Schutzwirkung gesunder Darmflora durch Fenchol reproduzierbar
Der Zusammenhang zwischen der Darmflora (Darmmikrobiom) und der Gesundheit des Gehirns ist erst seit kurzem bekannt und bislang nur unzureichend erklärt. Es gilt jedoch als erwiesen, dass bestimmte Darmbakterien kurzkettige Fettsäuren produzieren, die eine positive Wirkung auf die Hirngesundheit entfalten und das Risiko einer Alzheimer-Erkrankung reduzieren.
In der aktuellen Studie des Forschungsteams um Professor Dr. Hariom Yadav von der University of South Florida in Tampa (USA) hat sich nun gezeigt, dass die pflanzliche Verbindung Fenchol die gleiche positive Wirkung gegen Alzheimer-typische Proteinablagerungen im Gehirn entfaltet, wie die Metaboliten nützlicher Darmbakterien. Die entsprechenden Studienergebnisse wurden in dem Fachmagazin „Frontiers in Aging Neuroscience“ veröffentlicht.
Beta-Amyloid und Tau-Protein
Alzheimer-Erkrankungen sind durch zwei charakteristische Pathologien gekennzeichnet: Ablagerungen von Beta-Amyloid im Gehirn und „neurofibrilläre Verknotungen von Tau-Protein“ in den Gehirnzellen, erläutern die Forschenden. Beide Pathologien tragen zum Verlust und zum Absterben von Nervenzellen bei, was letztlich zum Ausbruch der Alzheimer-Krankheit führt, die durch den Verlust von Gedächtnis, Denkvermögen und anderen kognitiven Fähigkeiten gekennzeichnet ist, so das Team.
Bakterien bilden kurzkettige Fettsäuren
Neue Erkenntnisse deuten darauf hin, dass kurzkettige Fettsäuren, die als Stoffwechselprodukte von nützlichen Darmbakterien produziert werden, zur Gesundheit des Gehirns beitragen, und bei Menschen mit Alzheimer ist der Gehalt dieser kurzkettigen Fettsäuren häufig reduziert, berichtet das Forschungsteam. Inwiefern ein Zusammenhang mit der Krankheit besteht, sei bisher jedoch weitgehend unklar geblieben.
Bei Untersuchungen der molekulare Mechanismen, die den Wechselwirkungen zwischen dem Darmmikrobiom und dem Gehirn zugrunde liegen, wurde deutlich, dass aus dem Darm stammende kurzkettige Fettsäuren über das Blut ins Gehirn gelangen und dort an den Rezeptor für freie Fettsäuren 2 (Free Fatty Acid Receptor 2; FFAR2) binden können, FFAR2 ist ein sogenanntes Zellsignalmolekül, das auf Gehirnzellen exprimiert wird.
Welche Rolle spielt FFAR2?
In ihrer aktuellen Studie untersuchten die Forschenden nun die Rolle von FFAR2 bei der Bildung von Beta-Amyloid-Ablagerungen im Gehirn und überprüften die Wirkung von pflanzlichen Verbindungen, die den gleichen Signalweg aktivieren, wie von Darmbakterien produzierte kurzkettige Fettsäuren.
„Unsere Studie ist die erste, die zeigt, dass die Stimulierung des FFAR2-Sensormoleküls durch diese mikrobiellen Metaboliten (kurzkettige Fettsäuren) dem Schutz der Gehirnzellen vor der toxischen Anhäufung des Amyloid-beta-Proteins (…) dienen kann“, betont Studienleiter Professor Dr. Yadav.
Die Forschenden konnten nachweisen, dass ein Hemmung des FFAR2-Rezeptors zu der abnormalen Anhäufung des Beta-Amyloids im Gehirn beiträgt. Fehlt eine Aktivierung des Rezeptors durch die kurzkettigen Fettsäuren, bilden sich demnach die Alzheimer-typischen Ablagerungen im Gehirn.
