Hypertonie-Experte: „Die wichtigste Ursache hierzulande ist Übergewicht“
Professor Dr. Heribert Schunkert ist Kardiologe in München und zählt zu den renommiertesten Bluthochdruckexperten. Er ist zudem stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung und Direktor der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen am Deutschen Herzzentrum München. In einem Interview zu den Herzwochen 2021 erläutert der Fachmann gegenüber Dr. Irene Oswalt von der Deutschen Herzstiftung die wichtigsten Ursachen und Präventionmöglichkeiten für Bluthochdruck.
Laut der Deutschen Herzstiftung hat Hypertonie die fatale Eigenschaft, den Körper in aller Stille zu ruinieren. Wenn sich die Folgen bemerkbar machen, sind oftmals bereits deutliche Schäden entstanden. „Bemerkbar macht sich hoher Blutdruck durch Herzschwäche, koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt, Schlaganfall, Nieren- und Augenschäden“, fasst Professor Dr. Schunkert zusammen.
Welche Warnzeichen gibt es für Bluthochdruck?
Auf oft genannte Vorzeichen wie Kopfschmerzen, Schwindel oder eine auffallend rote Gesichtsfarbe sollte man sich laut dem Bluthochdruckexperten nicht verlassen. Solche vermeintlichen Warnzeichen seien allesamt unzuverlässig. „Wer darauf vertraut, rechtzeitig durch solche Symptome gewarnt zu werden, betreibt Vogel-Strauß-Politik“, verdeutlicht Schunkert. Im Bilde sei man nur, wenn man weiß, wie hoch der eigene Blutdruck ist.
Die Möglichkeiten zur Blutdruckmessung sind ihm zufolge vielfältig und leicht zu bewerkstelligen. Bei jedem Besuch bei einer Ärztin oder einem Arzt könne man den Blutdruck überprüfen lassen, ebenso in jeder Apotheke. Wer ein Blutdruckmessgerät besitzt, könne den Blutdruck auch einfach zu Hause kontrollieren.
Wann liegt Bluthochdruck vor?
„Liegt der Blutdruck wiederholt bei oder über 140/90 mmHg, besteht Bluthochdruck“, sagt Professor Dr. Schunkert. Liegt der Blutdruck regelmäßig zwischen 130 und 139 mmHg sei erhöhte Aufmerksamkeit angebracht, denn ein solcher Wert könne schnell in Bluthochdruck übergehen.
Was sind die wichtigsten Ursachen für Hypertonie?
„Die wichtigste Ursache des Bluthochdrucks hierzulande ist Übergewicht“, betont Professor Schunkert. Die zweitwichtigste sei Bewegungsmangel. Beide Risikofaktoren seien oftmals eng miteinander verbunden.
Wieso verursacht Übergewicht Bluthochdruck?
„Nehmen wir als Beispiel den Körper einer Frau, deren Herz-Kreislauf-System auf ein Gewicht von etwa 60 Kilogramm angelegt ist“, schildert der Bluthochdruckexperte. Wenn die Frau dann aber ein Gewicht von 90 Kilogramm mit sich herumträgt, müsse das Herz mehr arbeiten, also mehr Blut pro Minute auswerfen, als es bei 60 Kilogramm nötig ist.
„Das vermehrte Blutvolumen fließt durch Gefäße, die nur für einen Körper von 60 Kilogramm ausgelegt sind“, so der Kardiologe. Die Folge sei, dass die gesamte Blutversorgung des Körpers unter erhöhtem Druck stattfindet. Hinzu komme, dass bei Übergewicht die Hormone Aldosteron und Cortisol vermehrt ausgeschüttet werden. Sie treiben den Blutdruck weiter nach oben. Gleichzeitig wirke Übergewicht auf den Körper wie eine niedrig schwelende Entzündung.
„Übergewichtige Menschen neigen zu Atemaussetzern im Schlaf“, fügt Schunkert hinzu. Dadurch sinke die Sauerstoffsättigung des Blutes. Das führe zur Ausschüttung von Stresshormonen – und damit wiederum zu erhöhtem Blutdruck.
Weitere Folgen von Übergewicht
„Übergewicht führt nicht nur zu hohem Blutdruck, sondern auch zu Diabetes, sogar schon bei Kindern, zu Herz- und Krebserkrankungen und zum Verschleiß der Gelenke“, warnt Schunkert. Übergewicht sei zu einem enormen Gesundheitsproblem in Deutschland geworden. 54 Prozent aller Erwachsenen seien hierzulande übergewichtig oder stark übergewichtig.
