Leber befällt.
Fortlaufender Befall neuer Zellen
Die Forschenden konnten mit diesem Tiermodell nachweisen, dass das Virus nach einer gewissen Zeit wieder aus den befallenen Leberzellen verschwindet. Wie genau das geschieht, ist noch ungeklärt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten aber ausschließen, dass die Zellen dafür die Unterstützung von Immunzellen brauchen.
„Die Leberzellen scheinen selbst über einen Mechanismus zu verfügen, ein Virus aus ihrem Inneren zu entfernen“, erläutert Dr. Peter Reuther, einer der beiden Erstautoren dieser Studie. Die chronische Infektion durch solche Erreger beruhe also auf einem fortlaufenden Befall neuer Zellen.
Die Infektion geht trotz der erstaunlichen Selbstheilungskräfte der Zellen nicht spurlos an ihnen vorbei. Weitere Analysen zeigten, dass das genetische Profil der geheilten Zellen verändert blieb: Es wurden nicht mehr die gleichen Gene in gleicher Menge abgelesen wie bei Zellen, die keine Infektion durchgemacht hatten.
Besonders betroffen von der Veränderung waren laut den Fachleuten Gene in Zusammenhang mit der Zellteilung und dem Zellstoffwechsel. Wie lange diese Veränderungen fortbestehen, ist jedoch noch unklar.
Erhöhtes Krebsrisiko bei Geheilten
„Wir sehen da starke Parallelen mit anderen Studien bei geheilten Hepatitis C-Patienten. Ihre ehemals infizierten Leberzellen weisen Veränderungen am Erbgut auf, die die genetischen Programme beeinflussen“, so Dr. Katrin Martin, ebenfalls Erstautorin der Arbeit.
Dies lasse stark vermuten, dass sich die jetzt an Mäusen gewonnenen Erkenntnisse zumindest in wichtigen Punkten auf den Menschen übertragen ließen. „Man könnte spekulieren, dass diese langfristigen Veränderungen eine Ursache dafür sind, dass geheilte Hepatitis C-Patienten ein erhöhtes Leberkrebsrisiko haben.“
In weiteren Studien möchten die Forscherinnen und Forscher nun zum einen prüfen, ob solche Veränderungen an Genprogrammen nach vorübergehenden Virusinfektionen auch Zellen anderer Organe betreffen. Des Weiteren wollen sie den Mechanismus aufklären, wie es den Körperzellen gelingt, Viren wieder loszuwerden.
„Aus medizinischer Sicht stellen sich nun zwei Fragen“, sagt Pinschewer. „Wie kann man verhindern, dass sich diese Viren bei einer chronischen Infektion von Zelle zu Zelle fortpflanzen und somit eine Vielzahl an Zellen beeinträchtigen? Und kann man die Veränderungen des genetischen Profils rückgängig machen und dadurch Folgeschäden verhindern?“
Die Frage nach langfristigen Veränderungen nach einer Virusinfektion betreffe nicht zuletzt auch andere Indikationen, wie beispielsweise Asthma und Long-Covid. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universität Basel: Viren hinterlassen ihre Spuren auch lange nach der Infektion, (Abruf: 24.08.2021), Universität Basel
- Peter Reuther, Katrin Martin, Mario Kreutzfeldt, Matias Ciancaglini, Florian Geier, Diego Calabrese, Doron Merkler & Daniel D. Pinschewer: Persistent RNA virus infection is short-lived at the single-cell level but leaves transcriptomic footprints; in: Journal of Experimental Medicine, (veröffentlicht: 16.08.2021), Journal of Experimental Medicine
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.