Krebs: Neue Entdeckung könnte bei Therapien helfen
Lungenkrebs gehört in Deutschland zu den häufigsten bösartigen Erkrankungen. Die Behandlung dieser Krebsart soll die Erkrankung dauerhaft heilen oder den Tumor zumindest „in Schach halten“. Wenn dieser Krebs nicht behandelt wird, breitet er sich aus, streut im Körper Tochtergeschwülste und führt früher oder später zum Tod. Forschende berichten nun über eine neue Entdeckung, die in Zukunft bei der Therapie helfen könnte.
Lungenkrebs (Bronchialkarzinom) ist eine sehr häufige Krebserkrankung, die sich allerdings erst vergleichsweise spät durch Symptome und Beschwerden bemerkbar macht, erklärt der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ). Eine Forschungsgruppe aus Deutschland hat nun den Mechanismus der Tumorkommunikation
entschlüsselt.
Grundstein für innovative Therapieoptionen
Wie die Technische Universität (TU) Darmstadt in einer aktuellen Mitteilung schreibt, müssen die Zellen eines Tumors miteinander kommunizieren, damit er wachsen kann. Wenn die Kommunikation gestört wird, kann dies den Tumor bekämpfen helfen.
Die Arbeitsgruppe von Dr. Meike Saul an der TU Darmstadt hat einen Mechanismus entdeckt, der maßgeblich zur zellulären Kommunikation im Tumor beiträgt. Laut den Fachleuten könnte die Entdeckung zum Grundstein für innovative Therapieoptionen bei Lungenkrebs werden.
Die Ergebnisse der Studie wurden vor kurzem in der internationalen Fachzeitschrift „Journal of Extracellular Vesicles“ veröffentlicht.
Kommunikation zwischen den Zellen
Das Funktionieren eines mehrzelligen Organismus erfordert die genaue Koordination sämtlicher beteiligter Zellen – in gesundem Gewebe ebenso wie in Tumoren. Dabei ist die Kommunikation zwischen den Zellen von wesentlicher Bedeutung und erfolgt über direkten zellulären Kontakt oder über Botenstoffe.
Zudem zeigen neueste Studien, dass Zellen kleine extrazelluläre Vesikel, sogenannte Exosome mit einer Größe von 50 bis 200 Nanometern, in die Umgebung abgegeben, die wesentlich zur zellulären Kommunikation beitragen.
Diesen Vesikeln wurde lange Zeit wenig biologische Bedeutung beigemessen. Es wurde davon ausgegangen, dass die Zellen damit überflüssige Moleküle entsorgen. Mittlerweile weiß man von der fundamentalen Bedeutung dieser Vesikel für die Regulation verschiedener physiologischer Prozesse und Krankheiten wie zum Beispiel Krebs.
Bei der Kommunikation innerhalb der Zelle spielen vor allem die in Exosomen enthaltenen mikroRNA (miRNA) eine wichtige Rolle. Dabei handelt es sich um kleine Ribonukleinsäure-Moleküle, die eine zentrale Rolle bei der Regulation der Genexpression und der zellulären Proteinsynthese spielen.
Führende Ursache für krebsbedingte Todesfälle
Die Arbeitsgruppe um Dr. Meike Saul untersucht die physiologische Funktion von solchen exosomalen miRNA und konnte zuletzt mit ihren Untersuchungen zum Lungenkrebs einen großen Erfolg erzielen. Lungenkrebs ist laut den Fachleuten weltweit die führende Ursache für krebsbedingte Todesfälle. Das nicht-kleinzellige Lungenkarzinom ist dabei die häufigste Form dieser Krebsart und macht etwa 80 Prozent aller Fälle aus.
Es ist bereits bekannt, dass die meisten Fälle von nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom mit einer Überexpression des pro-inflammatorischen Lipidmediators Prostaglandin E2 (PGE2) einhergehen, der das Tumorwachstum stark fördert. Das Ausmaß, in dem entzündungs- und tumorfördernde Lipidmediatoren die Kommunikation per Exosom zwischen Zellen beeinflussen, wurde bisher aber noch nicht untersucht.
