Chemikalien aus Plastikbehältern für Kosmetik beeinflussen Hormone
Rund 100.000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr sollen in den USA laut einer aktuellen Studie auf die tägliche Exposition gegenüber Chemikalien aus Plastikbehältern zurückzuführen sein. Die Chemikalien stammen vor allem aus Behältern für Kosmetikartikel. Sie scheinen die Funktion von Hormonen zu beeinträchtigen und so das Risiko für Adipositas, Diabetes und Herzerkrankungen zu erhöhen.
Forschende der NYU Langone Health (USA) fanden heraus, dass sogenannte Weichmacher in Form von Phthalaten, die zur Herstellung von Kunststoffbehältern verwendet werden, die natürliche Zirkulation von Hormonen beeinflussen. Darunter sind Hormone, die wichtige Prozesse im gesamten Körper steuern. Menschen, die regelmäßig in Kontakt mit den Phthalaten kommen, könnten deshalb ein erhöhtes Risiko eines vorzeitigen Tod aufweisen, warnt die Arbeitsgruppe. Die entsprechenden Studienergebnisse wurden kürzlich in dem Fachjournal „Environmental Pollution“ publiziert.
Was sind Phthalate?
Laut dem Umweltbundesamt sind Phthalate Verbindungen der Phthalsäure. Sie werden als Weichmacher für Kunststoffe eingesetzt, wodurch harte Kunststoffe elastische Eigenschaften bekommen. Allein die chemische Industrie in Westeuropa produziert rund eine Million Tonnen Phthalate pro Jahr für Plastikartikel.
Wie wirken Phthalate im Körper?
Die verschiedenen Phthalate haben nach Angaben des Umweltbundesamtes unterschiedliche Wirkungen auf den Organismus. Zu dieser Stoffgruppe zählen beispielsweise die sogenannten endokrinen Disruptoren, die eine nachweisliche Wirkung auf das Hormonsystem haben. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) stuften daher zum Beispiel die Phthalate DEHP, DBP und BBP als fortpflanzungsgefährdend ein. Darüber hinaus wirkte Di(2-propylheptyl)phthalat (DPHP) in Tierversuchen schädigend auf lebenswichtige Hormondrüsen, die Schilddrüse und die Hirnanhangsdrüse.
Weitere Chemikalien dieser Stoffgruppe mit den Abkürzungen DINP und DIDP scheinen toxisch auf die Leber zu wirken. In der EU wurden Grenzwerte für Phthalate mit nachgewiesenen schädlichen Eigenschafen eingeführt. In manchen Produkten sind sie sogar ganz verboten. Das mögliche Zusammenwirken mehrerer Phthalate wurde bislang jedoch nicht berücksichtigt. Neuste Untersuchungen weisen darauf hin, dass sich die schädlichen Wirkungen addieren könnten.
Wo sind Weichmacher enthalten
LAut dem Umweltbundesamt gehen mehr als 90 Prozent der Phthalate in die Produktion des Weich-PVC und werden zum Beispiel in Kabeln, Folien, Fußbodenbelägen, Schläuchen, Tapeten, Sport- und Freizeitartikeln eingesetzt. Auch die Verpackung vieler Kosmetika wie Shampoo, Duschgel und Zahnpasta sowie Haut- und Sonnencremes, Haarsprays oder Haargel könne die Weichmacher enthalten. In PET-Flaschen sind laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Phthalate jedoch nicht enthalten.
Phthalate im Urin mit höherem Risiko für vorzeitigen Tod verbunden
Phthalate gelten bereits seit Jahrzehnten als potenzielle Gesundheitsgefahr für den Menschen, da die Chemikalie die Funktion von Hormonen beeinträchtigen kann. Es gab bereits Hinweise darauf, dass sich diese Giftstoffe durch die regelmäßige Verwendung von Plastikbehältern anreichern können.
Die Arbeitsgruppe unter Leitung der NYU Grossman School of Medicine zeigte nun in einer Untersuchung an über 5.000 Erwachsenen im Alter zwischen 55 und 64 Jahren, dass diejenigen mit den höchsten Konzentrationen von Phthalaten im Urin eher an einer Herzerkrankung oder an einer anderen Krankheit sterben als diejenigen mit einer geringeren Belastung von Phthalaten im Urin. Ein erhöhtes Risiko für Krebs konnte jedoch nicht mit den Phthalaten in Verbindung gebracht werden.
Erste nachgewiesene Verbindung mit erhöhtem Risiko für vorzeitigen Tod
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine erhöhte Phthalatbelastung mit einem frühen Tod, insbesondere durch Herzerkrankungen, verbunden ist“, betonen die Studienhauptautoren Dr. Leonardo Trasande und Professor Jim G. Hendrick. „Bis jetzt wussten wir, dass die Chemikalien mit Herzkrankheiten in Verbindung stehen, und Herzkrankheiten wiederum sind eine der Haupttodesursachen, aber wir hatten die Chemikalien selbst noch nicht mit dem Tod in Verbindung gebracht“, so die Forschenden.
Ursächlicher Mechanismus noch nicht geklärt
Dr. Trasande gibt zu bedenken, dass die aktuelle Studie keinen direkten kausalen Zusammenhang zwischen Phthalat-Expositionen und einem frühen Tod herstellt. Das liege daran, dass die spezifischen biologischen Mechanismen noch unklar sind. Die Forschenden wollen nun in einer weiteren Studie die Rolle von Phthalaten bei der Hormonregulierung und bei der Entstehung von Entzündungen im Körper untersuchen.
Beweise gegen Phthalate verdichten sich
Nach Angaben von Dr. Trasande verdichten sich jedoch die Beweise für die schädlichen Auswirkungen von Phthalaten. Frühere Studien legten bereits nahe, dass eine erhöhte Exposition mit einem niedrigeren Testosteronspiegel bei erwachsenen Männern in Verbindung steht. Die Forschenden schätzen die jährliche wirtschaftliche Belastung in den USA, die durch die Phthalate verursacht wird, auf 40 bis 47 Milliarden Dollar.
Forschungsteam fordert Begrenzung von Phthalaten
„Unsere Forschungen deuten darauf hin, dass die Auswirkungen dieser Chemikalie auf die Gesellschaft viel größer sind, als wir zunächst dachten“, unterstreicht Dr. Trasande. Die Beweise seien „unbestreitbar“. Die Forschenden fordern daher die Begrenzung der Exposition gegenüber den Giftstoffen, um das körperliche und finanzielle Wohlergehen der Bevölkerung zu schützen. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- NYU Langone Health: Deaths Linked to ‘Hormone Disruptor’ Chemical Costs Billions in Lost U.S. Productivity (veröffentlicht: 12.10.2021), nyulangone.org
- Leonardo Trasande, Buyun Liu, Wei Bao, et al.: Phthalates and attributable mortality: A population-based longitudinal cohort study and cost analysis; in: Environmental Pollution, 2021, sciencedirect.com
- Umweltbundesamt: Häufige Fragen zu Phthalaten bzw. Weichmachern (Stand: 21.11.2016), umweltbundesamt.de
- Bundesinstitut für Risikobewertung: Fragen und Antworten zu PET-Flaschen (veröffentlicht: 16. Juli 2020), bfr.bund.de
Wichtiger Hinweis:
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