Gewichtsreduktion: Mit personalisierter Ernährung abnehmen?
Mehr körperliche Aktivitäten und das Einschränken bestimmter Lebensmittel oder die Reduzierung der gesamten zugeführten Kalorienmenge: Es gibt unterschiedliche Maßnahmen, die zur Gewichtsreduktion beitragen können. Wenn es um das Thema Abnehmen geht, ist auch öfter von der sogenannten personalisierten Ernährung zu hören. Doch wie sinnvoll ist dieses Konzept?
„Kein Mensch is(s)t wie der andere“ – jede und jeder Einzelne hat ganz individuelle Risikofaktoren und genetische Veranlagungen, die den Stoffwechsel regeln und die Verdauung kontrollieren, heißt es auf der Webseite der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Heilbronn. Daher ist in jüngerer Vergangenheit die sogenannte personalisierte Ernährung verstärkt in den Fokus gerückt. Ist diese aber wirklich empfehlenswert?
Anpassung der Ernährung auf das Individuum
Wie das Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) in einer aktuellen Mitteilung schreibt, sind allgemeine Empfehlungen zu einer gesunden und ausgewogenen Ernährung weithin bekannt.
Die personalisierte Ernährung geht aber über diese Empfehlungen hinaus: Durch die Anpassung der Ernährungsweise auf das Individuum – gewissermaßen geprägt durch die Blaupause des Humangenoms – soll Krankheiten vorgebeugt und das Wohlbefinden gesteigert werden.
Aber wie weit ist die Wissenschaft und wie lassen sich personalisierte Ernährungskonzepte in den Alltag integrieren? Eine Standortbestimmung zu diesem Themenkomplex nahm kürzlich die DHBW Heilbronn vor und lud zu einem Fachkongress ein: „Personalisierte Ernährung – Anwendungsreife auf dem Prüfstand“.
Ganz viele Lebensumstände werden ignoriert
Laut Professorin (emeritiert) Hannelore Daniel sei personalisierte Ernährung bisher eindeutig eine Eliteernährung, getrieben von den Life-Sciences, und eindimensional auf Gesundheit ausgerichtet.
Dabei ignoriere sie meist ganz viele Lebensumstände, die wichtig für die Compliance sind, also die Bereitschaft einer Patientin oder eines Patienten zur aktiven Mitwirkung an therapeutischen Maßnahmen.
Wenn Menschen dazu bewegt werden sollen, ihr Ernährungsverhalten zu ändern, müsse genau geklärt werden, was sie mögen und was sie nicht mögen. Daniel zufolge sei dies wichtiger als Kenntnisse von eigenen Genvarianten und den damit verbundenen (statistischen) Risiken.
Energiereduktion spielt eine wesentliche Rolle
Einen Aspekt, und zwar den der genbasierten Ernährungsempfehlungen zur Gewichtsreduktion beleuchtete Dr. Christina Holzapfel vom Klinikum rechts der Isar, Institut für Ernährungsmedizin, Technische Universität München (TUM).
Laut der Expertin gebe es zahlreiche Angebote genbasierter Ernährung, doch bei der Betrachtung der jeweiligen Homepages dieser Anbieter zeige sich, dass es dort viel um Lebensstile geht, wobei die Energiereduktion eine wesentliche Rolle spiele, plus Coaching und Feedbackinstrumente.
Am Ende gehe ein Abnehmerfolg eben nicht auf die Genetik zurück, sondern auf die Kalorienrestriktion, auf Grundlage der Empfehlungen der jeweiligen Anbieter. Mit anderen Worten: Bis dato gibt es „keine Evidenz für einen klinischen Zusammenhang zwischen Genetik, Energie-, Kohlenhydrat- und Fettzufuhr“.
Keine Ernährungsempfehlung auszusprechen
Die Allgemeinbevölkerung sieht das allerdings etwas anders. Laut einer repräsentativen Umfrage der TUM meinen über 55 Prozent, dass genbasierte Ernährungsempfehlungen ein effektives Konzept sind und nahezu 35 Prozent der Befragten können sich vorstellen, eine genbasierte Ernährungsempfehlung in Anspruch zu nehmen.
Wie lässt sich die Diskrepanz zwischen Anbietern, Verbraucherinnen und Verbrauchern und der Wissenschaft erklären? Wie das BZfE schreibt, gibt es Belege dafür, dass das Körpergewicht eine genetische Komponente hat.
Die Schätzungen gehen demnach von einer Heritabilität von 50 bis 90 Prozent aus. Die Heritabilität ist ein Maß für die Erblichkeit von Eigenschaften, bei deren phänotypischer Ausbildung (das äußere Erscheinungsbild betreffend) sowohl die Gene als auch Umwelteinflüsse eine Rolle spielen.
Bezüglich der Gene zeigt das sogenannte FTO-Gen (fat mass and obesity associated) bislang den stärksten Einfluss auf das Körpergewicht. Wer allerdings – vereinfacht ausgedrückt – das Risikoallel (Ausprägung) sowohl von Vater als auch Mutter vererbt bekommt, wiegt gerade mal drei Kilogramm mehr als eine Person ohne das Risikoallel.
Das heißt, ein Effekt von drei Kilogramm erklärt am Ende nicht Übergewicht und Adipositas (Fettleibigkeit). Bis dato sind sehr viele einzelne Genlozi (Genorte; die physische Position eines Gens im Genom) identifiziert, die mit dem Körpergewicht vergesellschaftet sind, aber jeder einzelne Genort hat lediglich einen sehr kleinen Effekt.
Eine genbasierte Ernährungsempfehlung auszusprechen, sei laut Holzapfel aufgrund der derzeitigen Datenlage nicht sinnvoll, weil momentan nicht evidenzbasiert. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Bundeszentrum für Ernährung: Genbasierte Ernährungsempfehlungen zur Gewichtsreduktion, (Abruf: 25.10.2021), Bundeszentrum für Ernährung
- Duale Hochschule Baden-Württemberg Heilbronn: Forschungsprojekt personalisierte Ernährung, (Abruf: 25.10.2021), Duale Hochschule Baden-Württemberg Heilbronn
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.