Bakterium schützt Leber vor Alkoholschäden
Millionen Menschen haben eine Fettleber-Erkrankung. Diese ist schmerzfrei, sie erhöht jedoch das Risiko für weitere Erkrankungen. Die Krankheit kann ein Indikator für eine ungesunde Lebensweise sein, etwa für zu hohen Alkoholkonsum. Fachleute berichten nun über ein Bakterium, das die Leber vor Alkoholschäden schützt und dass Brokkoli und anderes grünes Gemüse schützende Stoffe liefern.
Die Fettleber ist ein häufiges Problem in Deutschland, schreibt die Deutsche Leberstiftung auf ihrer Webseite. Medizinerinnen und Mediziner unterscheiden zwischen einer nicht-alkoholischen Fettleber (NAFL) und einer alkoholischen Fettleber (AFL). Aber was passiert genau im Körper, wenn durch Alkohol die Leber geschädigt wird? Ein Wissenschaftler der Medizinischen Universität (MedUni) Wien hat die – bereits im Verdauungstrakt beginnende – Mechanismuskette aufgedeckt, die hinter einer alkoholbedingten Fettleber steht.
Große Bevölkerungsanteile betroffen
Wie es in einem aktuellen Beitrag von „scilog“, dem Magazin des österreichischen Wissenschaftsfonds FWF (Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung) heißt, gehört die Fettleber zu den Zivilisationserkrankungen, von der große Bevölkerungsanteile betroffen sind.
Im Laufe der Krankheit können zu den Fetteinlagerungen in dem Organ Entzündungen dazukommen. Der Körper reagiert darauf und versucht die Zellen zu reparieren, was zu einer Vernarbung und Verhärtung der Leber, zu einer sogenannten Fibrose, führen kann.
Wenn diese Erkrankung schwere, chronische Schäden hervorruft, die die Funktion des Organs beeinträchtigen, ist von einer Leberzirrhose die Rede.
Negative Auswirkungen von übermäßigem Alkoholkonsum
Es ist lange bekannt, dass sich der übermäßige Genuss von Alkohol negativ auf die Leber auswirken kann, doch gerade diese Variante wurde lange Zeit vergleichsweise wenig erforscht.
„Bis vor einiger Zeit lag der Fokus vor allem auf Fettleber-Erkrankungen, die nicht durch Alkohol bedingt sind. Erst in den letzten fünf bis zehn Jahren bekommt die alkoholbedingte Schädigung des Organs mehr und mehr Aufmerksamkeit“, sagt Tim Hendrikx vom Klinischen Institut für Labormedizin der MedUni Wien.
Der Wissenschaftler hat sich einen der noch unerforschten Aspekte der Leber rund um den Einfluss des Alkohols genauer angesehen. Er konnte zeigen, wie bestimmte Regulationsmechanismen im Verdauungstrakt Einfluss auf die alkoholbedingte Schädigung der Leber nehmen – und wie man hier künftig mit Behandlungen eingreifen könnte.
Einfluss des Darm-Mikrobioms
Zwar gibt es weitgehende Überschneidungen im Verlauf von alkoholbedingten und nichtalkoholischen Fettlebererkrankungen – etwa der oxidative Stress oder die chronischen Entzündungen im Organ, doch es gibt auch große strukturelle Unterschiede.
„Die im Verdauungstrakt vorhandenen Mikroorganismen werden durch den Alkoholkonsum stark beeinflusst. Man weiß, dass diese Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms einen besonders großen Einfluss auf die Entstehung der Erkrankung hat“, so der Experte.
Der Alkohol ist letztendlich dafür verantwortlich, dass Krankheitserreger aus dem Darm in die Blutbahn und zur Leber gelangen können, um dort dann Schaden anzurichten.
„Der übermäßige Alkoholkonsum lockert die Epithelzellen im Verdauungstrakt, die hier eine erste Verteidigungslinie gegen Krankheitserreger bilden. Diese Epithelschicht wird also brüchig, sodass die Pathogene in die Darmwand eindringen können“, erläutert Hendrikx. „Dieser Zusammenhang ist bei alkoholbedingten Lebererkrankungen viel ausgeprägter.“
Der Wissenschaftler und seine Kolleginnen und Kollegen nahmen bei ihren Forschungen einen ganz bestimmten Abwehrmechanismus im Darm in den Fokus: Es ist bekannt, dass im menschlichen Immunsystem der Botenstoff Interleukin-22 (IL-22) für die Produktion bestimmter, für die Abwehr relevanter Proteine zuständig ist. Diese – sie gehören zu den sogenannten Lektinen – gehen im Darm bei Alkoholkonsum deutlich zurück.
