Lungenerkrankung: COPD-Betroffene optimal behandeln
Die chronisch obstruktive Lungenkrankheit (COPD), die umgangssprachlich auch als Raucherhusten oder Raucherlunge bezeichnet wird, ist eine fortschreitende und bislang nicht heilbare Erkrankung der Lunge. Dank neuer Erkenntnisse können Betroffene künftig besser behandelt werden.
Menschen, die an COPD erkrankt sind, erhalten Medikamente zur Verbesserung der Atmungsfähigkeit kombiniert mit Kortikosteroiden, die das Risiko einer akuten Verschlechterung der Lunge verringern. Die Balance zwischen dieser Verringerung und der Zunahme schädlicher Nebenwirkungen hängt von der Dosierung und Merkmalen der Erkrankten ab, wie Forschende der Universität Zürich jetzt zeigen. Dank den neuen Erkenntnissen können COPD-Betroffene gezielter behandelt werden.
Dauerhafte Verengung der Atemwege
Wie in einer aktuellen Mitteilung der Universität Zürich (UZH) erklärt wird, leiden Patientinnen und Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) unter einer dauerhaften Verengung der Atemwege, was die Atmung erschwert.
Diese Verengung wird durch eine Entzündung der kleinen Atemwege verursacht, die zu Schleimproduktion führt und das Lungengewebe zerstört. Kortikosteroide zum Inhalieren werden in der Regel in Kombination mit lang wirkenden Bronchodilatatoren eingesetzt, um bei COPD-Erkrankten eine akute Verschlechterung des Lungenzustands zu verhindern.
Während Kortikosteroide eine Entzündung beziehungsweise eine Zustandsverschlechterung reduzieren, verbessern Bronchodilatatoren die Atmung, indem sie die Bronchien erweitern.
Schädliche Nebenwirkungen
Schon seit Jahren wird über den Einsatz von Kortikosteroiden bei der sehr heterogenen Gruppe von COPD-Patientinnen und -Patienten debattiert. Zwar wird in Leitlinien ein personalisierter Behandlungsansatz vorgeschlagen, doch diese bleiben recht vage, weil unklar ist, für wen der Nutzen die schädlichen Nebenwirkungen überwiegt.
Eine in der Fachzeitschrift „The Lancet Digital Health“ veröffentlichte Studie unter der Leitung von Henock Yebyo, Postdoktorand am Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der UZH, bringt nun Licht in diese Frage.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass drei Hauptfaktoren die Balance zwischen Therapienutzen und Nebenwirkungen unterschiedlich dosierter Kortikosteroide beeinflussen: das Risiko einer akuten Verschlechterung, die Menge bestimmter Blutzellen und das Alter des Patienten“, erläutert Erstautor Yebyo.
Nutzen-Risiko-Verhältnis
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler berücksichtigten zahlreiche Merkmale von Therapien und Erkrankten, die einen Einfluss auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis haben.
Die Forschenden führten umfassende statistische Analysen durch, um zu berechnen, wie hoch das Risiko für akute Verschlechterungen bei den Patientinnen und Patienten sein muss, damit der Nutzen, dieses Risiko zu reduzieren, die Nebenwirkungen überwiegt: eine schwere Lungenentzündung, Pilzbefall der Mundschleimhaut und Heiserkeit.
Sie fanden heraus, dass Erkrankte von niedrig bis mittelstark dosierten Kortikosteroiden nicht profitieren, wenn ihr Risiko, in den nächsten zwei Jahren eine akute Verschlechterung zu erleiden, weniger als 32 Prozent beträgt. Was typischerweise jene Betroffene sind, deren Lungenzustand in der Vergangenheit stabil war.
Die Dosierung der Kortikosteroide wurde in den Leitlinien bisher nicht berücksichtigt. Die neue Studie zeigt jetzt deutlich, dass hohe Dosen mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden sind, die den Nutzen nicht rechtfertigen.
Patientinnen und Patienten über 80 Jahren profitieren von der Therapie ebenfalls kaum, da ihr Risiko, eine Lungenentzündung zu entwickeln, höher ist als die Verringerung einer akuten Verschlechterung. Erkrankte mit größeren Mengen bestimmter, für Asthma typischer Blutzellen –sogenannte Eosinophile – profitieren dagegen eher.
„Klare und nützliche Empfehlungen“
Als die Forschenden ihre Ergebnisse anhand von Daten von zwei Erkranktengruppen aus der Schweiz und den Niederlanden überprüften, zeigte sich, dass einige Patientinnen und Patienten mit Kortikosteroiden überbehandelt werden, während andere unterbehandelt werden.
„Unsere Ergebnisse führen nicht unbedingt dazu, dass weniger Kortikosteroide eingesetzt werden. Aber sie helfen, die Über- und Unterversorgung zu minimieren, indem die Therapie hinsichtlich Dosierung und Patientenmerkmalen zugeschnitten wird“, erläutert Henock Yebyo.
Die Präzisionsmedizin wird häufig auf einzelne Faktoren wie einen genetischen Marker reduziert, doch die Realität ist meist komplizierter.
Mit ihrem systematischen Ansatz haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler drei Kategorien von Faktoren, die das Behandlungsergebnis beeinflussen, berücksichtigt und sie umfassend kombiniert: Faktoren, die Behandlungseffekte verändern, Faktoren, die mit den Risiken für Nutzen und Nebenwirkungen ohne Behandlung verbunden sind, und Patientenpräferenzen.
„Unsere Studie dient als Beispiel dafür, wie die Komplexität der Nutzen-Schaden-Balance systematisch angegangen werden kann, damit medizinische Richtlinien klare und nützliche Empfehlungen für personalisierte Behandlungen geben können“, so UZH-Professor Milo Puhan. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universität Zürich: Patienten mit chronischer Lungenerkrankung optimal behandeln, (Abruf: 25.08.2021), Universität Zürich
- Yebyo HG, Braun J, Menges D, Riet Gt, Sadatsafavi M, Puhan MA: Personalising add-on treatment with inhaled corticosteroids in patients with chronic obstructive pulmonary disease: a benefit-harm modelling study; in: The Lancet Digital Health, (veröffentlicht: 25.08.2021), The Lancet Digital Health
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.