Herzproblem: Schwachstelle für Herzschwäche verursachende Erbkrankheit entdeckt
Das Barth-Syndrom trifft laut Fachleuten nur Jungen, und zwar häufig schon in den ersten Lebensmonaten. Die Erbkrankheit kann unter anderem eine Herzschwäche (Herzinsuffizienz) zur Folge haben. Forschende haben jetzt eine Schwachstelle für das Herzproblem entdeckt.
Das Barth-Syndrom ist eine seltene X-chromosomal vererbte Erkrankung, die nur Jungen betrifft und Immundefekte, Muskelschwäche und Herzinsuffizienz (Herzschwäche) zur Folge hat, erklärt das Universitätsklinikum Würzburg (UKW) auf seiner Webseite. Betroffene dürfen möglicherweise bald aufatmen. Denn Forschende haben eine Schwachstelle für das Herzproblem entdeckt.
Ursache für Herzfunktionsstörungen entlarvt
Wie das UKW in einer aktuellen Mitteilung schreibt, hat Christoph Maack mit seinem Team im Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI) den Calciumkanal in den Mitochondrien als Ursache für ihre Herzfunktionsstörungen entlarvt.
Den Angaben zufolge geht das Barth-Syndrom auf einen Defekt des Tafazzin-Gens zurück, und Tafazzin produziert Cardiolipin, einen wesentlichen Bestandteil der Mitochondrienmembran. Die Krankheit betrifft meist Jungen im frühen Kindesalter und verursacht Herzschwäche und Herzrhythmusstörungen.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden heraus, dass durch den Defekt des Cardiolipin der Calciumkanal in Mitochondrien verloren geht. Weil Calcium der wichtigste Botenstoff für die Anpassung der Energieproduktion an einen erhöhten Bedarf ist, erklärt dieser Defekt die Unfähigkeit der Barth-Herzen, bei körperlicher Aktivität die Pumpleistung zu steigern, jedoch auch das Auftreten von Herzrhythmusstörungen.
Diese Erkenntnisse, die vor kurzem in der Fachzeitschrift „Circulation“ veröffentlicht wurden, sind nicht nur ein Lichtblick in der Behandlung des seltenen Barth-Syndroms, sondern könnten auch zum verbesserten Verständnis und der Behandlung der weiter verbreiteten Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF) beitragen.
Zusammenhang mit dem Calciumhaushalt
In der Regel pumpt das Herz pro Minute vier bis fünf Liter Blut in unseren Körper, bei hoher Belastung sogar bis zu 30 Liter pro Minute, sofern es gesund ist. Bei Jungen, die am Barth-Syndrom leiden, schlägt das Herz bei Anstrengung zwar schneller, der Auswurf kann jedoch nicht entsprechend gesteigert werden. Die Folge ist Luftnot bei Belastung. Hinzu kommen Herzrhythmusstörungen, die mitunter auch zum plötzlichen Tod führen können.
Der Kardiologe Christoph Maack und der Biologe Jan Dudek, die schon seit Jahren an den Krankheitsmechanismen des Barth-Syndroms forschen, fanden heraus, dass die durch den Defekt des Tafazzin-Gens beeinträchtige Energiegewinnung der Herzmuskelzellen mit dem Calciumhaushalt zusammenhängen.
Den Angaben zufolge wird durch die verminderte Calciumaufnahme in den Mitochondrien, den Kraftwerken der Herzmuskelzelle, die Aktivierung des Citratzyklus gestört. Laut der Mitteilung werden im Citratzyklus mithilfe des energieliefernden Coenzym NADH Elektronen für die Produktion des energiereichen Moleküls Adenosintriphosphat (ATP), und über NADPH Elektronen für die Entgiftung von Sauerstoffradikalen hergestellt.
Warum vermehrt Arrhythmien auftreten
Die Forschenden aus dem DZHI-Department Translationale Forschung haben jetzt den Mechanismus erkannt, warum sich das Herz-Zeit-Volumen nicht steigern lässt, und warum vermehrt Arrhythmien auftreten.
Früher wurde davon ausgegangen, dass das Fehlen von Cardiolipin vor allem der Atmungskette Probleme bereitet und Sauerstoffradikale die Zellen schädigen. Auch bei vielen anderen Herzkrankheiten ist das Cardiolipin durch oxidativen Stress geschädigt. Ein Mangel an diesem Phospholipid stört die Atmungskette, wodurch weniger Energie produziert wird.