Natürlicher Wirkstoff Fenchol aktiviert FFAR2
Das Team machte sich daher auf die Suche nach einem natürlichen Wirkstoff, der eine Aktivierung der FFAR2-Signalübertragung ähnlich wie bei kurzkettigen Fettsäuren des Darmmikrobioms erreichen kann. Unter 144.000 Naturstoffen wurden 15 potenziell geeignete Kandidaten identifiziert, von denen Fenchol am besten in der Lage war, an die aktive Stelle des FFAR2-Rezeptors zu binden und dessen Signalisierung zu stimulieren. Fenchol ist als eine natürliche Verbindung zum Beispiel in Basilikum reichlich vorhanden.
Beta-Amyloid-Ablagerungen deutlich reduziert
Weitere Experimente an menschlichen neuronalen Zellkulturen, Fadenwürmern und Mäusen haben gezeigt, dass Fenchol die überschüssige Beta-Amyloid-Akkumulation und das Absterben von Neuronen durch die Stimulierung der FFAR2-Signalübertragung, des Mikrobiom-Sensor-Mechanismus, deutlich reduziert, berichtet das Team.
Weniger Zombie-Zellen
Eine genauere Analyse des zugrundeliegenden Mechanismus machte deutlich, dass Fenchol die Präsenz seneszenter neuronaler Zellen verringerte, welche auch als „Zombie“-Zellen bekannt sind und vermehrt in Gehirnen von Alzheimer-Erkrankten vorkommen, so die Forschenden weiter.
Diese Zellen haben ihre Replikation eingestellt und sterben einen langsamen Tod, wobei sie bis dahin ein schädliches entzündliches Umfeld schaffen und Stress- oder Todessignale an benachbarte gesunde Zellen senden, die sich schließlich ebenfalls in Zombie-Zellen verwandeln oder absterben können, erläutert Dr. Yadav.
„Fenchol beeinflusst tatsächlich die beiden miteinander verbundenen Mechanismen der Seneszenz und der Proteolyse“, betont der Studienautor. So reduziere der pflanzliche Wirkstoff die Bildung von halbtoten Zombie-Neuronenzellen und erhöhe den Abbau von Beta-Amyloid, wodurch das Amyloid viel schneller aus dem Gehirn entfernt wird.
Weitere Studien erforderlich
Doch bevor eine Empfehlung zum Verzehr von Basilikum als Alzheimer-Vorbeugung ausgesprochen werden kann oder eine therapeutische Anwendung von Fenchol in Frage kommt, sind nun weitere Forschungsarbeiten erforderlich, so der Experte.
Eine wichtige Frage sei zum Beispiel, ob Fenchol in Basilikum mehr oder weniger bioaktiv (wirksam) ist als der isolierte Wirkstoff bei Verabreichung in einer Pille. „Wir wollen auch wissen, ob eine hohe Dosis von Basilikum oder Fenchol ein schnellerer Weg wäre, um die Substanz ins Gehirn zu bringen“, erläutert Dr. Yadav. Die entdeckte Wirkung auf den Signalweg des Free Fatty Acid Receptor 2 und die Beta-Amyloid-Ablagerungn im Gehirn liefert jedoch bereits vielversprechende Grundlagen für die weitere Forschung. (fp)
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Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Atefeh Razazan, Prashantha Karunakar, Sidharth P. Mishra, Shailesh Sharma, Brandi Miller, Shalini Jain, Hariom Yadav: Activation of Microbiota Sensing – Free Fatty Acid Receptor 2 Signaling Ameliorates Amyloid-β Induced Neurotoxicity by Modulating Proteolysis-Senescence Axis; in: Frontiers in Aging Neuroscience (veröffentlicht 05.10.2021), frontiersin.org
- University of South Florida (USF Health): Natural compound in basil may protect against Alzheimer’s disease pathology (veröffentlicht 05.10.2021), usf.edu
Wichtiger Hinweis:
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