Kopfschmerzen bei Kindern werden oft nicht ernst genommen
Leistungsdruck in der Schule oder der Ausbildung, emotionaler Stress während der Pubertät, zu viel Zeit am Smartphone, Computer oder Fernseher und zu wenig Bewegung: Fachleute machen den veränderten Lebensstil dafür verantwortlich, dass immer mehr Kinder und Jugendliche bereits im Schulalter über Kopfschmerzen klagen. Doch ihre Beschwerden werden oft nicht ernst genommen. Gezielte Maßnahmen können zu einer Linderung der Schmerzen führen.
Studien zufolge haben mehr als zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler regelmäßig Kopfschmerzen, berichtet die Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. in einer Mitteilung, die beim idw – Informationsdienst Wissenschaft veröffentlicht wurde. Rund 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen verpassen demnach dadurch wiederholt den Unterricht. Häufig sind Leistungsdruck, emotionaler Stress, zu viel Zeit am Bildschirm und zu wenig Bewegung die Ursache – der monatelange Lockdown hat all diese Faktoren deutlich verstärkt.
Zwei Drittel leiden regelmäßig an Kopfschmerzen
Wie eine Studie, die in der Fachzeitschrift „Current Pain and Headache Reports“ publiziert wurde, zeigt, können Kinder und Jugendliche, die regelmäßig an Kopfschmerzen leiden, schnell in einen Teufelskreis aus Leistungsabfall, Schulangst und sozialer Isolation geraten.
„Eltern sollten Kopfschmerzen nicht bagatellisieren. Kopfschmerzen können den Alltag und die Zukunft junger Menschen stark beeinträchtigen“, mahnt PD Dr. med. Gudrun Goßrau, Leiterin der Kopfschmerzambulanz im Interdisziplinären Universitätsschmerzzentrum am Universitätsklinikum Dresden.
In einer Querschnittsstudie in Dresden, mit mehr als 2.700 befragten Schülerinnen und Schülern, gaben über zwei Drittel aller Befragten an, regelmäßig an Kopfschmerzen zu leiden. Über ein Fünftel aller Kinder und Jugendlichen mit mehr als zwei Kopfschmerztagen im Monat fehlten dadurch regelmäßig in der Schule.
Schneller Griff zu Medikamenten
„Eine ärztliche Diagnose und Therapie der Kopfschmerzen erhalten nur die Wenigsten“, sagt Dr. Goßrau. „Dabei sind Migräne und Spannungskopfschmerz die häufigsten eigenständigen Schmerzdiagnosen bei Kindern und Jugendlichen“, so die Kopfschmerzexpertin.
Alarmierend sei, dass Kopfschmerzen stattdessen oft in Eigenregie mit frei verkäuflichen Medikamenten bekämpft werden. „Schmerzmittel sollten Kinder aber nur einnehmen, wenn sie vom Arzt oder der Ärztin in geeigneter Dosierung verordnet wurden“, sagt Goßrau.
Denn bei häufiger Einnahme könnten Medikamente die Kopfschmerzen auch weiter verstärken. Manche Präparate seien für Kinder gar nicht geeignet.
Erhöhtes Risiko für die Entwicklung weiterer Schmerzen
Daten einer aktuellen, in der Fachzeitschrift „Cephalalgia“ veröffentlichten Studie zeigen, dass Migräne in der vulnerablen Übergangsphase zwischen Jugend- und Erwachsenenalter mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung weiterer Schmerzen im Erwachsenenalter assoziiert ist.
„Es besteht deshalb akuter Handlungsbedarf, wenn Kinder regelmäßig an Kopfschmerzen leiden“, sagt die Expertin. In vielen Fällen könnten schon einfache, aber gezielte Maßnahmen zu einer Linderung führen.
Dazu zählen beispielsweise die Umstellung des Tagesrhythmus, mehr Entspannungszeiten (ohne Handy), ausreichendes Trinken und regelmäßiges Schlafen. „Auch regelmäßiger Sport und weniger Termindruck reduzieren Kopfschmerzen erheblich“, so Goßrau. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Vera Nieswand, Matthias Richter & Gudrun Gossrau: Epidemiology of Headache in Children and Adolescents—Another Type of Pandemia; in: Current Pain and Headache Reports, (veröffentlicht: 25.08.2020), Current Pain and Headache Reports
- Nieswand V, Richter M, Berner R et al.: The prevalence of headache in German pupils of different ages and school types; in: Cephalalgia, (veröffentlicht: 18.03.2019), Cephalalgia
- Gerstl L, Tadych N, Heinen F et al.: Migraine and the development of additional psychiatric and pain disorders in the transition from adolescence to adulthood; in: Cephalalgia, (veröffentlicht: 23.06.2021), Cephalalgia
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.