Sehnenerkrankungen: Schmerzfreie Vibrationstherapie
Sehnenerkrankungen treten laut Fachleuten besonders oft bei sportlich Aktiven auf. In der Akutphase besteht die Behandlung aus Maßnahmen zur Schwellungs-, Schmerz- und Entzündungsreduzierung. Danach kommen meist Therapien zur Stimulation der Zellregeneration sowie ein dosiertes Muskelaufbauprogramm zur Anwendung. Forschende berichten nun über eine neue schmerzfreie Therapie bei Sehnenerkrankungen.
Wie in einem Beitrag von „scilog“, dem Magazin des österreichischen Wissenschaftsfonds FWF (Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung) erklärt wird, funktionieren die körpereigenen Heilungsprozesse bei falscher oder zu starker Belastung der Sehnen nicht mehr richtig. Es kann eine sogenannte Tendinopathie (Sehnenerkrankung) entstehen. Nicht nur die Erkrankung ist schmerzhaft, sondern auch ihre Standardbehandlung. Ein Forschungsteam hat jetzt einen alternativen Heilungsansatz, die Vibrationstherapie, auf Herz und Nieren geprüft.
Vibrationstrainings gegen Sehnenerkrankungen
Sehnenerkrankungen haben sich bereits häufig als wunder Punkt in einer Sportlerinnen- oder Sportlerkarriere erwiesen. Dabei muss keine akute Verletzung dahinterstecken. Schon falsche oder zu starke Belastungen können auf Dauer zu Problemen führen.
Typische Erkrankungen sind hier sogenannte „Tendinopathien“. Diese nichtentzündlichen Sehnenerkrankungen entstehen zum Beispiel, wenn der Trainingsstil oder gewohnte Bewegungsmuster verändert werden. Dazu muss kein Profisport betrieben werden: Bereits ein zu lange gebrauchter und abgenutzter Laufschuh kann mit der Zeit zum Beispiel zu einer Tendinopathie der Achillessehne führen.
Sehnenerkrankungen sind ein Forschungsgebiet von Florian Rieder, der derzeit am Uniklinikum Salzburg tätig ist. In den vergangenen Jahren hat sich der Forscher mit Erkrankungen der Patellasehne beschäftigt, die die Kniescheibe mit dem Schienbeinansatz am Unterschenkel verbindet.
Patellartendinopathien lösen bei den Betroffenen starke Knieschmerzen aus. Erschwerend hinzu kommt, dass auch die bisherige Standardtherapie äußert schmerzvoll sein kann. Deshalb hat Rieder untersucht, wie wirkungsvoll ein neuerer Therapieansatz, eine Form des Vibrationstrainings, für die Behandlung dieser Erkrankungen ist.
Spezielle Krafttrainings für viele Personen ungeeignet
„Die Patellasehne ist für die Kraftübertragung zwischen Ober- und Unterschenkel zuständig. Sie speichert beim Anspannen Energie, die beim Entlasten wieder abgegeben wird – ähnlich einem Gummiband. Und sie fungiert als Dämpfung bei stoßartigen Bewegungen“, erläutert Rieder.
Bei Überlastungen kann es jedoch dazu kommen, dass die Sehne degeneriert. „Die Reparaturprozesse des Körpers werden unterbrochen, der Gewebeaufbau ist fehlerhaft“, so der Sportwissenschaftler. Eine gut etablierte Behandlungsmethode sind spezielle Krafttrainings.
Dabei führen Patientinnen und Patienten immer wieder langsame Bewegungen mit schweren Gewichten aus. Die Belastungen sorgen dafür, dass die körpereigenen Reparaturmechanismen wieder aufgenommen werden. Der Ansatz ist wirkungsvoll, aber häufig auch sehr schmerzhaft und deshalb für viele Personen ungeeignet.
Unterschiedliche Intensität und Frequenz
Bei der Vibrationstherapie positioniert man sich auf einer vibrierenden Platte, die etwa 30 Mal pro Sekunde schwingt. Rieder konnte schon vor Jahren erste Auswirkungen auf die Patellasehnen beschreiben.
„Ich konnte zeigen, dass bei gesunden Personen ein Aufbauprozess in Gang gesetzt wird. Der Sehnenquerschnitt hat sich signifikant vergrößert“, erläutert der Wissenschaftler. Auf dieser zurückliegenden Arbeit baut das FWF-Projekt auf, das er mit seinem Kollegen Hans-Peter Wiesinger vom Interfakultären Fachbereich für Sport- und Bewegungswissenschaft der Universität Salzburg umsetzte.
