Unterschiede im Fettstoffwechsel von Darmkrebszellen belegt
Darmkrebs gehört zu den häufigeren Krebserkrankungen hierzulande. Forschende haben nun eine molekulare Achillesferse von Krebszellen entdeckt. Die Erkenntnisse über diese Schwachstelle könnten zu einem Ansatz für neue Therapien beitragen.
Fachleuten zufolge erkranken in Deutschland jedes Jahr rund 60.000 Menschen neu an Darmkrebs. Für diese Krebserkrankung stehen unterschiedliche Behandlungsverfahren zur Verfügung: Eine wichtige Rolle spielen Operation, Chemotherapie, Bestrahlung und die Behandlung mit zielgerichteten Medikamenten. Forschende berichten nun über einen möglichen neuen Ansatzpunkt für Therapien.
Tumor „aushungern“
Woher zieht ein bösartiger Tumor die Energie, die er braucht, um immer weiter wachsen zu können? Dies ist eine zentrale Frage der Krebsforschung, heißt es in einer aktuellen Mitteilung des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM).
Denn wenn man die Energiequelle kennt, könnte man dem Tumor vielleicht die Zufuhr abschneiden, ihn sozusagen „aushungern“. Die Grundlagen genau dafür haben jetzt Forschende sowie Medizinerinnen und Mediziner der TUM am Universitätsklinikum rechts der Isar und am ZIEL – Institute for Food & Health – in Freising gelegt.
Dabei arbeiteten sie mit Kolleginnen und Kollegen der Universitäten in Regensburg, Dresden, Leiden (Niederlande) und des Weill Cornell College in New York zusammen.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler lieferten erstmals Belege dafür, dass sich der Fettstoffwechsel in gesunden Zellen der Darmschleimhaut und Darmkrebszellen „grundlegend unterscheidet“, wie Prof. Klaus-Peter Janssen, Biologe in der Chirurgischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums rechts der Isar sagt.
„Daraus könnten sich neuartige Möglichkeiten der Krebstherapie ergeben, die direkt im veränderten Stoffwechsel des Tumors ansetzen.“ Die Ergebnisse ihrer Arbeit wurden in der renommierten Fachzeitschrift „Gastroenterology“ veröffentlicht.
Bisherige Ergebnisse waren inkonsistent
„Einige Messungen deuteten bereits darauf hin, dass sich der Fettstoffwechsel in gesunden Zellen und Krebszellen deutlich unterscheidet“, erläutert Janssen. Allerdings waren die Ergebnisse dieser Arbeiten sehr inkonsistent. So schienen einige der Untersuchungen solche Unterschiede zu belegen, andere ergaben jedoch ein gegenteiliges Ergebnis. „Diese Frage war bislang sehr umstritten“, so Janssen.
Um Klarheit zu schaffen, entnahmen Ärztinnen und Ärzte am Klinikum rechts der Isar Gewebeproben aus operativ entfernten Tumoren von insgesamt 144 Patientinnen und Patienten mit Darmkrebs. Die Erkrankten hatten vor dem Eingriff ihre Erlaubnis gegeben, die Proben für wissenschaftliche Zwecke nutzen zu dürfen.
Die Gewebeproben wurden umgehend aufbereitet und anschließend am ZIEL sowie an der Universitätsklinik Regensburg per „Massenspektrometrie“ analysiert. Dies ist ein biochemisches Verfahren, mit dem sich nach spezieller Vorbereitung Art und Masse bestimmter Moleküle in einem Gewebe quantitativ bestimmen lassen – in diesem Fall von rund 200 verschiedenen Lipiden.
Um zu belegen, dass die Messergebnisse keine Zufallsbefunde, sondern reproduzierbar sind, wurden die Patientinnen und Patienten zwei Gruppen („Kohorten“) zugeteilt, die entnommenen Gewebeproben separat analysiert, um die Ergebnisse anschließend miteinander zu vergleichen.
Ergänzend wurden Analysen von Gewebeproben einer weiteren Gruppe von 20 Darmkrebs-Erkrankten verglichen, die an der Universität Dresden unabhängig davon untersucht worden waren.
Darmkrebszellen haben eine spezifische Lipid-Signatur
So konnten die Forschenden in allen drei Kohorten den Beleg dafür liefern, dass „Darmkrebszellen tatsächlich eine spezifische Lipid-Signatur haben“, erklärt Janssen, dass sie also ein bestimmtes Muster verschiedener Lipid-Moleküle aufweisen – „gewissermaßen ein Fingerabdruck, mit dem sich sehr zuverlässig Krebszellen von normalen Zellen unterscheiden lassen. Diese Signatur hat auch prognostische Bedeutung, erlaubt also Aussagen über den Krankheitsverlauf.“
Die Veränderungen im „Lipidom“, der Gesamtheit der Lipide in einer Zelle, betraf dabei vor allem sogenannte Sphingolipide und Glycerolipide. Diese Unterschiede spiegelten sich auch auf genomischer Ebene wieder: So konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nachweisen, dass die Aktivität bestimmter Gene, die den Bauplan für verschiedene Enzyme liefern, ebenfalls stark verändert war.
Wie in der Mitteilung erklärt wird, sind Enzyme funktionelle Eiweiße, die unter anderem wichtig für die Herstellung von Stoffwechselprodukten wie Lipiden sind.
Genau hier könnte angesetzt werden, um Krebszellen die Energiezufuhr abzuschneiden und so ihr Wachstum zu bremsen – indem man Wirkstoffe findet, die gezielt einzelne dieser Enzyme aktivieren oder hemmen, um so den Krebs medikamentös auszuhungern. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München: Molekulare Achillesferse von Krebszellen entdeckt – Ansatz für neue Therapien, (Abruf: 06.09.2021), Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München
- Josef Ecker, Elisa Benedetti, Alida S.D. Kindt, Marcus Höring, Markus Perl, Andrea Christel Machmüller, Anna Sichler, Johannes Plagge, Yuting Wang, Sebastian Zeissig, Andrej Shevchenko: The Colorectal Cancer Lipidome: Identification of a Robust Tumor-Specific Lipid Species Signature; in: Gastroenterology, (veröffentlicht online: 14.05.2021 und in: Volume 161, Issue 3, P910-923.E19, 01.09.2021), Gastroenterology
Wichtiger Hinweis:
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