Warum ältere Menschen anfälliger für Infektionen sind
In der Coronavirus-Pandemie, aber auch bei Grippe-Wellen sowie bei anderen Infektionskrankheiten sind ältere Menschen stärker bedroht als Jüngere. Die Leistungskraft des Immunsystems nimmt mit zunehmendem Alter ab. Warum das so ist, erklärt ein Experte für Immunologie.
Professor Luka Cicin-Sain ist Leiter der Abteilung „Virale Immunologie“ am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Brauschweig. In einem aktuellen Beitrag der Institution erklärt der Immunologe, warum ältere Personen anfälliger für Infektionskrankheiten sind.
Stammzellen erneuern unseren Körper ständig
Alles im Körper altert – so auch das Immunsystem. Doch wie genau verändert sich die Immunabwehr im Laufe der Zeit? Wie Professor Cicin-Sain erläutert, erneuert sich unser Körper fortlaufend durch die Aktivität von Stammzellen. Sie sorgen für einen ständigen Nachschub an neuen Zellen in sämtlichen Organen. Die Stammzellen vermehren sich dauerhaft. Die so entstehenden Tochterzellen werden beispielsweise zu Blutzellen, Knochenzellen und Hautzellen.
Das Altern ist durch den Verlust von Stammzellen bestimmt
Mit zunehmendem Alter nimmt jedoch die Anzahl der Stammzellen in unserem Körper sowie deren Reproduktionsfähigkeit ab. „Somit ist Altern wesentlich durch den Verlust von Stammzellen bestimmt“, betont der Professor. Darunter leidet auch die Effektivität des Immunsystems, da die Immunabwehr auf die Erneuerung von weißen Blutzellen angewiesen ist.
Lymphozyten sind Träger der adaptiven Immunantwort
Vor allem die sogenannten Lymphozyten, die zu den weißen Blutzellen gehören, sind Träger der adaptiven Immunantwort, erklärt der Experte. Diese Immunzellen sind in der Lage, Millionen verschiedener Antigene zu erkennen. Bei Antigenen handelt es sich um Moleküle von Infektionserregern. Da die Stammzellen im Alter auch weniger Lymphozyten produzieren, kann das Immunsystem die Antigene und somit auch die Krankheitserreger schlechter erkennen. Die Immunabwehr wird zunehmend träge.
Impfungen bei alten Menschen weniger wirkungsvoll
Nach Angaben von Professor Cicin-Sain ist das auch der Grund, warum Impfungen bei alten Menschen weniger wirksam sind. Die Immunantwort nimmt sowohl gegen direkte Erreger als auch gegen Impfstoffe ab.
Immunsystem profitiert von Erfahrungen
Während des Lebens begegnen dem Immunsystem zahlreiche Erreger und der Körper durchlebt viele verschiedene Infektionen. Viele der Erreger merkt sich das Immunsystem im Immungedächtnis. Älteren Menschen fällt es daher in der Regel leichter, eine Infektionskrankheit abzuwehren, von der sie in der Vergangenheit schon mal betroffen waren.
Lernfähigkeit sinkt mit zunehmendem Alter
Die Fähigkeit, neue Erreger und Antigene zu erkennen wird jedoch fortlaufend schlechter. Für das Immungedächtnis sind andere Immunzellen verantwortlich, wie für die Erkennung von Antigenen. Die beiden Lymphozyten-Arten stehen nicht in Konkurrenz zueinander. Auch die Anzahl der Immun-Gedächtniszellen nimmt mit zunehmendem Alter ab. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Interview mit Luka Cicin-Sain vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung: „Die Immunreaktion wird träge im Alter“ (veröffentlicht: 29.09.2021), helmholtz-hzi.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.