Lohn-Entschädigung für Ungeimpfte in Quarantäne entfällt
Im September 2021 wurde auf der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) beschlossen, dass ungeimpfte Beschäftigte keine Entschädigungsleistungen mehr erhalten, wenn sie aufgrund staatlich angeordneter Quarantänemaßnahmen nicht arbeiten können. Spätestens am 1. November 2021 soll diese Regelung in allen Bundesländern in Kraft treten. Personen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen und dies durch einen ärztlichen Attest nachweisen können, erhalten jedoch weiterhin Zahlungen im Quarantänefall.
Regierung erhöht Druck auf ungeimpfte Beschäftigte
Nach Aussage von Arbeitsrecht-Professor Dr. Peter Wedde der Frankfurt University of Applied Sciences bildet das sogenannte Masernschutzgesetz, welches zum 1. März 2020 neu in das Infektionsschutzgesetz (Satz 4 in § 56 Abs. 1) aufgenommen wurde, die Grundlage für die neue Regelung. Demnach haben Personen kein Recht auf Entschädigungszahlungen, wenn sie die Quarantäne durch empfohlene Maßnahmen, wie beispielsweise eine Impfung, hätten vermeiden können.
„Der teilweise Wegfall der Entschädigungsleistungen bezieht sich nur auf Quarantänemaßnahmen und hat nichts mit der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz zu tun“, betont Professor Dr. Wedde. Der Experte für Arbeitsrecht steht der neuen Regelung kritisch gegenüber.
Arbeitgeber kann Lohn oder Gehalt zurückfordern
Der Arbeitgeber zahlt in der Regel im Quarantänefall Lohn oder Gehalt weiter und kann im Nachhinein von der zuständigen staatlichen Behörde eine entsprechende Erstattung beantragen. „Dieses Verfahren führt aber zwangsläufig für alle Beteiligten zu Problemen, für die der Gesetzgeber keine zufriedenstellende Lösung vorgesehen hat“, erläutert Wedde.
Arbeitsrecht-Professor macht auf drohende Probleme aufmerksam
Laut Professor Dr. Wedde eröffnen sich durch die neue Regelung zahlreiche potenzielle Probleme sowie für Arbeitgebende als auch für Arbeitnehmende. Denn für Arbeitgeber besteht künftig die Gefahr, dass Lohn- oder Gehaltsausgleichzahlungen im Quarantänefall nicht erstattet werden, wenn die betroffenen Arbeitnehmenden nicht geimpft sind.
Arbeitgeber darf Impfstatus-Angaben nicht einfordern
Die Beschäftigten können aus Datenschutzgründen die Angabe über ihren Impfstatus gegenüber dem Arbeitgeber verweigern beziehungsweise der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, die Arbeitnehmenden zu dieser Auskunft zu zwingen, selbst wenn dies Teil einer Betriebsvereinbarung ist. Eine Angabe zur Impfung sei immer freiwillig.
Wie Wedde erklärt, kann der Arbeitgeber die geleisteten Zahlungen im Quarantänefall von den Beschäftigten zurückfordern, wenn vom Staat keine Erstattung erfolgt. Aus diesem Verhältnis erwachse eine gewisse Unsicherheit auf beiden Seiten.
Angaben zur Gesundheit im Arbeitsverhältnis
Arbeitnehmende vermeiden oftmals Angaben über ihre Gesundheit gegenüber dem Arbeitgeber, da sie befürchten, dass „hieraus Zweifel an ihrer Leistungsfähigkeit abgeleitet werden“, so Wedde. Auch eine Attest-Vorlegung zum Nachweis darüber, dass man nicht geimpft werden kann, sei kritisch, da der Arbeitnehmer daraus bestehende Grunderkrankungen ableiten könnte, die auf eine mögliche Leistungseinschränkung hinweisen.
Wenn es hart auf hart kommt, könnte der Arbeitgeber eine Zahlung im Quarantänefall verweigern, wenn die Beschäftigten ihren Impfstatus nicht offenlegen möchten. Die Beschäftigten könnten dann den Arbeitgeber vor einem Arbeitsgericht verklagen. Im Rahmen der Verhandlung werde dann in der Regel die Offenlegung von Impf- oder Infektionsinformationen verlangt, schildert der Professor für Arbeitsrecht.
Recht auf Ersatzleistungen müsste vorab geprüft werden
Professor Wedde bemängelt das Fehlen der notwendigen verfahrensrechtlichen Absicherung der betroffenen Beschäftigten: „Es gibt kein spezifisches Datenschutzkonzept für Impfdaten, durch das eine absolute Zweckbindung und kurze Löschfristen festgeschrieben werden.“ Auf der verfahrensrechtlichen Ebene wäre es ihm zufolge möglich, die Prüfung der Anspruchsberechtigung auf Ersatzleistungen direkt von den staatlichen Stellen durchführen zu lassen, die eine Quarantäne anordnen.
Damit könne man beispielsweise vermeiden, dass Arbeitgeber erfahren, welche Angestellten bereits mit SARS-CoV-2 infiziert waren oder welche aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden dürfen. „Dass der Gesetzgeber auf die Verankerung derartiger Vorkehrungen verzichtet hat, birgt zudem die Gefahr, dass der Umgang mit Gesundheitsdaten von der Ausnahme zur Regel wird und dass Beschäftigte deshalb fürchten müssen, aufgrund bestehender medizinischer Probleme berufliche Nachteile zu erleiden“, resümiert Wedde.
Betroffene könnten auf Ausweichstrategien zurückgreifen
Darüber hinaus erwartet der Arbeitsrecht-Experte, dass Beschäftigte, die ihren Impfstatus oder ein entsprechendes Attest nicht aufdecken wollen, auf „Ausweichstrategien“ zurückgreifen. Kontakte zu infizierten Personen könnten beispielsweise aus Angst vor finanziellen Nachteilen verschwiegen werden. Betroffene, die eine Quarantäne angeordnet bekommen, könnten zudem Krankheitssymptome vortäuschen, um eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt zu bekommen. In dem Fall sei der Arbeitgeber zu einer Entgeltfortzahlung verpflichtet. (vb)
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- Frankfurt University of Applied Sciences
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