Genetisch verändertes Bakterium
In einem ersten Schritt konnte der Forscher anhand eines Mausmodells für alkoholinduzierte Lebererkrankungen – die Tiere bekommen dabei einen täglichen „Cocktail“ serviert, der eine bestimmte Menge Alkohol enthält – bestätigen, dass auch die Präsenz des Botenstoffs IL-22 im Darm bei Alkoholkonsum zurückgeht.
Im nächsten Schritt wurde ein Bakterium „genetisch so verändert, dass es IL-22 ausbilden konnte. Wenn wir die Mäuse damit fütterten, war am nächsten Tag mehr IL-22 in ihrem Darm vorhanden“, erklärt Hendrikx. Laut dem Beitrag haben Untersuchungen gezeigt, dass durch die Absonderung der Bakterien auch die Abwehrmechanismen besser wurden. Weniger Pathogene gelangten vom Verdauungstrakt in die Leber, dort traten weniger alkoholbedingte Erkrankungen auf.
Schließlich nahmen die Forschenden noch ein bestimmtes Stoffwechselprodukt mit der Bezeichnung Indol-3-Essigsäure (IAA) unter die Lupe, von dem bekannt ist, dass es die Produktion von IL-22 stimuliert. Den Angaben zufolge ist IAA ein Abbauprodukt sogenannter Indole, die dem Körper beispielsweise mit Brokkoli und anderem grünen Gemüse zugeführt werden können. Auch hier zeigte sich, dass durch Alkoholkonsum das Vorkommen dieser Stoffwechselprodukte im Körper sank.
„Wir konnten letztendlich also eine vollständige Kette an Mechanismen offenlegen, die zum Entstehen von alkoholbedingten Fettlebererkrankungen beitrugen – von den Indolen über IAA und IL-22 zu den Lektinen, die verhindern, dass Pathogene die Leber erreichen“, so der Wissenschaftler.
Neue Behandlungsmethoden
Er sieht zwei Möglichkeiten, wie die Erkenntnisse der Forschungen zu neuen Behandlungsmethoden führen könnten, die vor alkoholbedingten Lebererkrankungen schützen können.
Ein Ansatz könnte sein, das Stoffwechselprodukt IAA zu isolieren und künstlich herzustellen, um es dann als Medikament zu verabreichen. Der zweite Ansatz wäre jedoch nur in einer sehr langfristigen Perspektive denkbar.
„Im Prinzip haben wir bewiesen, dass man künstlich ein Bakterium schaffen kann, um eine Krankheit zu heilen“, sagt Hendrikx. „Man könnte versuchen, diese Bakterien nun etwa in Form eines prä- oder probiotischen Drinks in den Menschen zu transferieren.“
Aber bis die Medizinforschung so weit ist, alle Bedenken zum Einsatz genetisch modifizierter Bakterien im menschlichen Körper auszuräumen, wird sicher noch viel Zeit vergehen.
Forschungsergebnisse von Hendrikx und seinen Kolleginnen und Kollegen wurden in den Fachmagazinen „Frontiers in Endocrinology“ „Journal of Gastroenterology“, „Journal of Internal Medicine“ und „Gut“ veröffentlicht. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- scilog, Magazin des österreichischen Wissenschaftsfonds FWF: Ein Bakterium, das die Leber vor Alkoholschäden schützt, (Abruf: 24.10.2021)
- Hendrikx T., Binder CJ: Oxidation-Specific Epitopes in Non-Alcoholic Fatty Liver Disease; in: Frontiers in Endocrinology, (veröffentlicht: 09.12.2020), Frontiers in Endocrinology
- Hendrikx T., Schnabl B.: Antimicrobial proteins: intestinal guards to protect against liver disease; in: Journal of Gastroenterology, (veröffentlicht: 03.11.2018), Journal of Gastroenterology
- Hendrikx T., Schnabl B.: Indoles: metabolites produced by intestinal bacteria capable of controlling liver disease manifestation; in: Journal of Internal Medicine, (veröffentlicht: 14.03.2019), Journal of Internal Medicine
- Hendrikx T., Duan Y., Wang Y., Oh JH, Alexander LM et al.: Bacteria engineered to produce IL-22 in intestine induce expression of REG3G to reduce ethanol-induced liver disease in mice; in: Gut, (veröffentlicht: 17.11.2018), Gut
- Deutsche Leberstiftung: Fettleberentzündung (Steatohepatitis) – häufigste Lebererkrankung in Deutschland, (Abruf: 24.10.2021), Deutsche Leberstiftung
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.