Ist die Zell-Ordnung das Geheimnis der regenerativen Medizin?
Feng Shui ist eine Lehre aus China, mit dem Ziel, in Harmonie mit der Umgebung zu leben. Wie ein deutsches Forschungsteam nun zeigt, wenden Zellen im Organismus ein ähnliches Prinzip an. Dabei orientieren sie sich an mechanischen und elektrischen Reizen, um einen gesunden Organismus zu erschaffen. „Unharmonische“ Reize können dem Forschungsteam zufolge sogar Krankheiten wie Krebs begünstigen.
Forschende der Technischen Universität Dresden wollen an embryonalen Stammzellen der Maus nachvollziehen, wie die Zellen während der Entwicklung des Nerven- und Herz-Kreislauf-Systems lernen, auf mechanische Kräfte und elektrische Signale zu reagieren, und wie solche biophysikalische Signale Gesundheit oder Krankheit beeinflussen. Die Forschungsgruppe bezeichnet diesen Vorgang umgangssprachlich als „Zell-Feng Shui“.
Jede Zelle orientiert sich an Reizen
Wie die Arbeitsgruppe berichtet, wird jede Zelle in einem lebenden Organismus von physikalischen Reizen wie mechanischen Kräften, elektrischen Reizen und chemischen Signalen beeinflusst. In Abhängigkeit von der Funktion und der Umgebung erfahren die Zellen auf diese Weise unterschiedliche Auswirkungen in Bezug auf Stärke und Dynamik der einwirkenden Kraft.
Zellen treffen Entscheidungen anhand von Reizen
„Die Fähigkeit der Zellen, auf der Grundlage lokaler physikalischer Signale zuverlässige Entscheidungen zu treffen, ist für die Entwicklung eines Organismus und die Aufrechterhaltung der Gesundheit von wesentlicher Bedeutung“, erklärt Assistenzprofessorin Dr. Adele Doyle, die Leiterin der Arbeitsgruppe, in einer Pressemitteilung zu dem neuen Forschungsansatz. Im Krankheitsfall könne es passieren, dass sich bekannte physikalische Reize verändern, oder Zellen die Fähigkeit verlieren, angemessen auf lokale physikalische Reize zu reagieren.
Was ist die Mechano-Signaltransduktion?
„Bei Krebs beispielsweise führen Veränderungen in der sogenannten Steifigkeit des Gewebes zu unerwünschter Zellwucherung und -bewegung“, erläutert Doyle weiter. Die Art und Weise, wie Zellen die physikalischen Eigenschaften ihrer Umgebung wahrnehmen, werde als Mechano-Signaltransduktion bezeichnet. Dieser Prozess gelte noch als nicht ausreichend verstanden.
Mithilfe neuer Methoden will das Forschungsteam untersuchen, wie sich die Mechano-Signaltransduktion auf die erfolgreiche Embryonalentwicklung und den Gleichgewichtszustand eines Organismus auswirkt. Dazu nimmt die Arbeitsgruppe präzise und empfindliche molekulare Messungen in lebenden Zellen vor. Unterstützt wird die Forschung durch computergestützte Werkzeuge zur Analyse experimenteller Daten, um zu modellieren, wie Zellen Entscheidungen treffen.
Tieferer Zugang zur regenerativen Medizin
Ziel der Forschungsgruppe ist es, diesen Prozess besser zu beleuchten. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten, dass in diesem Vorgang wichtige grundlegende Erkenntnisse der regenerativen Medizin verborgen sind. Dies soll in Zukunft Therapien für schwerwiegende und chronische Krankheiten eröffnen, für die es derzeit nur begrenzte Behandlungsmöglichkeiten gibt.
„Letztlich ist es unser Ziel, unsere Forschung in den klinischen Kontext zu überführen und die aus der Grundlagenforschung gewonnenen Erkenntnisse in klinische Therapiekonzepte einfließen zu lassen“, so die Forschungsleiterin. Ihr Team habe sich auf neuronale und kardiovaskuläre Systeme spezialisiert.
Schnittstelle der Wissenschaften
„Unsere Forschung befindet sich an der Schnittstelle zwischen physikalischen Wissenschaften, wie Ingenieurwesen und Physik, Naturwissenschaften, wie Chemie und Biologie sowie Medizin und Computerwissenschaften“, betont Dr. Doyle. Die Forschenden wollen über den interdisziplinären Ansatz herausfinden, wie physikalische Signale Veränderungen in zellinternen molekularen Schaltkreisen und folglich im Zellverhalten auslösen. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Technische Universität Dresden: ZELL-FENG SHUI: WIE DIE EINHEIT VON PHYSIKALISCHEN UND BIOCHEMISCHEN REIZEN GESUNDE ORGANISMEN ERMÖGLICHT (veröffentlicht: 30.08.2021), tu-dresden.de
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