„Obwohl wir in unseren Studien auch eine moderate Störung der Atmungskette feststellen konnten, haben wir keine übermäßigen Mengen an Radikalen gemessen“, erklärt Edoardo Bertero, Erstautor der Studie. „Stattdessen haben wir beobachtet, dass der Kanal, der für den Calciumimport in die Mitochondrien verantwortlich ist, der so genannte mitochondriale Calcium-Uniporter, kurz MCU, in Mäusen mit Tafazzin-Knockdown fast vollständig verschwunden war“, so der Wissenschaftler.
„Dies ist wichtig für Patienten mit Barth-Syndrom, weil es erklärt, warum ihre Herzen nicht in der Lage sind, ihre Auswurfleistung bei körperlicher Anstrengung zu erhöhen; aber auch für die allgemeine Herzphysiologie, weil es eine bisher nicht gewürdigte Funktion von Cardiolipin aufdeckt, nämlich die Stabilisierung des MCU-Protein-Komplexes.“
Wichtiger Therapieansatz
„Die Gen- und Proteinstruktur des mitochondrialen Calciumkanals ist erst seit zehn Jahren bekannt. Das Barth-Syndrom ist die erste uns bekannte Erkrankung, bei der ein relevanter Defekt des MCU in Herzzellen deren Funktion nachhaltig beeinträchtigt“, fügt Maack hinzu.
Mit dieser Entdeckung liefern die Forschenden einen wichtigen Therapieansatz, möglicherweise nicht nur bei der Behandlung des Barth-Syndroms, sondern auch bei anderen Herzerkrankungen mit erhaltener Pumpfunktion, und im speziellen bei anderen genetischen Kardiomyopathien.
„Hilfreich könnte vielleicht die Gabe von SGLT2-Hemmern sein. Sie reduzieren das Natrium in der Zelle, dadurch wird weniger Calcium aus den Mitochondrien herausgeholt, die Energiespeicher bleiben länger voll, sodass das Herz bei erhöhter Belastung besser mithalten kann“, meint Maack.
Das müsse jedoch erst noch untersucht werden. Weniger empfehlenswert seien Wirkstoffe, die die Pumpkraft des Herzens steigern, indem sie das Natrium erhöhen, wie beispielsweise das seit Jahrzehnten verwandte Digitalis.
In der Vergangenheit wurden Jungen mit Barth-Syndrom häufig nicht älter als drei Jahre. Sie starben an Herzversagen oder Infektionen. Doch mit einer verbesserten Diagnose und einer angemessenen medizinischen Behandlung und Überwachung aller Symptome ist die Überlebensrate und die Zukunft dieser Menschen viel besser.
„Genau das motiviert mich und spornt mich an. Die Krankheit ist zwar selten. Bekannt sind etwa 500 Fälle weltweit. Wir gehen jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus. Und was zählt ist das Schicksal jedes einzelnen Jungen“, sagt Maack. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universitätsklinikum Würzburg: Schwachstelle für Herzproblem entdeckt, (Abruf: 17.10.2021), Universitätsklinikum Würzburg
- Edoardo Bertero, Alexander Nickel, Michael Kohlhaas, Mathias Hohl, Vasco Sequeira, Carolin Brune, Julia Schwemmlein, Marco Abeßer, Kai Schuh, Ilona Kutschka. Christopher Carlein, Kai Münker, Sarah Atighetchi, Andreas Müller, Andrey Kazakov, Reinhard Kappl, Karina von der Malsburg, Martin van der Laan, Anna-Florentine Schiuma, Michael Böhm, Ulrich Laufs, Markus Hoth, Peter Rehling, Michaela Kuhn ,Jan Dudek, Alexander von der Malsburg, Leticia Prates Roma & Christoph Maack: Loss of Mitochondrial Ca2+ Uniporter Limits Inotropic Reserve and Provides Trigger and Substrate for Arrhythmias in Barth Syndrome Cardiomyopathy; in: Circulation, (veröffentlicht: 14.10.2021), Circulation
- Universitätsklinikum Würzburg: Barth-Syndrom, (Abruf: 18.08.2023), Universitätsklinikum Würzburg
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.