10-Jahres-Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall einfach ermitteln
Für die Bestimmung des persönlichen Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist gewöhnlich ein Besuch in einer Arztpraxis erforderlich, wo beispielsweise Blutdruckmessungen und Blutfettanalysen durchgeführt werden. Ein neues nicht-klinisches Vorhersagemodell soll nun auch ohne Arztbesuch einfach und präzise ermitteln, wie hoch das Risiko eines Menschen ist, innerhalb der nächsten zehn Jahre einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden.
Eine Arbeitsgruppe des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) und des Deutschen Krebsforschungszentrums hat ein zuverlässiges Vorhersagemodell entwickelt, das eine einfache Risikoermittlung ohne medizinische Hilfe ermöglicht. Das Modell gibt darüber hinaus Empfehlungen, wie das individuelle Erkrankungsrisiko gesenkt werden kann. Laut dem Forschungsteam birgt das Vorhersagemodell großes Präventionspotential bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Ergebnisse wurden kürzlich im dem renommierten Fachjournal „Scientific Reports“ vorgestellt.
Die größten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind in Deutschland die Ursache für rund 40 Prozent aller Todesfälle. Das Risiko für Herzkrankheiten steigt zum Teil durch unveränderbare Faktoren wie Alter, Geschlecht und genetischer Veranlagung, aber auch durch veränderbare Lebensstilfaktoren wie Ernährung, Bewegung und Raucherstatus. Daneben haben gut behandelbare Erkrankungen wie Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen einen hohen Einfluss auf das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Ein Team um Dr. Catarina Schiborn und Professor Dr. Matthias Schulze hat nun auf der Datengrundlage von 27.500 Menschen eine einfache Risikoermittlung entwickelt, um anhand von einfachen Angaben das 10-Jahres-Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall einschätzen zu können – alles ohne Unterstützung von medizinischem Personal.
Bislang verfügbare Modelle nur eingeschränkt nutzbar
„Die wenigen Vorhersagemodelle, die sich unabhängig von einer medizinischen Untersuchung nutzen lassen, haben methodische Einschränkungen und ihre Anwendung erfordert beispielsweise Informationen zur Aufnahme einzelner Nährstoffe wie Ballaststoffe“, erklärt Dr. Schiborn. Dadurch seien sie ohne eine umfassende Datenerhebung zur Ernährung kaum anwendbar.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben daher ein evidenzbasiertes Vorhersagemodell entwickelt, welches leicht zu erfassende Informationen nutzt, um eine schnelle und arztunabhängige Einschätzung des Herzerkrankungsrisikos zu ermöglichen. „Ein solches Werkzeug würde die Präventionsmöglichkeiten erheblich verbessern, denn durch den breiten Einsatz könnten Hochrisikopersonen frühzeitig auch im Rahmen von zum Beispiel Gesundheitskampagnen und -screenings erkannt, informiert und im weiteren Verlauf behandelt werden“, betont Dr. Schiborn.
Welche Faktoren werden berücksichtigt?
Die Modellentwicklung erfolgte auf der Grundlage von Gesundheits- und Lebensstil-Daten von rund 27.500 Teilnehmenden der sogenannten EPIC-Potsdam-Studie. Das Modell nutzt Parametern wie Alter, Geschlecht, Hüftumfang, Rauchverhalten, Bluthochdruck und Typ-2-Diabetes sowie Erkrankungsfälle in der Familie. Darüber hinaus erfasst das Modell Ernährungsgewohnheiten, wie beispielsweise den Verzehr von Vollkornprodukten, rotem Fleisch und Pflanzenölen.
Anhand dieser Daten gelang der Arbeitsgruppe eine zuverlässige Berechnung des Risikos eines Menschen, innerhalb der kommenden zehn Jahre einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall zu erleiden.
Neues Modell war genauso präzise wie etablierte Modelle
Die Forschenden testeten das Vorhersagemodell an Daten aus der Heidelberger EPIC-Studie. Zudem verglich das Team das Modell mit Berechnungen aus etablierten Vorhersagemodellen. Dabei zeigte sich, dass die Risikoeinschätzungen aus dem neuen nicht-klinischen Modell ebenso präzise sind, wie die Einschätzungen aus klinischen Modellen, die medizinische Untersuchungen voraussetzen.
Lebensstil-Faktoren gewinnen an Bedeutung
„Dass unser Vorhersagemodell sich im Vergleich zu klinischen Tests stärker auf Verhaltensparameter stützt, ist ein großer Vorteil“, hebt Professor Dr. Schulze hervor. So trete die Bedeutung eines präventiven Lebensstils für die Herz- und Gefäßgesundheit in den Vordergrund, statt den Fokus auf die medikamentöse Behandlung als Konsequenz eines unvorteilhaften Lebensstils zu richten.
Erste Empfehlungen zur Senkung des Risikos
Das Modell gebe gleich die ersten Empfehlungen zur Reduzierung des persönlichen Risikos. Typische Stellschrauben seien die Reduzierung des Hüftumfangs, die Aufgabe des Rauchens und eine gesündere Ernährung.
Diabetes- und Herzerkrankungsrisiko gleichzeitig ermitteln
Die Forschenden arbeiten nun daran, die Erkenntnisse in Form eines frei verfügbaren Papier- und Online-Fragebogens zur Verfügung zu stellen. Geplant sei, das Online-Tool mit dem ebenfalls am DIfE entwickelten „Diabetes-Risiko-Test® (DRT)“ zusammenzuführen, der bereits auf der Webseite der Institution frei verfügbar ist. Auf diese Weise können die Nutzerinnen und Nutzer zukünftig ihr Risiko für Typ-2-Diabetes sowie das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen gleichzeitig ermitteln, ohne dafür eine Ärztin beziehungsweise einen Arzt aufsuchen zu müssen. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Auch ohne Arztbesuch: Neues nicht-klinisches Modell sagt zuverlässig Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorher (veröffentlicht: 14.10.2021), dife.de
- Schiborn, C., Kühn, T., Mühlenbruch, K. et al. A newly developed and externally validated non-clinical score accurately predicts 10-year cardiovascular disease risk in the general adult population; in: Sci Rep. 2021, nature.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.