Intensivstationen können jedes dritte Bett nicht betreiben
In Deutschland gibt es rund 1.700 Intensivstationen an etwa 1.300 Krankenhäusern. Während der Corona-Pandemie wurden Betten auf Intensivstationen aufgestockt. Eine aktuelle Umfrage zeigt jedoch, dass über ein Drittel aller Intensivstationen wegen Personalmangel nicht in der Lage ist, alle vorhandenen Betten zu betreiben. Rund jedes dritte Intensiv-Bett wird deshalb dauerhaft gesperrt – ein Rekordniveau.
Aus einer aktuellen Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) sowie der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) geht hervor, dass 37 Prozent aller Intensivstationen in Deutschland dauerhaft Betten auf Intensivstationen sperren müssen. Weitere 22 Prozent der Intensivstationen müssen Betten zeitweise sperren. Grund sei hauptsächlich der Personalmangel. Die Umfrage wurde kürzlich im „Deutschen Ärzteblatt“ veröffentlicht.
Einschränkung der Notfallversorgung
Die Sperrung der Betten führt zu einer „Einschränkung der Notfallversorgung und zum Verschieben von Operationen“, zumindest vorübergehend, warnen DGIIN und DIVI. Befragt wurden 643 erfahrene Ärztinnen und Ärzte im Durchschnittsalter von 50 Jahren, die auf Intensivstationen arbeiten. 29 Prozent der Teilnehmenden sind Chefärzte und Chefärztinnen, 55 Prozent Oberärztinnen und Oberärzte.
Warum können so viele Betten nicht betrieben werden?
In 75 Prozent der Fälle gaben die Teilnehmenden an, dass die Hauptursache für die Bettensperrung ein Mangel an Pflegepersonal sei. 66 Prozent berichteten, dass zu wenig Stammpersonal auf der Intensivstation zur Verfügung stehe. 43 Prozent der Teilnehmenden gaben an, dass zunehmend Zeitarbeitende hinzugezogen würden.
Schlechte Stimmung auf den Intensivstationen
Über die Hälfe der Medizinerinnen und Mediziner (51 Prozent) gab an, dass sich die allgemeine Stimmung auf ihrer Intensivstation verschlechtert habe. 14 Prozent der Befragten berichtet sogar von einer sehr schlechten Stimmung.
Im Jahr 2018 führte die DGIIN und DIVI erstmals Befragungen unter Ärztinnen und Ärzten aufgrund von zunehmenden Berichten über Sperrungen von Intensivbetten durch. Schon vor der Corona-Pandemie wurde der Trend sichtbar. In den Pandemie-Monaten habe sich dieser Trend jedoch dramatisch zugespitzt.
Mit ausreichend Personal können die Intensivstationen im Durchschnitt zwölf High-Care-Intensivbetten und sechs Low-Care-Intensivbetten betreiben. Nur in den High-Care-Betten können Patientinnen und Patienten beatmet werden. Im Vergleich zu der Befragung aus dem Jahr 2018 sank der Anteil der Teilnehmenden, die angaben, keine Betten sperren zu müssen, in der aktuellen Umfrage von 44 Prozent auf 15 Prozent.
Ein neuer „Negativrekord“
„Vor der anstehenden Herbst- und Winterwelle der COVID-19-Pandemie mit zu erwartender hoher Belastung für das Personal sind somit bereits heute 20 Prozent der maximal betreibbaren High-Care-Betten und 35 Prozent der Low-Care-Betten gesperrt“, warnt die Arbeitsgruppe. 52 Prozent der befragten Medizinerinnen und Mediziner befürchten in den kommenden Monaten eine „unzureichende Versorgung der Bevölkerung“. Es zeige sich eine dramatische Entwicklung in die falsche Richtung.
Belastungsgrenze ist überschritten
Die Umfrage verdeutliche auch die schlechte Stimmung auf den Intensivstationen. Viele Stammangestellte haben während der zermürbenden Monate der Corona-Pandemie gekündigt. Es wurde versucht, die Lücken mit Zeitarbeitenden zu schließen.
Durchhalteparolen reichen nicht mehr
Die kommenden Wintermonate mit einem zu erwartenden Anstieg an schweren COVID-19-Verläufen sowie an weiteren respiratorischen Infektionen, wie Influenza oder RSV, könnten die Intensivstationen erneut an die Grenzen der Auslastung bringen, resümiert die Arbeitsgruppe. Ein „Weiter so“ werde dann nicht mehr reichen.
Die DGIIN sowie die DIVI halten es für dringend notwendig, eine offene Debatte zu Priorisierungsfragen sowie zur Verankerung gesundheitlicher oder vorausschauender Versorgungsplanungen in der Gesellschaft zu führen. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Christian Karagiannidis, Uwe Janssens, Stefan Kluge, et al.: Intensivstationen: Ein Drittel der Betten ist gesperrt; in: Dtsch Arztebl, 2021, aerzteblatt.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.