Spezieller Botenstoff schützt vor atherosklerotischen Herzerkrankungen
Atherosklerose, umgangssprachlich auch als Arterienverkalkung bezeichnet, ist ein maßgeblicher Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie einen Herzinfarkt oder Schlaganfall. Bisher bleiben die therapeutischen Optionen gegen die Atherosklerose jedoch begrenzt. Dies könnte sich dank eines speziellen Botenstoffs in Zukunft möglicherweise ändern.
Der Botenstoff namens „A Proliferation Inducing Ligand (APRIL)“ scheint einen wesentlichen Schutz vor der Entstehung atherosklerotischer Plaques zu bieten, berichtet ein Forschungsteam der Medizinischen Universität Wien, der Université de Lausanne (Schweiz) und der University of Cambridge (England) von seinen neuen Studienergebnisse. Veröffentlicht wurden diese in dem Fachmagazin „Nature“.
Aufbau atherosklerotischer Plaques
„Atherosklerose ist eine chronisch entzündliche Gefäßerkrankung, die ursächlich für die Entstehung von Herzinfarkten und Schlaganfällen verantwortlich und damit die weltweit häufigste Todesursache ist“, erläutert die MedUni Wien in einer Pressemitteilung zu den aktuellen Studienergebnissen. Gekennzeichnet werde die Atherosklerose in erster Linie durch die Ablagerung von LDL-Cholesterin und die Ansammlung von Entzündungszellen in der Innenwand der Gefäße, was in weiterer Folge zum Aufbau atherosklerotischer Plaques führe.
Einfluss von APRIL untersucht
Das Forschungsteam konnte nun in Versuchen an Mäusen nachweisen, dass die Tiere Atherosklerose entwickelten, wenn sie kein APRIL exprimieren. Auch habe die Injektion von APRIL-neutralisierenden Antikörpern zur Entstehung größerer atherosklerotischer Plaques geführt.
Da APRIL an Immunrezeptoren bindet, die hauptsächlich an der Oberfläche von B-Lymphozyten exprimiert werden und dadurch die Produktion von Antikörpern und das Überleben Antikörper-produzierender Zellen reguliert, gingen die Forschenden ursprünglich davon aus, dass APRIl durch die Beeinflussung der B-Lymphozyten vor der Entstehung der atherosklerotischen Ablagerungen in den Gefäßen schützt.
„Diese Hypothese stellte sich jedoch als falsch heraus. Wir haben uns daher einer anderen – weniger bekannten – nicht-immunologischen Eigenschaft von APRIL zugewandt, nämlich dessen Eigenschaft, sogenannte Proteoglykane zu binden“, erklärt der Erstautor der Studie Dimitros Tsiantoulas von der MedUni Wien. So stellten die Forschenden fest, dass APRIL in großen Mengen von Arterien selbst produziert wird und dort das Proteoglykan Perlecan (oder Heparan Sulfate Proteoglycan 2) bindet, das als großes Molekül einen wesentlichen Bestandteil der inneren Schicht von Arterien bildet.
Schutzwirkung durch Einfluss auf Proteoglykane
In weiteren Versuchen konnte gezeigt werden, dass die Verabreichung eines APRIL-neutralisierenden Antikörpers Mäusen, die eine Form von Perlecan exprimieren, welche APRIL nicht bindet, keinen Effekt mehr auf die Entstehung atherosklerotischer Plaques hatte. „Diese Daten zeigen eindeutig, dass die protektive Wirkung von APRIL in der Atherosklerose durch seine Eigenschaft, Proteoglykane in Arterien zu binden, vermittelt wird“, betont der Senior-Autor der Studie Professor Christoph Binder von der MedUni Wien.
Aus führen Forschungsarbeiten war bereits bekannt, dass Perlecan die Ablagerung von LDL-Cholesterin in der Gefäßwand fördert, was der aktuellen Studie zufolge durch APRIL reduziert wird. Die Forschenden konnten zudem einen spezifischen Antikörper identifizieren, der die Bindung von APRIL an Proteoglykane verstärkt und dadurch die Entstehung von Atherosklerose in Mäusen hemmte, berichtet die MedUni Wien.
Neue therapeutische Optionen?
Das Forschungsteam hat darüber hinaus die Bedeutung von APRIL für atherosklerotische Gefäßerkrankungen bei Menschen untersucht und dabei eine weitere, bisher unbekannte Form von APRIL im menschlichen Blut entdeckt, die sie als „non-canonical APRIL“ (nc-APRIL) bezeichnen. Im Unterschied zur bekannten Form von APRIL, welche die Forschenden nun als „canonical APRIL“ (c-APRIL) benennen, bindet nc-APRIL ausschließlich Proteoglykane und nicht Immunrezeptoren, so die Mitteilung der MedUni Wien.
„Durch die Analyse von mehr als 3.000 Patienten-proben konnten wir zeigen, dass die Blutspiegel von nc-APRIL das Risiko der Mortalität aufgrund kardiovaskulärer Erkrankungen vorhersagen. Das ist ein starker Hinweis dafür, dass die Bindung von APRIL an Proteoglykane auch eine wesentliche Rolle bei atherosklerotischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen beim Menschen spielt“, so Professor Binder.
„Die Entwicklung von Therapien, die die Bindung von APRIL an Proteoglykane erhöhen, könnte einen neuartigen Ansatz zur Behandlung atherosklerotischer Herz-Kreislauf-Erkrankungen darstellen“, resümiert Studienerstautor Tsiantoulas. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Medizinische Universität Wien: Botenstoff APRIL schützt vor atherosklerotischen Herzerkrankungen (veröffentlicht 26.08.2021), meduniwien.ac.at
- Dimitrios Tsiantoulas, Mahya Eslami, Georg Obermayer, Marc Clement, Diede Smeets, Florian J. Mayer, Máté G. Kiss, Lennart Enders, Juliane Weißer, Laura Göderle, Jordi Lambert, Florian Frommlet, André Mueller, Tim Hendrikx, Maria Ozsvar-Kozma, Florentina Porsch, Laure Willen, Taras Afonyushkin, Jane E. Murphy, Per Fogelstrand, Olivier Donzé, Gerard Pasterkamp, Matthias Hoke, Stefan Kubicek, Helle F. Jörgensen, Nicolas Danchin, Tabassome, Simon, Hubert Scharnagl, Winfried März, Jan Borén, Henry Hess, Ziad Mallat, Pascal Schneider, Christoph J. Binder: APRIL limits atherosclerosis by binding to heparan sulfate proteoglycans; in: Nature (veröffentlicht 25.08.2021), nature.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.