Ernährungstipps vom Herzexperten
„Um nicht zuzunehmen, sollten leere Kohlenhydrate, die nur Kalorien liefern, vermieden werden: in erster Linie Zucker, zuckerhaltige Getränke, Süßigkeiten, Eis, aber auch Weißmehlprodukte wie Weißbrot, Kuchen, Kekse, Knabberzeug“, rät Professor Schunkert. Denn die leeren Kohlenhydrate gehen schnell ins Blut, sättigen aber nur kurze Zeit und wer schneller hungrig wird, isst im Durchschnitt auch mehr.
„Als optimal hat sich die sogenannte Mittelmeerküche erwiesen“, so Schunkert. Die Ernährungsform enthalte sehr viel Gemüse, Salat, Rohkost, Obst, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, magere Milchprodukte, wenig Fleisch, eher Fisch, eine Vielfalt von Kräutern und Gewürzen.
Spielt Salz eine Rolle für den Blutdruck?
„Wir essen zu viel Salz“, kritisiert der Kardiologe. In verarbeiteten Lebensmitteln sei viel Salz verborgen, beispielsweise in Brot, Wurst und Käse. Besonders salzreich seien auch Konserven- und Fertiggerichte.
Eine gesunde Ernährungsform löst das Salzproblem automatisch
„Ein Zuviel an Salz ist ein Zeichen für eine ungesunde Ernährung“, folgert der Herzexperte. Gemüse, Rohkost und Obst enthalten sehr wenig Salz. Wer sich für eine gesunde Ernährung entscheidet, esse automatisch salzärmer und löse damit den größten Teil des Salzproblems.
Warum führt Bewegungsmangel zu Blutdruckhochdruck?
„Unsere Gefäße haben die Aufgabe, das Blut dahin zu bringen, wo es gebraucht wird“, erklärt der Kardiologe. Sie seien nicht starre Röhren, sondern elastisch und dehnbar. Um das Gefäßsystem elastisch zu erhalten, müsse es trainiert werden. Wenn man hauptsächlich am Schreibtisch arbeitet und die Freizeit auf der Couch verbringt, fehle dieses Training. Als Folge können die Gefäße steif werden. Dann könne Blut nur noch mit erhöhtem Druck durch das Gefäßsystem transportiert werden.
Wie viel Bewegung braucht ein Mensch pro Woche?
„Ideal sind 30 Minuten Ausdauertraining an fünf Tagen in der Woche“, erläutert der Kardiologe. Dieses Maß an körperlicher Aktivität sollte man ihm zufolge so lange wie möglich beibehalten. Je nach Vorliebe könne das zum Beispiel ein strammer Spaziergang sein, Fahrradfahren, Joggen, Schwimmen, Tanzen oder Tennis spielen.
Warum erhöht Stress den Blutdruck?
„Heute ist Stress oft von Dauer: Stress bei der Arbeit, Angst vor Arbeitslosigkeit, Angst vor der Zukunft, Stress in der Familie“, so der Fachmann. Zur Stressbewältigung würden viele Menschen zu Zigaretten, fettigen oder gezuckerten Snacks und Alkohol greifen. Darüber hinaus führe Dauerstress auch ohne gesundheitsschädliche Ausgleichshandlungen zu chronischen Entzündungen im Körper, wodurch Gefäße geschädigt und der Blutdruck erhöht werde.
Welche Auswirkungen haben Umweltprobleme auf den Blutdruck?
„Luftverschmutzung, Schwefeldioxid und Feinstaub erhöhen den Blutdruck, ebenso dauernd hohe Lärmpegel durch Flugzeuge und Straßenverkehr“, so Professor Schunkert weiter. Auch der Klimawandel wirke sich aus, etwa durch extreme Hitzeperioden, die den Körper so unter Stress setzen, dass der Blutdruck steigen kann. „In Hitzeperioden treten Herzinfarkt und Schlaganfall vermehrt auf“, warnt der Herzexperte.
Vorbeugen könne man, indem man die Hitze möglichst meidet. Einen durch Schwitzen verursachten Flüssigkeitsverlust sollte man laut Schunkert nicht nur durch das Trinken von Wasser oder Tee, sondern den Verlust von Elektrolyten wie Natrium, Kalium, Magnesium auch durch den Verzehr von Gemüse, Salat und Obst ausgleichen. Manchmal falle der Blutdruck durch Wetterextreme so stark ab, dass die Dosis der Blutdruckmedikamente nach ärztlicher Rücksprache angepasst werden muss. Gerade während Hitzeperioden sollte der Blutdruck daher oft kontrolliert werden. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Detutsche Herzstiftung: Experten-Interview Bluthochdruck, Pressemappe Herzwochen 2021, Download PDF
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.