Grüntee-Polyphenole fördern oxidativen Stress
Grüner Tee wird weltweit ein immer beliebteres Getränk, nicht zuletzt wegen seiner ausgeprägten positiven Wirkungen auf die Gesundheit. Grüntee soll durch seine Inhaltsstoffe unter anderem das Herz schützen und Krankheiten vorbeugen. Forschende berichten jetzt aber, dass bestimmte enthaltene Antioxidantien oxidativen Stress fördern. Von Extrakten oder Konzentraten wird daher eher abgeraten.
Grüntee gilt vor allem aufgrund des hohen Gehalts an Antioxidantien als gesund und lebensverlängernd. Forschende der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich)
zeigen nun aber auf, dass diese Inhaltsstoffe anders wirken als bisher angenommen.
Katechine aus dem Grüntee fördern oxidativen Stress
Wie die Deutsche Herzstiftung auf ihrer Webseite erklärt, konnten zahlreiche Studien günstige Effekte von Grüntee auf die Gesundheit zeigen.
So hat sich etwa herausgestellt, dass die Summe der im grünen Tee enthaltenen Pflanzenstoffe einen schützenden Effekt auf das Herz-Kreislauf-System haben. Als besonders wirksam haben sich demnach die sogenannten Katechine erwiesen, die zu den sekundären Pflanzenstoffen aus der Gruppe der Flavonoide gehören.
Den Katechinen ECG und EGCG wird auch eine lebensverlängernde Wirkung zugesprochen, schreibt die ETH Zürich in einer aktuellen Mitteilung. Die beiden Substanzen aus der Gruppe der Polyphenole werden als Antioxidantien betrachtet, die im Körper oxidativem Stress durch aggressive Sauerstoffradikale entgegenwirken respektive vorbeugen.
Die Forschung ging bislang davon aus, dass die Katechine die Sauerstoffradikale neutralisieren und damit Schäden an Zellen (oder der DNA) verhindern. Sauerstoffradikale entstehen unter anderem im Stoffwechsel, zum Beispiel bei der Energieproduktion in den Kraftwerken der Zellen, den Mitochondrien.
ETH-Forschende um Michael Ristow, Professor für Energiestoffwechsel am Departement Gesundheitswissenschaften der ETH Zürich, haben nun zusammen mit Kolleginnen und Kollegen der Universität Jena den Wirkmechanismus der Katechine im Fadenwurm C. elegans genauer unter die Lupe genommen.
Und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kommen zu einem anderen, paradox erscheinenden Ergebnis: die Katechine aus dem Grüntee unterdrücken oxidativen Stress nicht, sondern sie fördern ihn. Ihre Ergebnisse wurden in dem Fachjournal „Aging“ veröffentlicht.
Steigerung geschieht nicht durch das Immunsystem
In der Studie konnten sie zeigen, dass diese Polyphenole aus dem Grüntee oxidativen Stress zuerst kurzfristig erhöhen, was nachfolgend die Abwehrfähigkeit der Zellen und des Organismus’ steigert. Dadurch verhelfen die Katechine aus dem Grüntee den damit gefütterten Fadenwürmern zu einem längeren Leben und größerer Fitness.
„Grüntee-Polyphenole respektive Katechine sind also nicht Antioxidantien, sondern vielmehr Pro-Oxidantien, die ähnlich wie eine Impfung die Abwehrfähigkeit des Organismus verbessern“, erläutert Studienleiter Michael Ristow.
Allerdings geschieht diese Steigerung der Abwehrfähigkeit nicht durch das Immunsystem, sondern durch die Aktivierung von Genen, welche bestimmte Enzyme wie die Superoxid-Dismutase (SOD) und die Catalase (CTL) hervorbringen. Diese Enzyme inaktivieren in den Fadenwürmern die freien Sauerstoffradikale, sind also quasi körpereigene Antioxidantien.
Längeres Leben mit kalorienreduzierter Nahrung
Die Arbeitsgruppe von Ristow konnte bereits 2009 zeigen, dass die gesundheitsfördernde Wirkung von Sport dadurch zustande kommt, dass sportliche Aktivitäten oxidativen Stress kurzfristig steigern und damit die Abwehrmechanismen des Körpers verbessern.
Der gleiche Effekt tritt laut den Fachleuten auch auf, wenn man sich weniger Kalorien zuführt, was an Tieren mehrfach gezeigt wurde. Mäuse mit kalorienreduzierter Nahrung werden demnach älter als Artgenossen, die normales, kalorienreiches Futter erhalten. „Für mich lag es daher nahe, dass die Katechine aus dem Grüntee ähnlich wirken.“
Dem Wissenschaftler zufolge lassen sich die Erkenntnisse aus dieser Studie gut auf den Menschen übertragen. Denn die grundlegenden biochemischen Prozesse, mit denen Organismen Sauerstoffradikale neutralisieren, sind in der Entwicklungsgeschichte konserviert und von der einzelligen Hefe bis zum Menschen vorhanden.
Besser Grün- als Schwarztee
Ristow empfiehlt denn auch, täglich grünen Tee zu trinken, wie er das auch selbst mache. Hingegen rät der ETH-Professor davon ab, Grüntee-Extrakte oder -Konzentrate zu sich zu nehmen. „Ab einer gewissen Konzentration wird es toxisch“, erklärt der Forscher.
Hochdosierte Katechine hemmen die Mitchondrien so stark, dass dies zum Zelltod führe, was vor allem in der Leber gefährlich werden könne. Wer diese Polyphenole in zu hohen Dosen zu sich nehme, riskiere demnach Schäden an Organen.
Japanische Grünteesorten enthalten am meisten Katechine. Doch auch andere grüne Tees beinhalten ausreichende Mengen dieser Polyphenole. Im Schwarztee hingegen ist der Katechingehalt deutlich geringer als im Grüntee. Denn die Fermentation zerstört diese Substanzen weitgehend. „Daher ist Grüntee dem Schwarztee vorzuziehen“, so Ristow. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Eidgenössische Technische Hochschule Zürich: Katechine des Grüntees fördern oxidativen Stress, (Abruf: 26.10.2021), Eidgenössische Technische Hochschule Zürich
- Jing Tian, Caroline Geiss, Kim Zarse, Corina T. Madreiter-Sokolowski, Michael Ristow: Green tea catechins EGCG and ECG enhance the fitness and lifespan of Caenorhabditis elegans by complex I inhibition; in: Aging, (veröffentlicht: 04.10.2021), Aging
- Deutsche Herzstiftung: So schützt grüner Tee Ihr Herz, (Abruf: 26.10.2021), Deutsche Herzstiftung
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.