Genmutationen lösen Diabetes aus
Diabetes mellitus (die sogenannte Zuckerkrankheit) ist ein Überbegriff für verschiedene Erkrankungen des Stoffwechsels. Allen gemeinsam ist, dass sie zu erhöhten Blutzuckerwerten führen, weil Betroffene einen Mangel am Hormon Insulin haben und/oder die Insulinwirkung vermindert ist. Medizinisch werden verschiedene Diabetes-Formen unterschieden. Forschende berichten nun, dass Mutationen im Gen ONECUT1 Formen von Diabetes auslösen können. Solche Gendefekte stören die Entwicklung der Bauchspeicheldrüse und beeinträchtigen die Insulin-Produktion der Betazellen.
Millionen Menschen leiden an Diabetes. Laut dem Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD) ist bekannt, dass bestimmte Faktoren wie die Erbanlage, Übergewicht und Bewegungsmangel, Unempfindlichkeit gegenüber Insulin, eine gestörte Insulinausschüttung und eine gestörte Produktion bestimmter Darmhormone, zur Entstehung der sogenannten Zuckerkrankheit beitragen können. Und auch ein neu entdeckter Gendefekt löst Diabetes aus. Das hat ein internationales Forschungsteam unter deutsch-französischer Leitung jetzt aufgedeckt.
Über sieben Prozent der Erwachsenen betroffen
Wie das Universitätsklinikum Ulm in einer aktuellen Mitteilung schreibt, ist Diabetes mellitus eine Volkskrankheit, an der mehr als sieben Prozent der Erwachsenen in Deutschland leiden. Zunehmend sind auch Kinder betroffen.
Die chronische Stoffwechselerkrankung geht einher mit einem zu hohen Blutzuckerspiegel, der langfristig mit gravierenden Folgeerkrankungen verbunden ist. Ursachen, Krankheitszeichen und -verläufe unterscheiden sich je nach Diabetes-Typ.
Neben den klassischen Diabetesformen, bekannt als Typ 1 und Typ 2 Diabetes, existieren auch seltenere Formen, bei denen die Krankheit monogenetisch ist, also durch einen einzigen Gendefekt ausgelöst wird.
Mutationen spielen eine Schlüsselrolle
In einer Studie, an der Forschende des Universitätsklinikums Ulm federführend beteiligt waren, konnte jetzt gezeigt werden, dass Mutationen im Gen ONECUT1 eine Schlüsselrolle bei der Entstehung bestimmter Diabetes-Formen spielen.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden nicht nur bei Patientengruppen mit monogenetischem Diabetes Gendefekte in ONECUT. Sie konnten auch nachweisen, dass Varianten dieses Gens bei speziellen Formen von Typ 2 Diabetes eine wichtige Rolle spielen, die sich im frühen Erwachsenenalter zeigen.
Die Studienergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Nature Medicine“ veröffentlicht.
Bislang unbekanntes humanes Diabetes-Gen identifiziert
„Mit unserer Studie konnten wir ein bisher unbekanntes humanes Diabetes-Gen identifizieren“, so Heisenberg-Professor Alexander Kleger, Leiter der Pankreas-Arbeitsgruppe an der Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Ulm.
„Diese Entdeckung ist von hoher klinischer Relevanz, weil sie uns dabei helfen kann, Diabetes-Erkrankungen personalisiert zu behandeln und dabei den genetischen Besonderheiten des Einzelnen Rechnung zu tragen.“
Der Mediziner hat zusammen mit Dr. Cécile Julier, Humangenetikerin am renommierten Cochin Institut in Paris, die Studie geleitet. Den Forschenden ist es nicht nur gelungen, diesen speziellen genetischen Defekt bei Menschen mit Diabetes-Erkrankungen nachzuweisen, sie konnten darüber hinaus auch den Mechanismus näher beleuchten, wie die ONECUT1-Varianten die Funktion der insulin-produzierenden Beta-Zellen beeinträchtigen.
Laboruntersuchungen zeigten, dass die Bildung von Vorläuferzellen der Bauchspeicheldrüse durch die neu entdeckten ONECUT1-Genvarianten entscheidend beeinträchtigt war und dass die Insulin-produzierenden Beta-Zellen des Pankreas in ihrer Funktion der Blutzuckerregulation nachhaltig gestört waren.
Molekular-genetische Mechanismen entschlüsselt
Zudem konnte das Forschungsteam die molekular-genetischen Mechanismen entschlüsseln, die diese Funktionsstörung auslösen. „Es zeigte sich unter anderem, dass Mutationen im ONECUT1-Gen andere Transkriptionsfaktoren bei der Bindung an die DNA behindert haben und somit Pankreas-spezifische Genexpressionsregulatoren in ihrer Aktivität reduziert waren“, betont die Erstautorin Dr. Sandra Heller.
„Das Ergebnis dieser gemeinsamen Studie ist ein Meilenstein. Sie zeigt, wie die Zusammenarbeit aus klinischer Medizin, Humangenetik und patientennaher Grundlagenforschung helfen kann, eine komplexe Stoffwechselerkrankung besser zu verstehen. Vermeintliche Fälle von klassischem Typ 2 Diabetes beispielsweise entpuppen sich bei genauerer Betrachtung als Fälle von monogenetischem Diabetes. Dies ist nicht zuletzt für die Steuerung der Therapie der Betroffenen bedeutsam“, erklären die Forschenden. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universitätsklinikum Ulm: Neu entdeckter Gendefekt löst Diabetes aus, (Abruf: 23.10.2021), Universitätsklinikum Ulm
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- Deutsches Zentrum für Diabetesforschung: Ursachen des Diabetes, (Abruf: 23.10.2021), Deutsches Zentrum für Diabetesforschung
Wichtiger Hinweis:
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