Das Team aus Darmstadt hat zusammen mit Forschenden der Universität Gießen und des Karolinska Institutet (Stockholm/Schweden) zum ersten Mal zeigen können, dass PGE2 die exosomale Sekretion der mikroRNA miR-574-5p aus Lungenkrebszellen signifikant steigert.
Die Forschenden fanden zudem heraus, dass diese miR-574-5p, die im Exosom transportiert wird, einen Immunrezeptor aktiviert, wodurch der PGE2-Spiegel sinkt. Innerhalb der Zelle dagegen stößt miR-574-5p die PGE2-Biosynthese an.
Die Studie zeigte, dass eine Kombination aus intrazellulärer und exosomaler miR-574-5p den PGE2-Spiegel über eine Rückkopplungsschleife steuert. So lässt sich womöglich auch das Tumorwachstum beeinflussen.
Tumorhemmende Wirkung nicht bei allen
Bei einem der häufigsten Subtypen des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms, dem Adenokarzinom, konnte ein Einfluss der exosomalen miR-574-5p auf die PGE2-Biosynthese beobachtet werden. Das Forschungsteam führt dies auf die einzigartige Zusammensetzung unterschiedlicher Proteine auf der exosomalen Oberfläche zurück.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten mit der Studie erstmalig zeigen, dass die Funktion einer miRNA innerhalb der Zelle gegensätzlich zu ihrer Funktion im Exosom sein kann.
Abhängig vom Aufnahmemechanismus kann eine exosomale miRNA an unterschiedlichen Stellen innerhalb einer Zelle freigesetzt werden, was die Funktion der miRNA entscheidend beeinflussen kann.
Der neu entdeckte Zusammenhang zwischen miR-574-5p und PGE2 eröffnet eine neue therapeutische Möglichkeit für Lungenkrebs. „Die Ergebnisse geben die Grundlage für die Entwicklung innovativer und personalisierter Therapieansätze“, sagt Saul.
„Die Kombination von Standard-Krebstherapien mit Inhibitoren der PGE2-Synthese stellt eine vielversprechende Behandlungsstrategie dar“, erläutert der Experte. Zu den bekannten PGE2-Hemmern gehören beispielsweise nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR). „Leider konnte die tumorhemmende Wirkung von PGE2-Inhibitoren nicht bei allen Tumorpatienten und -patientinnen beobachtet werden“, so Saul.
Das sei auf die individuelle PGE2-Syntheserate der Erkrankten zurückzuführen. Daher ist das Ziel, einen Biomarker zu finden, der Patientinnen und Patienten identifiziert, die von der Gabe von PGE2-Inhibitoren profitieren könnten (Stratifizierungsmarker).
„Die miR-574-5p kann als Tumor- und Stratifikationsmarker dienen, um Lungentumorpatientinnen und -patienten auszuwählen, die auf die pharmakologische Hemmung der PGE2-Biosynthese ansprechen. Wir führen zurzeit eine klinische Studie durch, um unsere Hypothese weiter zu validieren“, erklärt Saul.
Die Studie wurde gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie durch die Wilhelm Sander-Stiftung. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Technische Universität Darmstadt: Kleines Molekül steuert den Lungenkrebs, (Abruf: 12.10.2021), Technische Universität Darmstadt
- Donzelli J, Proestler E, Riedel A, Nevermann S, Hertel B, Guenther A, Gattenlöhner S, Savai R, Larsson K, Saul MJ: Small extracellular vesicle-derived miR-574-5p regulates PGE2-biosynthesis via TLR7/8 in lung cancer; in: Journal of Extracellular Vesicles, (veröffentlicht: 01.10.2021), Journal of Extracellular Vesicles
- Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums: Lungenkrebs: Früherkennung, Symptome und Warnzeichen, (Abruf: 12.10.2021), Krebsinformationsdienst
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.