Forscher entwickeln Verfahren zur schnellen Erkennung der Erreger-Art
Antibiotika wirken nur bei einem bakteriellen Infekt, gegen Viren sind sie absolut machtlos. Dennoch bekommen nach wie vor viele Patienten die speziellen Arzneimittel auch bei einem viralen Infekt verschrieben. Nun könnte jedoch ein neu entwickelter Schnelltest Abhilfe schaffen. Denn dieser soll zukünftig innerhalb einer Stunde Klarheit über die Ursache eines Infekts bringen.
Antibiotika sind gegen Virus-Infektionen unwirksam
Die Entdeckung der Antibiotika zählt zu den bedeutendsten Entwicklungen der Medizingeschichte, denn mit ihnen können ehemals lebensbedrohliche Infektionen wie z.B. eine bakterielle Lungenentzündung geheilt werden. Doch die Mittel helfen nur gegen Bakterien. Bei häufig auftretenden Infektionserkrankungen wie z.B. Bronchitis oder Grippe bleiben sie hingegen wirkungslos, da diese meist durch Viren hervor gerufen werden. Dennoch bekommen viele Patienten auch in diesem Fall ein Antibiotikum verschrieben, was böse Folgen haben kann. Denn der übermäßige, unsachgemäße Gebrauch der Medikamente führt zu unerwünschten Nebenwirkungen und kann längerfristig eine abnehmende Wirksamkeit der Mittel bewirken. In den USA setzte Präsident Barack Obama daher im September 2014 eine Arbeitsgruppe ein, die einen nationalen Aktionsplan erarbeiten soll.
Nun könnte die Situation mithilfe eines neuen Tests entschärft werden. Dies berichtet ein Forscherteam von der Duke University in Durham (USA) im Fachblatt “Science Translational Medicine“. Demnach könne das Verfahren die Aktivierungsmuster bestimmter Gene („Gensignaturen“) analysieren und habe dadurch in einer Studie im Vergleich zu dem gängigen Procalcitonin-Test (kurz: PCT-Test) bessere Ergebnisse erzielen können. Geplant sei, dass der neue Test zukünftig innerhalb einer Stunde klären könne, ob eine bakterielle oder virale Infektion der Atemwege vorliegt, so die Forscher.
Ärzte sichern sich mit Verschreibung ab
„Atemwegsinfekte zählen zu den häufigsten Gründen, aus denen Menschen zum Arzt gehen”, so Ephraim Tsalik von der Duke University in Durham (USA) laut einer Mitteilung der Uni. Etwa drei Viertel der Patienten bekämen dabei zur Behandlung Antibiotika gegen eine bakterielle Infektion verschrieben – obwohl es sich in den meisten Fällen um eine Virusinfektionen handele, erläutert Tsalik weiter. Verantwortlich hierfür sei meist die unklare Diagnose, da Mediziner eine Bronchitis oft kaum von einer beginnenden Lungenentzündung (Pneumonie) unterscheiden können. Während erstere meist durch Viren verursacht wird, entsteht eine Lungenentzündung vor allem durch eine Infektion mit Bakterien – und benötigt dementsprechend normalerweise kein Antibiotikum zur Behandlung. Dennoch würden viele Ärzte vorsichtshalber ein Rezept ausstellen, um kein Risiko einzugehen.
Übelkeit und Pilzinfektionen durch Antibiotika
Doch der übermäßige und unsachgemäße Einsatz von Antibiotika bleibt nicht ohne Folgen, denn es drohen unangenehme Nebenwirkungen wie z.B. allergische Reaktionen, Magen-Darm-Beschwerden oder Pilzinfektionen. Auch die öffentliche Gesundheit ist stark gefährdet, denn durch die viel zu häufige und falsche Verwendung sind viele bakterielle Krankheitserreger mittlerweile unempfindlich gegen die Medikamente. „Die zunehmenden Resistenzen von Bakterien gegen Antibiotika sind ein großes Problem”, bestätigt Mathias Pletz, Direktor des Zentrums für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene am Uniklinikum Jena, gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“. Daher ließe es sich nicht aufschieben, den Einsatz von Antibiotika zu reduzieren, so Pletz weiter.
Wie die Universität berichtet, hatten Tsalik und sein Team zunächst typische Gensignaturen im Blut identifiziert, welche erkennen lassen, ob die Infektion durch Viren oder Bakterien auslöst worden war. Anschließend testeten sie ihr neu entwickeltes Verfahren an fünf Datenbanken sowie knapp 320 Patienten in Klinikambulanzen. Bei dem größten Teil der Erkrankten (115 Personen) war die Infektion der Atemwege demnach durch Viren (z.B. Grippe- oder Rhinoviren) hervorgerufen worden, in 70 Fällen handelte es sich um eine bakterielle Infektion. 88 weitere Personen waren von einer nicht-infektiösen Erkrankung betroffen, die übrigen 44 Menschen waren gesund.
Test bestimmt mehr Fälle als gängiges PCT-Verfahren
Der Test brachte ein erstaunliches Ergebnis, denn er ermittelte die Ursache für die Beschwerden zuverlässiger als der bislang gängige Bluttest auf Procalcitonin (PCT). Demnach habe das neue Verfahren in 87 Prozent der Fälle Klarheit gebracht, während der weit verbreitete PCT-Test eine Trefferquote von 78 Prozent erzielte, so die Mitteilung. Der Test werde nun weiter entwickelt, sodass er zukünftig innerhalb von 60 Minuten ein sicheres Ergebnis liefere. Dies könnte eine enorme Erleichterung im Klinikalltag bedeuten, denn die derzeitige Technologie benötige bis zu zehn Stunden für die Bestimmung.
Test soll mit bestehenden Anlagen durchführbar sein
„Wir arbeiten daran, einen Test zu entwickeln, der in den meisten klinischen Labors mit bestehenden Anlagen durchgeführt werden kann. Wir glauben, dies könnte einen tatsächlichen Einfluss auf den angemessenen Gebrauch von Antibiotika haben und die Verwendung von antiviralen Behandlungen in der Zukunft anleiten“, so Senior-Autor Christopher W. Woods von der Duke University. Auch Mathias Pletz sieht in der aktuellen Studie Potenzial: Demnach sei es eine „sehr durchdachte Studie“, für welche die Wissenschaftler neben Personen mit verschiedenem genetischen Hintergrund auch kranke Menschen ohne Infektion einbezogen hätten. „Das Verfahren bietet einen Blick in die Zukunft”, so der Experte gegenüber der „dpa“.
Alternativ bestehe jedoch auch jetzt schon eine andere Möglichkeit, um den Antibiotika-Gebrauch zu reduzieren. Laut Pletz habe eine Studie aus Hannover gezeigt, dass es oft schon reiche, wenn der Arzt zwar ein Rezepte für Antibiotika ausstelle, aber darum bitte, dieses nicht sofort einzulösen. Stattdessen wurden die Patienten gebeten, am nächsten Tag in der Praxis anzurufen und das Ergebnis des PCT-Tests abzufragen. Da die Antibiotika nur bei einer bakteriellen Ursache eingesetzt werden sollen, sei die Verwendung um etwa 40 Prozent gesunken, so Pletz. (nr)
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