Gesund Altern: Welchen Einfluss hat das Darmmikrobiom?
Während des Alterns finden laut einer aktuellen Studie erhebliche Veränderungen in der Darmflora des menschlichen Dünndarms statt. Die Veränderungen waren den Forschenden zufolge direkt mit dem Alterungsprozess verknüpft und unterschieden sich von den Veränderungen, die beispielsweise durch Medikamente oder Krankheiten hervorgerufen werden.
Eine Arbeitsgruppe um Dr. Ruchi Mathur am Cedars-Sinai Medical Center in Kalifornien (USA) konnte dokumentieren, wie sich die Zusammensetzung der Darmbakterien beim Altern erheblich verändert. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Cell Reports“ publiziert.
Was ist das Darmmikrobiom?
Die Gemeinschaft aller im Darm lebenden Mikroorganismen, also beispielsweise Bakterienstämme und Pilze, wird als Darmmikrobiom oder im Volksmund als Darmflora bezeichnet. Während das Darmmikrobiom früher eher eine untergeordnete Rolle in der Medizin spielte, zeigten Studien der letzten Jahre, dass die Darmflora von zentraler Bedeutung für die menschliche Gesundheit ist, wichtige Aufgaben im Immunsystem übernimmt und sogar mit dem Gehirn über die sogenannte Darm-Hirn-Achse kommuniziert.
Frühere Studien deuten bereits darauf hin, dass Störungen in der Zusammensetzung der Darmflora zu schweren Krankheiten führen können, darunter gastroenterologische Erkrankungen, Diabetes, Adipositas und sogar neurologische Störungen.
Darmflora als Ansatzpunkt für gesunde Alterung
Die Studie soll dazu beitragen, natürliche Veränderungen des Darmmikrobioms von abnormalen abzugrenzen. Auf diese Weise will das Team die Grundlage für gezielte Förderungen der Darmflora entwickeln, die ein gesundes Altern unterstützen könnten.
Wie Forschungsleiterin Mathur berichtet, wurden in frühere Studien zum Darmmikrobiom überwiegend Stuhlproben analysiert. Solche Proben spiegeln der Wissenschaftlerin zufolge aber nicht das gesamte Mikrobiom wider. Die Arbeitsgruppe verwendete deshalb Proben aus dem Dünndarm zur Analyse der Darmflora, um das gesamte Mikrobiom im Darm abzubilden.
Erste Studie dieser Art
Der Dünndarm ist mehr als drei Meter lang und hat ungefähr die gleiche Oberfläche wie ein Tennisplatz. „Diese Studie ist die erste ihrer Art, in der die mikrobielle Zusammensetzung des Dünndarms von Menschen zwischen 18 bis 80 Jahre untersucht wird“, betont Dr. Mathur.
Einfluss von Medikamenten und Krankheiten auf die Darmflora
„Wir wissen jetzt, dass bestimmte Mikrobenpopulationen stärker von Medikamenten beeinflusst werden, während andere stärker von bestimmten Krankheiten betroffen sind“, erklärt die Studienleiterin. Das Team konnte darüber hinaus auch bestimmte Mikroben identifizieren, die offenbar nur durch den Alterungsprozess beeinflusst werden.
Alterung beeinflusst die Darmflora
Es war zwar bekannt, dass die mikrobielle Vielfalt im Darm mit zunehmendem Alter abnimmt, die Forschenden der aktuellen Studie beleuchten erstmals diesen Prozess genauer und konnten auf diese Weise Schlüsselfaktoren identifizieren, die auf die altersbedingte Veränderung einwirken.
Coliforme Bakterien vermehren sich im Alter zunehmend
Laut der Studie nehmen insbesondere Populationen sogenannter coliformer Bakterien im fortgeschrittenen Alter stark zu. „Wir fanden heraus, dass diese stäbchenförmigen Mikroben, wenn sie sich im Dünndarm zu stark vermehren – was mit zunehmendem Alter der Fall ist – einen negativen Einfluss auf die übrige mikrobielle Population ausüben“, bestätigt Studienkoautorin Gabriela Leite.
Coliforme Bakterien wuchern „wie Unkraut“
Leite vergleicht die Ausbreitung der coliformen Bakterien mit einer Wucherung von „Unkraut im Garten“. Dabei verdrängen die Bakterien andere Mikroorganismen. Sie führen beispielsweise dazu, dass Mikroben, die eine sauerstoffreiche Umgebung bevorzugen, abnehmen und Mikroorganismen gefördert werden, die eine sauerstoffarme Umgebung bevorzugen. Dieser Prozess soll in kommenden Forschungsarbeiten genauer untersucht werden.
Zusammensetzung der Darmflora gleicht einem Fingerabdruck
„Unser Ziel ist es, die mikrobiellen Muster des Dünndarms bei Gesundheit und Krankheit des Menschen zu identifizieren und so eine Art Fingerabdruck zu erstellen“, ergänzt Mark Pimentel aus der Arbeitsgruppe. Da der Dünndarm eine entscheidende Rolle bei der Aufnahme von Nährstoffen spiele, haben die Veränderungen im Darmmikrobiom möglicherweise einen weitreichenden Einfluss auf die Gesundheit des Menschen im Alter. (vb)
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Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Cedars-Sinai Medical Center: Age and Aging Have Critical Effects on the Gut Microbiome (veröffentlicht: 01.10.2021), cedars-sinai.org
- Gabriela Leite, Mark Pimentel, Ruchi Mathur, et al.: Age and the aging process significantly alter the small bowel microbiome; in: Cell Reports, 2021, cell.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.