Warum sich Asthma nachts oft verschlimmert
Bei vielen Menschen, die unter Asthma leiden, verschlimmern sich die Beschwerden oftmals in der Nacht. Seit längerem gibt es hierzu die Theorie, dass die körpereigene innere Uhr beziehungsweise der zirkadiane Rhythmus an dem Prozess beteiligt sein könnte. Ein amerikanisches Forschungsteam ging dieser These auf die Spur.
Forschende des Brigham and Women’s Hospital (Boston, USA) und der Oregon Health & Science University (Portland, Oregon) zeigten, dass die biologische Uhr einen Einfluss auf die Symptome bei Asthma zu haben scheint. Ihre Untersuchungsergebnisse werden in dem renommierten Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)“ veröffentlicht.
In drei von vier Fällen verschlimmert sich Asthma nachts
In den USA leiden rund 20 Millionen Menschen unter Asthma, in Deutschland sind es rund acht Millionen. Etwa drei von vier Asthma-Betroffenen berichten, dass sich ihre Symptome in der Nacht verschlimmern. Frühere Untersuchungen zeigten bereits, dass viele Verhaltens- und Umweltfaktoren, einschließlich Bewegung, Lufttemperatur, Körperhaltung und Schlafumgebung, den Schweregrad von Asthma beeinflussen. Inwieweit der zirkadiane Rhythmus, also die körpereigene biologische Uhr selbst in diesen Prozess eingebunden ist, wurde bislang nur oberflächlich untersucht.
Was ist der zirkadiane Rhythmus?
Der zirkadiane Rhythmus bezeichnet die Fähigkeit, mit der sich ein Lebewesen an einen Tag-Nacht-Zyklus anpasst. Für die Erforschung der genetischen Hintergründe wurde im Jahr 2017 der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin an die US-amerikanischen Forscher Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young verliehen. Sie haben die molekularen Mechanismen der inneren Uhr aufgedeckt und so gezeigt, wie sich Zellen sowie der gesamte Organismus an der Tageszeit orientiert.
Das zirkadiane System besteht aus einer Art zentralem Schrittmacher im Gehirn, der im Nucleus suprachiasmaticus (suprachiasmatischer Kern) liegt. Dieser synchronisiert die Reaktionen des Körpers auf die Tageszeit sowie auf die täglich wechselnden Umwelt- und Verhaltensanforderungen. Der Prozess ist auch entscheidend für die Koordination der Körperfunktionen.
Ablauf der Studie
Um den Einfluss des zirkadianen Systems von dem des Schlafs und anderer Verhaltens- und Umweltfaktoren zu trennen, führten die Forschenden einen Laborversuch an 17 Teilnehmenden mit Asthma durch. Alle Probandinnen und Probanden verwendeten Inhalatoren mit bronchienerweiternden Medikamenten. Sie durften frei auf die Arzneien zugreifen, sobald sie das Gefühl hatten, dass sich ihre Symptome verschlimmern.
Das zirkadiane System vom Tagesverlauf entkoppelt
Die Teilnehmende mussten zwei Phasen durchlaufen, mit dem Ziel, das zirkadiane System zu beeinflussen. In der ersten Phase blieben die Probandinnen und Probanden 38 Stunden durchgehend wach unter gedämpften Lichtverhältnissen. Alle zwei Stunden erhielten sie einen identischen Snack.
In der zweiten Phase wurden die Teilnehmenden durch einen simulierten Tag-Nacht-Rhythmus über eine Woche in einen 28-stündigen Tagesverlauf versetzt. Alle Verhaltensweisen waren im Verhältnis gleichmäßig über den Zyklus verteilt. Während beider Phasen wurden kontinuierlich die Lungenfunktion, die Asthma-Symptome und die Verwendung der Bronchodilatatoren überwacht.
Erste Asthma-Studie dieser Art
„Dies ist eine der ersten Studien, die den Einfluss des zirkadianen Systems sorgfältig von anderen verhaltens- und umweltbedingten Faktoren, einschließlich des Schlafs, isoliert“, betont Studienkoautor Frank A.J.L. Scheer. „Wir haben beobachtet, dass die Menschen, die allgemein am stärksten unter Asthma leiden, auch diejenigen sind, die nachts die größten zirkadian bedingten Einbrüche der Lungenfunktion aufweisen“, ergänzt Professor Steven A. Shea aus dem Studienteam.
Asthma-Arzneien werden nachts häufiger eingesetzt
Das Team unterstreicht die klinische Bedeutung der Ergebnisse. Beispielsweise werden Bronchodilatatoren, also Arzneimittel zur Weitung der Bronchien, bis zu viermal häufiger in der Nacht verwendet als am Tag. Die Ergebnisse haben der Arbeitsgruppe zufolge „wichtige Auswirkungen sowohl auf die Erforschung als auch auf die Behandlung von Asthma“. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Brigham and Women's Hospital: Study explores why asthma worsens at night (veröffentlicht: 06.09.2021), eurekalert.org
- Deutsche Lungenstiftung e.V.: Asthma - Häufigkeit (Abruf: 07.09.2021), lungenaerzte-im-netz.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.