Corona: Auswirkungen der Pandemie auf Kinder und Jugendliche
In Deutschland wurden bislang mehr als vier Millionen Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 registriert. Auch viele Kinder und Jugendliche haben sich angesteckt, in der Regel erkranken sie jedoch nicht schwer an COVID-19. Allerdings hat die Pandemie drastische Auswirkungen auf ihre Gesundheit. Laut einem aktuellen Bericht gibt es große Effekte bei Adipositas (Fettleibigkeit), Essstörungen und Diabetes.
Auch Kinder können sich mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizieren und an COVID-19 erkranken. Die Krankheitsverläufe sind bei jungen Menschen aber weniger schwer als bei Erwachsenen, erklärt das Bundesministerium für Gesundheit auf dem Portal „Zusammen gegen Corona“. Dennoch hat die Corona-Pandemie gravierende Folgen für die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen in Deutschland. Dies zeigt der aktuelle Kinder- und Jugendreport der DAK-Gesundheit, der von Vandage und der Universität Bielefeld erstellt wurde.
„Aktionsplan Kindergesundheit“ gefordert
Laut einer Mitteilung wurden für den Report die anonymisierten Krankenhausdaten von fast 800.000 bei der DAK-Gesundheit versicherten Kindern und Jugendlichen im Alter bis 17 Jahren untersucht.
Analysiert wurden die Krankenhausaufenthalte 2020 im Vergleich zu 2019 mit einem besonderen Fokus auf die Corona-Lockdowns sowie ihre Auswirkungen. „Die Krankenhausdaten zeigen alarmierende Folgen der Pandemie für die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen“, so DAK-Vorstandschef Andreas Storm.
„Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Deshalb müssen wir die speziellen gesundheitlichen Auswirkungen sehr ernst nehmen und darauf reagieren. Ich fordere nach der Bundestagswahl kurzfristig einen ‚Aktionsplan Kindergesundheit‘. Dieser muss auf die Situation in Familien, Kitas, Schulen und Vereinen eingehen, um die Gesundheit der Mädchen und Jungen besser zu schützen.“
Adipositas-Behandlungen um 60 Prozent gestiegen
Laut der Analyse stiegen die Krankenhausbehandlungen von Kindern mit der Diagnose Adipositas im Jahresvergleich um 60 Prozent an. Während die Zahl junger übergewichtiger Patientinnen und Patienten im Frühjahrs-Lockdown 66 Prozent unter den Wert des Vorjahres sank, stieg sie danach steil an und blieb dann auf Rekordniveau.
Gleichzeitig wuchs die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit starkem Untergewicht im Jahr 2020 um 35 Prozent. Nach einem Rückgang im ersten Lockdown um minus 19 Prozent verdoppelten sich die Fälle danach. Stationär behandelte Essstörungen wie Bulimie und Anorexie (Magersucht) nahmen in den Lockdowns deutlich zu – im Jahresvergleich gab es einen Anstieg um zehn Prozent.
Die Zahl der stationär behandelten Kinder und Jugendlichen mit Diabetes-Typ-1-Diagnose nahm 2020 mit zwei Prozent leicht zu. Im ersten Lockdown gab es allerdings einem starken Rückgang um 28 Prozent. Die Zahl der Behandlungen im zweiten Lockdown lag jedoch 42 Prozent über dem Vorjahr.
Die Zahl der behandelten Infektionskrankheiten hingegen sank durch die Kontaktbeschränkungen und Hygienemaßnahmen in der Pandemie deutlich. Die Krankenhausbehandlungen bei virusbedingten Darminfektionen gingen im Vergleich zum Vorjahr um etwa 80 Prozent zurück. Und bei Mandelentzündungen gab es ein Minus von 46 Prozent. Des Weiteren gab es ein Drittel weniger junge Patientinnen und Patienten mit einer akuten Bronchitis.
Bei den psychischen Erkrankungen blieb die Zahl der Klinikbehandlungen 2020 insgesamt auf dem Niveau vom Jahr zuvor.
Mehr schwere Fälle behandelt
„Die Krankenhausbehandlungsfälle von Kindern und Jugendlichen gingen im ersten Lockdown stärker zurück als im zweiten. Gleichzeitig wurden in Kliniken aber mehr schwere Fälle behandelt“, sagt Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte.
„Besorgniserregend ist der Rückgang der stationären Behandlungsfälle ernster Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Asthma bronchiale und psychische Erkrankungen. Insbesondere Adipositas und seelische Störungen waren im zweiten Lockdown sogar häufiger ein Behandlungsgrund als im Vorjahr“, so der Mediziner.
„Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie haben deutlich negative Effekte auf die Kinder- und Jugendgesundheit – vor allem in den Bereichen Körpergewicht und psychische Gesundheit. Diese Effekte werden uns noch nachhaltig beschäftigen. Es wird noch lange dauern, bis wir zu einer Normalität zurückkehren können.“
„Nachholeffekt“ bei Infektionskrankheiten erwartet
„Neben Erkrankungen, die von den infektionsgeschehen weitgehend unberührt geblieben sind, wie zum Beispiel onkologische Erkrankungen oder die Versorgung von Frühgeborenen, sehen wir eine Gruppe von Erkrankungen mit erheblichen Veränderungen durch die Pandemie“, erläutert Professor Dr. Eckard Hamelmann, Direktor der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin am Evangelischen Klinikum Bethel, Universitätsklinikum OWL der Universität Bielefeld.
„So kam es zu einem starken Einbruch der Fallzahlen und einer deutlichen Verschiebung im Krankheitsspektrum von stationär versorgten Kindern und Jugendlichen“, erklärt der Experte. „Es zeichnet sich ab, dass die schlechtere allgemeine Versorgungslage, wie wir sie zu Zeiten der Pandemie erlebt haben, zu einer Zunahme von schweren Krankheitsverläufen und psychischen Begleiterkrankungen geführt hat“, sagt Prof. Dr. Hamelmann
„Auch werden wir mit einem ‚Nachholeffekt‘ bei Infektionskrankheiten rechnen müssen, die jetzt durch die Maßnahmen des Infektionsschutzes ausgefallen sind. Wir sind aufgefordert, diese Entwicklung sehr wachsam in den nächsten Monaten zu beobachten und die Versorgungsangebote in den Krankenhäusern den neuen Gegebenheiten anzupassen, aber keineswegs zu verschmälern.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Bundesministerium für Gesundheit: Corona bei Kindern erkennen und vorbeugen, (Abruf: 11.09.2021), Zusammen gegen Corona
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.