Auch die Vibrationstherapie führt demnach – ähnlich wie beim Krafttraining – dazu, dass Muskeln angespannt und entspannt und die Sehnen wechselnden Zugkräften ausgesetzt werden. Aber Intensität und Frequenz unterscheiden sich grundsätzlich. „Die Frage war nun, welche Effekte bei dieser schmerzfreien Alternative nachweisbar sind“, so Rieder.
Die Forschenden rekrutierten für die Studie insgesamt etwa 60 Personen, die sie in drei Gruppen teilten: In der ersten Gruppe wurden die Probandinnen und Probanden drei Monate lange drei Mal pro Woche mit der Vibrationstherapie behandelt, in der zweiten stand Krafttraining auf dem Programm. Angehörige der dritten Gruppe wurden nicht behandelt. Sie ermöglichten den Vergleich zu Erkrankten, bei denen vorerst keine Therapie erfolgt.
In einer Nebenstudie stellte das Forschungsteam zuerst die Frage in den Fokus, wie sich eine gesunde von einer kranken Sehne mechanisch unterscheidet. „Die Untersuchungen ergaben, dass kranke Sehnen im Vergleich deutlich verdickt sind. Mit dem Querschnitt nimmt allerdings nicht ihre Steifheit zu – was beim Training von gesunden Sehnen der Fall ist. Im Gegenteil, sie weist sogar geringere Werte auf“, erläutert Rieder. „Damit könnte sich das Verletzungsrisiko erhöhen.“
Dauerhafte Behandlungserfolge
Der Vergleich der Trainingsmethoden ergab schließlich, dass sowohl in der Krafttrainings- als auch in der Vibrationsgruppe klinisch relevante Veränderungen zu verzeichnen waren. „Die Verbesserungen betreffen sowohl den Maximalschmerz als auch funktionelle Einschränkungen“, so der Sportwissenschaftler. „Die Patientinnen und Patienten hatten also weniger intensive Schmerzen und konnten sich wieder besser bewegen.“
Der direkte Vergleich der Ansätze zeigte jedoch auch Unterschiede. „Während beide Therapieformen eine ähnlich gute Reduktion des Maximalschmerzes erzielen konnten, war das konventionelle Krafttraining bei den funktionellen Einschränkungen etwas wirkungsvoller“, sagt Rieder. In allen Fällen waren die Behandlungserfolge dauerhaft, wie eine Kontrolluntersuchung nach sechs Monaten ergab.
Aber auch wenn die Effektivität der Vibrationstherapie leicht hinter dem Krafttraining zurückbleibt, bestätigt die Studie für Rieder, dass sie in vielen Fällen eine gute Alternative ist.
„Es gibt Patientengruppen, für die das schmerzhafte Krafttraining nicht infrage kommt. Dazu zählen Sportlerinnen und Sportler, die während ihres Trainings keine zusätzlichen Kraftübungen unterbringen können, oder auch ältere Menschen, die mit den Schmerzen nicht zurechtkommen. Für sie ist es auf jeden Fall zielführend, die Vibrationstherapie zu versuchen.“
Die Ergebnisse der Forschenden wurden in den Fachmagazinen „Frontiers in Physiology“, „Scandinavian Journal of Medicine and Science in Sports“, „European Journal of Applied Physiology“ und „Frontiers in Physiology“ veröffentlicht. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- scilog, Magazin des österreichischen Wissenschaftsfonds FWF: Schmerzfreie Therapie bei Sehnenerkrankungen, (Abruf: 26.09.2021)
- Wiesinger HP, Seynnes OR, Kösters A, Müller E, Rieder F: Mechanical and Material Tendon Properties in Patients With Proximal Patellar Tendinopathy; in: Frontiers in Physiology, (veröffentlicht: 24.06.2020), Frontiers in Physiology
- Rieder F, Wiesinger HP, Kösters A, Müller E, Seynnes OR: Whole-body vibration training induces hypertrophy of the human patellar tendon; in: Scandinavian Journal of Medicine and Science in Sports, (veröffentlicht: 15.07.2015), Scandinavian Journal of Medicine and Science in Sports
- Rieder F, Wiesinger HP, Kösters A, Müller E, Seynnes OR: Immediate effects of whole body vibration on patellar tendon properties and knee extension torque; in: European Journal of Applied Physiology, (veröffentlicht: 26.12.2015), European Journal of Applied Physiology
- Wiesinger HP, Rieder F, Kösters A, Müller E, Seynnes OR: Sport-specific capacity to use elastic energy in the patellar and Achilles tendons of elite athletes; in: Frontiers in Physiology, (veröffentlicht: 13.03.2017), Frontiers in Physiology
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.